Verwertungsbefugnis bei Teilamortisations-Leasingvertrag
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), zu deren Anteilseignern überwiegend unmittelbar oder mittelbar kommunale Gebietskörperschaften zählten, war Eigentümerin eines unbebauten Grundstücks. Mit Urkunde vom schloss sie mit einer Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG (KG) für das Grundstück einen Erbbaurechtsvertrag (Teil A des Vertrages), einen Immobilien-Leasingvertrag (Teil B) sowie einen Ankaufsrechtsvertrag (Teil C).
Im Erbbaurechtsvertrag (Teil A) räumte die Klägerin der KG gegen einen jährlichen Erbbauzins von ... DM ein Erbbaurecht an einer noch zu vermessenden Teilfläche des Grundstücks für die Dauer von 60 Jahren ein. Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr sollten sofort auf die KG übergehen. Die KG sollte auf Grund des Erbbaurechts berechtigt sein, auf dem Grundstück einen Technologie-Park zu erbauen.
Nach dem Immobilien-Leasingvertrag (Teil B) sollte die KG verpflichtet sein, den Technologie-Park nach den betrieblichen Erfordernissen der Klägerin zu errichten, jedoch ohne Betriebsvorrichtungen. Die KG vermietete der Klägerin den noch zu errichtenden Technologie-Park gemäß einem zwischen den Vertragsbeteiligten bereits abgeschlossenen privatschriftlichen Immobilien-Leasingvertrag vom 30. März und . Den Vertragsbeteiligten sollte ein Kündigungsrecht nur aus wichtigem Grund zustehen. Nach dem Vertrag betrug die Mietzeit 22,5 Jahre; die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasingobjekts betrug 25 Jahre. Die Miete bemaß sich nach den Gesamtinvestitionskosten, die vorläufig mit ... DM angegeben wurden. Die Mietkalkulation sollte gewährleisten, dass der Mietwert (Barwert der Mieten, Verwaltungskostenbeiträge und kalkulatorischer Restwert zum Ende der Mietzeit) 97 v.H. der Gesamtinvestitionskosten zum Mietbeginn entspreche. Die Jahresmieten bemaßen sich nach einem Aufschlag auf einen Referenzzinssatz ausgehend von den Gesamtinvestitionskosten. Der vorläufige kalkulatorische Restwert am Ende der Mietzeit lag bei ... DM (Teilamortisation). Die Kosten sollten nach Fertigstellung konkret abgerechnet werden. Die Gesamtinvestitionskosten beinhalteten alle Kosten, die für den Grunderwerb einschließlich Nebenkosten aufgewandt würden, alle Kosten für die vertragsgemäße schlüsselfertige Herstellung des Leasingobjektes, etwaige Sanierungskosten während der Bauzeit sowie die gegebenenfalls anfallende Grunderwerbsteuer für Grund und Boden und Baukosten. Die Klägerin sollte der KG ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses alle aus dem Eigentum und der Vermietung des Leasingobjektes entstehenden Nebenkosten erstatten.
Die Gefahr des zufälligen ganzen oder teilweisen Untergangs und der ganzen oder teilweisen Zerstörung des Leasingobjektes hatte die KG zu tragen, sofern der Untergang oder die Zerstörung nicht von der Klägerin zu vertreten war.
Im Ankaufsrechtsvertrag (Teil C) vereinbarten die Vertragsbeteiligten ein Ankaufsrecht in Form eines aufschiebend bedingten Kaufvertrages über das Erbbaurecht einschließlich der aufstehenden Gebäude. Die Erklärung über die Ausübung des Ankaufsrechts sollte zum Ende der Mietzeit möglich sein und der Kaufpreis dem kalkulatorischen Restwert des Leasingobjektes entsprechen. Darüber hinaus vereinbarten die Vertragsbeteiligten zu Gunsten der Klägerin ein außerordentliches Ankaufsrecht für den Fall, dass über das Vermögen der KG ein Vergleichs- oder Konkursverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt wurde oder der Leasingvertrag mangels ausreichender Versicherungsleistungen endete oder von der Klägerin aus wichtigem Grunde wirksam gekündigt wurde. Für diesen Fall sollte der Kaufpreis dem Barwert der bis zum Ende der Mietzeit noch zu leistenden Mieten und Verwaltungskostenbeiträge zuzüglich des Barwerts des kalkulatorischen Restwertes des Leasingobjektes zum Ende der Mietzeit entsprechen, mindestens aber den steuerlichen linearen Restbuchwert des Leasingobjekts betragen. Zur Sicherung des bedingten Anspruchs auf Übertragung des Erbbaurechts bewilligte und beantragte die KG zugunsten der Klägerin die Eintragung einer Auflassungsvormerkung.
Mit vorläufigem Bescheid vom setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) auf der Grundlage der vorläufigen Gesamtinvestitionskosten zunächst Grunderwerbsteuer in Höhe von ... DM fest. Mit ebenfalls vorläufigem Änderungsbescheid vom reduzierte das FA die Grunderwerbsteuer auf ... DM, wobei es als Bemessungsgrundlage nunmehr die mittlerweile vorläufig abgerechneten Gesamtinvestitionskosten in Höhe von ... DM zu Grunde legte. Nach dieser Abrechnung betrug der kalkulatorische Restwert am Ende der Mietzeit nicht mehr ... DM, sondern nur noch ... DM.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) hat sein in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1113 veröffentlichtes klageabweisendes Urteil im Wesentlichen damit begründet, dass der Klägerin ein Optionsrecht auf das Erbbaurecht mit Leasingobjekt nach Ablauf der Grundmietzeit sowie vorher unter bestimmten Voraussetzungen zustehe, so dass die Klägerin über die Substanz des Erbbaurechts verfügen könne.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Grunderwerbsteuerbescheid vom , geändert durch Bescheid vom , in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und der Steuerbescheide vom und in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Das FG hat verkannt, dass ein Leasingvertrag eine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) nicht begründet, wenn dem Leasingnehmer lediglich das Recht eingeräumt wird, zum Ablauf des Leasingvertrages den Abschluss eines Kaufvertrages über das Leasingobjekt mit dem Leasinggeber (zu einem feststehenden Kaufpreis) herbeizuführen.
1. a) Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Dieser Tatbestand ist dann erfüllt, wenn es einem Dritten (Nichtgrundstückseigentümer) ohne Begründung eines Anspruchs auf Eigentumsübertragung rechtlich ermöglicht wird, über ein bestimmtes Grundstück wie ein Eigentümer zu verfügen, d.h. dass er es besitzen, verwalten, nutzen, belasten und schließlich veräußern kann, und sich diese Maßnahmen wirtschaftlich zugunsten oder zu Lasten des Dritten auswirken. Dabei ist es nicht erforderlich, dass dem Dritten jeweils alle für das juristische Eigentum charakteristischen Rechte übertragen werden (vgl. jeweils m.w.N. , BFH/NV 2003, 818; vom II R 13/96 BFH/NV 1999, 666; vom II R 47/93, BFH/NV 1996, 579). Er muss aber regelmäßig nicht nur besitz- und nutzungsberechtigt sein, sondern auch an der Substanz des Grundstücks in dem Sinne beteiligt sein, dass er an der ganzen Substanz des Grundstücks seinem Wert nach soll teilhaben, gegebenenfalls also auch die Substanz soll angreifen können. Die Einwirkungsmöglichkeiten, aus denen die Verwertungsbefugnis hervorgeht, müssen gleichzeitig und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise bestehen (, BFHE 82, 51, BStBl III 1965, 265).
b) Es kann offen bleiben, ob es im Streitfall an einer Verwertungsbefugnis der Klägerin gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG schon deswegen fehlte, weil sie sich als Grundstückseigentümerin Nutzungs- und Ankaufsrechte vorbehalten und der KG das Erbbaurecht von vornherein nur unter diesen Einschränkungen bestellt hatte. Denn der Klägerin war auch keine Verwertung des Erbbaurechts (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG) gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG ermöglicht worden.
Das der Klägerin vertraglich eingeräumte Ankaufsrecht begründete keine Verwertungsbefugnis. Die Klägerin war nicht an der Substanz des Grundstücks in dem Sinne beteiligt, dass sie an der ganzen Substanz des Grundstücks seinem Wert nach sollte teilhaben, gegebenenfalls also auch die Substanz sollte angreifen können. Sie war nicht in der Lage, die Verwertung des Grundstücks selbst herbeizuführen und damit das Grundstück letztlich nach eigenem Belieben zu verwerten (vgl. , BFHE 188, 444, BStBl II 1999, 491). Eine solche Verwertungsmöglichkeit hat der BFH insbesondere dann angenommen, wenn der Leasingnehmer jederzeit die Übereignung des Grundstücks herbeiführen und sich dadurch den etwaigen Wertzuwachs des Grundstücks verschaffen kann (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2003, 818; in BFH/NV 1996, 579; vom II R 29/69, BFHE 111, 360, BStBl II 1974, 251). Kann der Leasingnehmer dagegen —wie im Streitfall— die Übereignungsverpflichtung erst zum Ablauf des Leasingvertrages herbeiführen, besteht diese Verwertungsmöglichkeit nicht (ebenso Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2004, § 1 Anm. 75). Die Einwirkungsmöglichkeiten, aus denen sich die Verwertungsbefugnis ergibt, bestehen in einem solchen Fall nicht gleichzeitig, sondern folgen zeitlich aufeinander (vgl. BFH-Urteil in BFHE 82, 51, BStBl III 1965, 265). Auf die ertragsteuerliche Zuordnung des Leasingobjektes (vgl. , BStBl I 1992, 13 —Ertragsteuerliche Behandlung von Teilamortisations-Leasing-Verträgen über unbewegliche Wirtschaftsgüter—) kann hierbei für die Grunderwerbsteuer nicht abgestellt werden (vgl. m.w.N. Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 15. Aufl. 2002, § 1 Anm. 688).
Hieran ändert sich auch nichts, wenn —wie im Streitfall— dem Leasingnehmer während der Vertragslaufzeit ein außerordentliches Ankaufsrecht zusteht, dieses aber nur unter im Vertrag näher bestimmten Voraussetzungen ausgeübt werden kann. Denn dies führt nicht dazu, dass der Leasingnehmer nach seinem Belieben wie ein Eigentümer über das Grundstück verfügen kann.
Da das FG dies verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.
2. Die Sache ist spruchreif. Steuerbescheide und Einspruchsentscheidung waren aufzuheben, da im Streitfall die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GrEStG nicht erfüllt sind; der Klägerin ist durch den Leasingvertrag keine Verwertungsbefugnis übertragen worden. Der Grunderwerbsteuer unterliegt vielmehr erst der durch Ausüben des Ankaufsrechts herbeigeführte Kaufvertrag (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG).
Bei der Ermittlung der Gegenleistung für diesen Erwerb können neben dem vereinbarten Kaufpreis auch Teile des Nutzungsentgelts (Leasingraten) als „sonstige Leistung” i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG berücksichtigt werden, soweit dieses Nutzungsentgelt den Rahmen der Angemessenheit und Verkehrsüblichkeit übersteigt und als Vorauszahlung auf den Kaufpreis im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks anzusehen ist. Denn für die Annahme, dass die Leasingraten auch Vorauszahlungen auf die Substanz des Leasingobjekts enthalten, spricht der Umstand, dass die Höhe des vereinbarten Nutzungsentgelts von der Höhe der Gesamtherstellungskosten abhängig ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1702 Nr. 9
GAAAB-90214