OFD Hannover - S 7100 b - 1 - StO 171

Umsatzsteuerliche Behandlung der entgeltlichen und unentgeltlichen Geschäftsveräußerung

Die Veräußerung eines Unternehmens im Ganzen – auch eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes – an einen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegt nicht der Umsatzsteuer. Die OFD verweist dazu auf §§ 1 Abs. 1a und 15a Abs. 10 UStG, sowie Abschnitt 5, 215 Abs. 2, 264 Abs. 7 und 270 Abs. 3 UStR 2005. Ergänzend gilt Folgendes:

1. Eine Geschäftsveräußerung liegt auch dann vor, wenn der Erwerber das Unternehmen in veränderter Form fortführt. Die Fortführung erfordert eine Kontinuität der Betriebsführung und damit eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den vor und nach Übereignung ausgeübten Tätigkeiten (, BStBl 2004 II S. 665 und vom V R 45/02, BFH/NV 2005 S. 1467). Ändert der Erwerber seine Verwendungsabsicht hinsichtlich des erworbenen Unternehmens, ist auf die bei der Übertragung bestehende Absicht abzustellen.

Beispiel 1

V vermietet ein Bürogebäude an M, ein Handelsunternehmen. Er veräußert es an M, der das Gebäude weiterhin für sein Handelsunternehmen nutzt.

Es liegt keine Geschäftsveräußerung vor. Die von M ausgeübte Handelstätigkeit ist keine Fortführung der Vermietungstätigkeit des V.

Beispiel 2

V verrichtet ein Gebäude, in der Absicht, es zu vermieten. Da er keine Mieter findet, veräußert er es an E.

Es liegt eine Geschäftsveräußerung vor, wenn E die Absicht hat, das Gebäude zu vermieten. Es ist unschädlich, dass V das Unternehmen in der Gründungsphase veräußert hat ( BStBl 2003 II S. 430).

Es liegt jedoch keine Geschäftsveräußerung vor, wenn E nicht die Absicht hat, das Gebäude zu vermieten, sondern es z.B. als Geschäftsgebäude für sein Unternehmen zu nutzen (s. Beispiel 1).

Beispiel 3

V betreibt ein auf ein Großprojekt beschränktes Bauträgerunternehmen. Er erwirbt ein Grundstück und bebaut es. Um es möglichst gut veräußern zu können, sucht er Mieter und schließt mit ihnen Mietverträge ab. Er veräußert das Grundstück an M, der die Büros vermietet.

Es liegt keine Geschäftsveräußerung vor. Die Bauträgertätigkeit des V führt M nicht fort. M ist vielmehr als Vermieter tätig (, BFH/NV S. 1467).

Beispiel 4

V vermietet seit Jahren ein Grundstück. Er veräußert es an E. E beabsichtigt, die Vermietungstätigkeit dauerhaft fortzuführen. Um einer drohenden Enteignung zu entgehen, veräußert er das Grundstück drei Jahre nach dem Erwerb.

Es liegt eine Geschäftsveräußerung vor. E führt die Vermietungstätigkeit fort. Die spätere Veräußerung war ursprünglich nicht beabsichtigt und ist deshalb unbeachtlich. Wegen der Geschäftsveräußerung ist auf die bei der Übereignung bestehende Absicht abzustellen.

2. Der Vorsteuerabzug aus Veräußerungskosten (z.B. Maklergebühren) richtet sich bei einer nichtsteuerbaren Geschäftsveräußerung danach, in welchem Umfang der Veräußerer das jeweilige Wirtschaftsgut seit Beginn des Jahres der Veräußerung zur Ausführung steuerfreier Ausschlussumsätze i.S. von § 15 Abs. 2 UStG verwendet hat. Ist der Besteuerungszeitraum im Kalenderjahr der Veräußerung zu kurz, um die Ermittlung einer realistischen Quote zuzulassen, kann der vorherige Besteuerungszeitraum herangezogen werden.

3. Zur Überwachung der Berichtigung des Vorsteuerabzugs beim Erwerber bittet die OFD, die für den Veräußerer geführten Überwachungsblätter und -übersichten abzulichten und darauf zu vermerken, dass der Erwerber den Berichtigungszeitraum des Veräußerers gem § 15a Abs. 10 UStG fortführt. Die Ablichtungen sind den Umsatzsteuerakten des Erwerbers vorzuheften oder mit Ablichtungen der Vertragsunterlagen dem für die Besteuerung des Erwerbers zuständigen Finanzamt zuzuleiten. Die Auswirkung des Mähdrescher- (BStBl 1994 II S. 339) bei der Veräußerung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ergeben sich aus der USt-Kartei S 7419 Karte 8 zu § 24 UStG.

4. Abschnitt 270 Abs. 3 Satz 2 UStR 2005 bestimmt, dass der Erwerber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes an die Optionsfrist des Veräußerers nach § 24 Abs. Abs. 4 UStG gebunden ist. Die OFD bittet, die Auffassung zu vertreten, dass auch die Bindungsfrist des § 1a Abs. 4 UStG bei der Option des Veräußerers zur Besteuerung der innergemeinschaftlichen Erwerbe und des § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG beim Verzicht des Veräußerers auf die Kleinunternehmerbesteuerung des § 19 Abs. 1 UStG für den Erwerber gilt.

5. Hat der Veräußerer für die nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung Umsatzsteuer – z.B. im Kaufvertrag – gesondert ausgewiesen, schuldet er den ausgewiesenen Betrag wegen des zu hohen Ausweises (§ 14c Abs. 1 Satz 1 UStG). Er ist jedoch nur unter den erschwerten Bedingungen des § 14c Abs. 2 Sätze 3 bis 5 UStG zur Rechnungsberichtigung berechtigt (§ 14c Abs. 1 Satz 3 UStG).

6. Berichtigt der Veräußerer die Rechnung nicht und entrichtet er die nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer nicht, haftet der Erwerber unter den Voraussetzungen des § 75 AO i.V.m. § 191 AO als Betriebsübernehmer. Das gilt jedoch nicht für Erwerbe aus einem Insolvenz- oder Vollstreckungsverfahren (§ 75 Abs. 2 AO).

Hat ein Insolvenzverwalter, auch ein qualifizierter vorläufiger, die fehlerhafte Rechnung ausgestellt und entrichtet er die Umsatzsteuer nicht, haftet er nach § 69 AO (entsprechend dem zu § 14 Abs. 3 UStG alte Fassung ergangenen BStBl 1995 II S. 230). Scheidet mangels vorhandener Zahlungsmittel die Verletzung steuerlicher Pflichten aus (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO), kann eine Haftung des Insolvenzverwalters allein auf §§ 60, 61 InsO gestützt werden. Der Insolvenzverwalter verletzt die ihm kraft Insolvenzrecht zugewiesenen Pflichten schuldhaft, wenn er trotz überwiegender Wahrscheinlichkeit des Steuerausfalls einen steuerbaren Tatbestand durch den gesonderten Steuerausweis verwirklicht.

Das Finanzamt des Veräußerers ist für die Festsetzung der nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldeten Umsatzsteuer und auch für die Erteilung der Haftungsbescheide zuständig (§§ 21, 24 AO). Der gesonderte Umsatzsteuerausweis wird vielfach bei der Prüfung des Sachverhalts durch das Finanzamt des Erwerbers auffallen. Das Finanzamt des Erwerbers hat das Finanzamt des Veräußerers zu informieren, damit dieses den Steueranspruch, insbesondere wegen der Frist des § 75 Abs. 1 AO, zeitnah festsetzen kann.

7. Berichtigt der Veräußerer die Rechnung nicht, ist der Erwerber nicht berechtigt, die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abzuziehen (Abschnitt 192 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStR 2005).

OFD Hannover v. - S 7100 b - 1 - StO 171

Fundstelle(n):
DStR 2006 S. 1227 Nr. 28
JAAAB-88221