OFD Karlsruhe - S 2992 A - St 221

Rückstellung für Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen (§§ 5, 6 EStG)

Sachverhalt

Die N-GmbH bewahrt Geschäftsunterlagen aufgrund gesetzlicher Verpflichtung gem. § 147 Abs. 3 AO in einem Kellerraum des Betriebsgebäudes auf. Die laufenden Kosten für die Aufbewahrung hat der Geschäftsführer mit jährlich 1.000 € ermittelt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den anteiligen Grundstücksaufwendungen (500 €), der AfA für die Ausstattung des Kellerraums (300 €), anteiligen Personalkosten und Soft- und Hardwarekosten für die Lesbarmachung der Datenbestände (200 €). Außerdem sollen 100 € einmalige Verwaltungskosten für die Datensicherung anfallen.

Unter Berufung auf das BStBl 2003 II S. 131, hat die N-GmbH zum erstmals eine aufwandswirksame Aufbewahrungsrückstellung von 10.000 € (10 Jahre × 1.000 €) gebildet.

Fragen

  1. Zu welchem Bilanzstichtag kann eine Rückstellung für Aufbewahrungskosten erstmals gebildet werden?

  2. Welcher Aufwand kann in eine Rückstellung für Aufbewahrungskosten einbezogen werden?

  3. Ist die Rückstellung für Aufbewahrungskosten abzuzinsen?

Stellungnahme

Der a.a.O., entschieden, dass eine Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen, zu welcher der Unternehmer gesetzlich verpflichtet ist, sowohl handelsrechtlich (Verbindlichkeitsrückstellung, § 249 Abs. 1 HGB) als auch steuerrechtlich (Maßgeblichkeitsgrundsatz, § 6 Abs. 1 EStG) dem Grunde nach zu bilden ist.

Zu Frage 1: Zeitpunkt der erstmaligen Bildung der Aufbewahrungsrückstellung

Die Rückstellung für Aufbewahrungskosten ist als Verbindlichkeitsrückstellung sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich zwingend zu bilden (§ 249 Abs. 1 HGB, § 5 Abs. 1 EStG). Bilanzen, in denen eine solche Rückstellung nicht gebildet wurde, sind daher unzutreffend. Zu prüfen ist, auf welchen Bilanzstichtag der Steuerpflichtige ggf. eine Bilanzberichtung durchführen darf.

Nach einem Beschluss der ESt-Referenten des Bundes und der Länder sind Änderungen der Verwaltungsauffassung aufgrund geänderter Rechtsprechung erstmals in der ersten nach Veröffentlichung der entsprechenden Verwaltungsäußerung aufzustellenden Bilanz zu berücksichtigen. Eine rückwirkende Berücksichtigung in Schlussbilanzen, die einer nach den AO-Vorschriften noch änderbaren Veranlagung zugrunde liegen (§ 164 AO), kommt nach dieser Auffassung nicht in Betracht. Für den Ausgangsfall ist daher festzuhalten, dass eine Rückstellung für Aufbewahrungskosten erstmals in der Bilanz berücksichtigt werden kann, die nach dem (= Tag der Veröffentlichung des ) erstellt worden ist bzw. wird.

Zu Frage 2: Einzubeziehender Aufwand in die Rückstellungsberechnung

Die Rückstellung für Aufbewahrungskosten ist in Höhe des voraussichtlichen Erfüllungsbetrags anzusetzen. Die Erfüllung der Aufbewahrungsverpflichtung stellt eine Sachleistungsverpflichtung dar, die handelsrechtlich mit den Vollkosten zu bewerten ist ( a.a.O.). Steuerlich sind Sachleistungsverpflichtungen mit den Einzelkosten sowie den angemessenen Teilen der notwendigen Gemeinkosten (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe b EStG) zu bewerten.

Nach Verwaltungsauffassung sind „notwendige” Gemeinkosten i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe b EStG auch solche Gemeinkosten, die in einem (mittelbaren) wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Aufbewahrungspflicht von Geschäftsunterlagen stehen. Der teilweise in der Literatur vertretenen anderen Auffassung (z.B. Schmidt/Glanegger, EStG, § 6 Rz. 404), dass anteilige allgemeine Verwaltungskosten unter dem Blickwinkel der Herstellungskosten-Untergrenze bei der Vorratsbewertung nicht in die rückstellungsfähigen Kosten einzubeziehen sind, ist nicht zu folgen.

Im Ausgangsfall sind demnach die anteiligen Kosten

  • für Grundstücksaufwendungen, wie AfA, Miete, Instandhaltung, Grundsteuer, Gebäudeversicherung, Heizung, Beleuchtung, usw. (500 €),

  • die AfA für die Ausstattung der Archivräume (300 €),

  • anteilige Personalkosten, auch soweit diese auf Putzdienste oder Hausmeister entfallen, und EDV-Kosten für die Lesbarmachung der Datenbestände (200 €),

  • sowie die anteiligen Verwaltungskosten für die Datensicherung, z.B. Aufwand für die Mikroverfilmung, Brennen von CD oder externe Datensicherungskosten (100 €),

für die Bewertung der Rückstellung zu berücksichtigen.

Nicht rückstellungsfähig sind erst in der Zukunft anfallende Kosten, wie die Anschaffung von zusätzlichen Regalen oder Ordnern, sowie Kosten der Entsorgung der Unterlagen nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen.

Für die Ermittlung der rückstellungsfähigen Kosten ist zu beachten, dass Aufwendungen für anteilige AfA oder Miete der Lagerräumlichkeiten nicht alleine nach dem Flächenverhältnis des Archivs zur Gesamtfläche ermittelt werden können. Durch diese Berechnung erhält man kein zutreffendes Ergebnis, da die Lagerräume in aller Regel geringer ausgestattet sind als andere Räume, so dass auf sie weniger Aufwand entfällt. Daher ist bei einer Aufteilung der AfA bzw. Miete der Anteil für das Archiv sachgerecht zu schätzen oder durch einen Abschlag von dem nach dem Flächenverhältnis ermittelten Wert zu berechnen.

Außerdem besteht nicht für alle archivierten Unterlagen eine gesetzliche Aufbewahrungspflicht von 10 Jahren. Für einige Unterlagen wird gesetzlich eine geringere oder keine Aufbewahrungsfrist vorgeschrieben. Kosten für freiwillig aufbewahrte Unterlagen dürfen steuerlich nicht zurückgestellt werden. Die Höhe des rückstellungsfähigen Aufwands ergibt sich aus der Zusammensetzung der aufbewahrten Untertagen im Einzelfall. Unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Umfangs der gesetzlich aufbewahrungspflichtigen Unterlagen zu Unterlagen, zu deren Archivierung der Unternehmer nicht verpflichtet ist, wird ein Abschlag von 20 v.H. von den Gesamtkosten für die freiwillig aufbewahrten Unterlagen zur Ermittlung der rückstellungsfähigen Kosten in der Regel zutreffend sein. Abhängig von den Umständen des Einzelfall kann sich allerdings auch ein anderer Wert ergeben.

Zur Rückstellungsberechnung werden die jährlich anfallenden Aufwendungen (Raumkosten für die Archivräume, Einrichtungen, Personalkosten u.ä.) addiert und mit einem Vervielfältiger für die durchschnittliche Restaufbewahrungsdauer unter Berücksichtigung der gesetzlichen Aufbewahrungspflichten von 6 bzw. 10 Jahren multipliziert. Der Multiplikator hängt davon ab, wie sich die aufbewahrungspflichtigen Unterlagen im Einzelfall zusammensetzen und wie lange die Restaufbewahrungspflicht noch dauert. Es ist dabei auch zu beachten, dass die in einem Lagerraum aufbewahrten Buchführungsunterlagen aus verschiedenen (auch älteren) Wirtschaftsjahren stammen und daher aus der Sicht des zu beurteilenden Bilanzstichtags nicht vollumfänglich für weitere 6 oder 10 Jahre aufbewahrt werden müssen. Handelt es sich um gemischte Unterlagen (teilweise 6 und 10 Jahre Aufbewahrungsfrist) kann die durchschnittliche Restaufbewahrungsdauer deshalb in der Regel mit 4,5 Jahren geschätzt werden.

Die Kosten der Datensicherung (Mikroverfilmung, Brennen von CD o.ä.) fallen nur einmalig an und dürfen nicht vervielfältigt werden.

Für den Ausgangsfall führt dies zu folgender Rückstellungsberechnung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jährliche Kosten (s.o.)
1.000 €
./. Abschlag für freiwillig aufbewahrte Unterlagen 20 v.H.
200 €
 
800 €
 
 
800 € × durchschnittliche Aufbewahrungsdauer 4,5 Jahre
3.600 €
+ Kosten Datensicherung (einmalig; mit 20 v.H.-Abschlag)
80 €
Rückstellungsfähige Aufwendungen
3.680 €

In der Steuerbilanz der N-GmbH ist damit eine Rückstellung für die Aufbewahrungsverpflichtung von Geschäftsunterlagen von 3.680 € einzustellen.

Im Rahmen der Veranlagung kann eine Rückstellung für die Aufbewahrungspflicht von Geschäftsunterlagen in der Regel nur daraufhin überprüft werden, ob die Rückstellungshöhe im Verhältnis zur Größe des Unternehmens schlüssig ist. Eine genauere Überprüfung der Rückstellung und der einzelnen Aufwandskomponenten sollte regelmäßig nur im Rahmen einer Außenprüfung erfolgen.

Zu Frage 3: Abzinsung

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e EStG sind Rückstellungen abzuzinsen, sofern der Zeitraum bis zu ihrer Erfüllung mindestens 12 Monate beträgt. Hat eine Abzinsung zu erfolgen, ist der Zeitraum zwischen dem Bilanzstichtag und dem Beginn der Erfüllung zu Grunde zu legen. Eine Abzinsung der Rückstellung kommt nicht in Betracht, wenn mit der Erfüllung bereits begonnen wurde (Rz. 3 des BStBl 1999 I S. 1127). Im Ausgangsfall hat die Erfüllung mit der Aufbewahrung der Geschäftsunterlagen für am Bilanzstichtag beendete oder endende Wirtschaftsjahre bereits begonnen. Die Rückstellung für Aufbewahrungskosten ist folglich nicht abzuzinsen.

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Fundstelle(n):
OAAAB-89307