Rüge einer Überraschungsentscheidung und Verletzung der Sachaufklärungspflicht
Gesetze: FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt Urteil vom 1 K 279/02
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Das Finanzgericht (FG) hat den Anspruch des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
Er macht geltend, das FG habe eine für ihn überraschende Entscheidung getroffen. Denn es habe ihn lediglich darauf hingewiesen, es könne für die Entscheidung darauf ankommen, ob sein, des Klägers, Betrieb im Innenstadtbereich liege, was er verneint habe. Das FG habe jedoch nicht im Einzelnen erläutert, dass für die Belegenheit in der Innenstadt nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999 der Bebauungsplan bzw. Aufstellungsbeschluss oder die Bebauung der näheren Umgebung entscheidend seien. Er, der Kläger, habe nicht wissen können, dass die Verneinung der Frage, ob sein Betrieb in der Innenstadt belegen sei, die Versagung der Investitionszulage zur Folge haben könne.
Eine verfahrensfehlerhafte Überraschungsentscheidung liegt nur dann vor, wenn das FG seine Entscheidung auf einen Gesichtspunkt stützt, der im Besteuerungsverfahren und auch im gerichtlichen Verfahren überhaupt nicht zur Sprache gekommen ist und zu dem zu äußern nach dem Verlauf des Verfahrens kein Anlass bestand, und dem Prozess damit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf nicht rechnen mussten (, BFH/NV 2006, 318, m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Der Kläger räumt ein, dass er in der mündlichen Verhandlung zu den Einzelheiten seiner betrieblichen Tätigkeit befragt worden ist und dass das Gericht darauf hingewiesen hat, bei Annahme eines Handelsbetriebs sei die Belegenheit in der Innenstadt entscheidend, sowie dass ihn das FG danach gefragt hat, ob der Betrieb in der Innenstadt belegen sei. Bei dieser Sachlage war das FG nicht gehalten, auf die gesetzliche Umschreibung des Innenstadtbereichs gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999 besonders hinzuweisen. Der Kläger, der durch einen fachkundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war, konnte erkennen, dass das FG den Betrieb des Klägers möglicherweise als Handelsbetrieb beurteilen und entscheidend darauf abstellen werde, ob die besonderen Voraussetzungen für die Förderbarkeit von Handelsbetrieben in den Innenstädten gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999 gegeben sind.
2. Soweit der Kläger rügt, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt (§ 76 Abs. 1 FGO), ist die Beschwerde mangels ausreichender Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) bereits unzulässig.
Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht des FG mit der Begründung geltend gemacht, das FG habe —auch ohne entsprechenden Beweisantritt— von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, muss der Beschwerdeführer u.a. nicht nur substantiiert vortragen, welche konkreten Tatsachen das FG hätte aufklären und welche Beweise es von Amts wegen hätte erheben müssen, sondern auch, warum er —jedenfalls sofern er, wie hier, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war— nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt hat und sich die Beweiserhebung dem FG auch ohne besonderen Antrag als erforderlich hätte aufdrängen müssen (, BFH/NV 2006, 118).
Die Beschwerdebegründung genügt diesen Erfordernissen nicht. Sie erschöpft sich in der Kritik, das FG sei unzutreffend davon ausgegangen, es sei ausgeschlossen, dass dem Kläger eine Bescheinigung über die Lage seines Betriebs in der Innenstadt nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999 erteilt würde. Mit diesem Einwand gegen die Tatsachenwürdigung des FG kann ein Verfahrensmangel grundsätzlich nicht begründet werden. Denn die Grundsätze der Tatsachen- und Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und der Prüfung des BFH im Rahmen einer Verfahrensrüge entzogen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 118). Deshalb greift auch der Hinweis nicht, die Entscheidung des FG verstoße, wie die nachträglich vorgelegte Negativbescheinigung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999 zeige, gegen die Denkgesetze. Auch insoweit handelt es sich um die Rüge materiell-rechtlicher Fehler, die für sich genommen die Zulassung der Revision nicht eröffnen (, BFH/NV 2002, 1336).
Fundstelle(n):
LAAAB-91018