Verfassungsmäßigkeit des Familienleistungsausgleichs; Berücksichtigung der tatsächlichen Unterhaltsaufwendungen; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung
Gesetze: EStG § 32BVerfGG § 31 FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Vater eines Kindes, das bei seiner Mutter lebt. Die Mutter erhielt im Streitjahr 2000 das Kindergeld. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte bei der Festsetzung der Einkommensteuer für das Streitjahr 2000 einen Kinderfreibetrag in Höhe von 3 456 DM und einen Betreuungsfreibetrag von 1 512 DM und verrechnete das halbe Kindergeld. Im Einspruchs- und Klageverfahren machte der Kläger u.a. geltend, das FA habe zu Unrecht nicht die Belastung durch den tatsächlich gezahlten Kindesunterhalt berücksichtigt. Der Familienleistungsausgleich sei verfassungswidrig. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) geltend und beruft sich auf die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, es widerspreche der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), dass die tatsächlich gezahlten Unterhaltsleistungen bei der Einkommensteuer nicht berücksichtigt würden. Die steuerliche Entlastung durch den Kinder- und den Betreuungsfreibetrag werde durch die Hinzurechnung des halben Kindergeldes wieder aufgehoben. Er, der Kläger, sei auch gegenüber dem naturalunterhaltspflichtigen Elternteil benachteiligt, da er weder den Haushaltsfreibetrag noch Kinderbetreuungskosten steuerlich geltend machen könne.
II. Es kann offen bleiben, ob der Kläger die geltend gemachten Zulassungsgründe entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt hat (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt nur in Betracht, wenn es sich um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage handelt. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich geklärt oder aus anderen Gründen eindeutig ist und der Beteiligte für seine widersprechende Auffassung keine neuen Argumente vorbringt (vgl. , BFH/NV 2003, 1087, m.w.N.).
Die vom Kläger sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Familienleistungsausgleich verfassungsgemäß ist, soweit nicht die tatsächlichen Unterhaltsaufwendungen steuerlich zu berücksichtigen sind, ist nicht klärungsbedürftig. Der BFH hat bereits entschieden, dass es verfassungsrechtlich weder geboten ist, Unterhaltsleistungen für die Kinder in der vollen Höhe des bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruchs zu berücksichtigen, noch die steuerliche Entlastung für kindbedingte Aufwendungen am bürgerlich-rechtlichen Unterhalt auszurichten (, BFH/NV 2001, 1110, m.w.N.).
Der Gesetzgeber muss aber den Unterhaltsaufwand für Kinder des Steuerpflichtigen in dem Umfang von der Einkommensteuer freistellen, in dem die Unterhaltsaufwendungen zur Gewährleistung des Existenzminimums der Kinder erforderlich sind (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, 86 ff., BStBl II 1990, 653, 659; vom 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, 259 ff., BStBl II 1999, 174, 178 f.). Dem vom Kläger angeführten Beschluss des BVerfG in BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174 lässt sich entgegen seiner Ansicht insoweit nichts Gegenteiliges entnehmen. Dort führt das BVerfG vielmehr aus, nach welcher Methode die vom Gesetzgeber steuerfrei zu belassenden Unterhaltsaufwendungen für das Existenzminimum von Kindern zu berechnen sind. Darüber hinaus wird nach neuerer Rechtsprechung des BVerfG (vgl. Beschluss vom 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182) die Leistungsfähigkeit von Eltern über das sächliche Existenzminimum der Kinder hinaus auch durch den Betreuungs- und den Erziehungsbedarf gemindert. Anhaltspunkte dafür, dass die in § 32 Abs. 6 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewährten Freibeträge in ihrer Höhe nicht diesen Vorgaben durch das BVerfG genügen, liegen nicht vor (vgl. auch , BFH/NV 2003, 1303).
Dass § 32 EStG für das Streitjahr die Minderung der Leistungsfähigkeit durch Aufwendungen für den Erziehungsbedarf nicht berücksichtigt, ist vom Kläger hinzunehmen. Nach den auch den BFH nach § 31 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes bindenden Vorgaben des BVerfG (vgl. Beschluss in BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182) bleiben die für verfassungswidrig erklärten Vorschriften insoweit bis zum In-Kraft-Treten der Neuregelung des § 32 Abs. 6 EStG durch das Zweite Gesetz zur Familienförderung vom (BGBl I 2001, 2074) am weiter anwendbar. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt insoweit auch keine niedrigere Festsetzung der Einkommensteuer aus Billigkeitsgründen in Betracht (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 1110, m.w.N.).
2. Aus den gleichen Gründen ist auch der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, Alternative 1 FGO) nicht gegeben. Als spezieller Tatbestand der Grundsatzrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) setzt auch dieser Zulassungsgrund voraus, dass über eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage zu entscheiden ist (vgl. Senatsbeschluss vom III B 2/05, BFH/NV 2006, 910, m.w.N.).
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1646 Nr. 9
QAAAB-90215