BFH Beschluss v. - X B 138/04

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt —FA—) in der Beschwerdebegründung genannten Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einem Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Auch hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

1. Lässt das Finanzgericht (FG) bei seiner Entscheidung das unstreitige Vorbringen eines Beteiligten oder eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt, dann verstößt es gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO, nach dem das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden hat (, juris Nr: STRE200551635). Das Urteil beruht auf diesem Verfahrensmangel, wenn es unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des FG möglicherweise anders ausgefallen wäre, sofern das FG den betreffenden Umstand in Erwägung gezogen hätte (, BFH/NV 2005, 1585).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Das FA weist zwar zutreffend darauf hin, dass das FG in seinem Urteil zu Unrecht davon ausgegangen ist, der Kehrbezirk des gewerblich tätigen Klägers und Beschwerdegegners (Kläger) habe neben der Stadtgemeinde X auch die Landgemeinden Y und Z umfasst. Das FG hat nicht berücksichtigt, dass der Kläger mit Schriftsatz vom seine ursprünglichen Angaben zu seinem Kehrbezirk korrigiert hat. Danach umfasste sein Kehrbezirk in den Streitjahren die Gemeinde X und Teile der Gemeinde Z. Der Kläger hat erklärt, die Gemeinde Y habe in diesen Jahren nicht mehr zu seinem Kehrbezirk gehört. Diesen Angaben hat das FA nicht widersprochen.

Es ist indessen davon auszugehen, dass das Urteil des FG nicht anders ausgefallen wäre, wenn das FG die Verkleinerung des Kehrbezirks berücksichtigt hätte. Das FG ist in materiell-rechtlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass ein größeres räumliches Gebiet nur dann als Arbeitsstätte i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu qualifizieren sei, wenn die jeweiligen Einsatzstellen aneinander grenzen und in unmittelbarer Nähe zueinander liegen. Dies könne bei einem Kehrbezirk dann der Fall sein, wenn die Einsatzstellen nahe zusammenhängen. Das FG hat seine Entscheidung, wonach der Kehrbezirk des Klägers in den Streitjahren nicht als einzige weiträumige Arbeitsstätte (i.S. einer einzigen Betriebsstätte gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG; vgl. hierzu Senatsurteil vom X R 110/88, BFHE 162, 82, BStBl II 1991, 208) anzusehen sei, maßgeblich darauf gestützt, dass der Kehrbezirk des Klägers nicht unmittelbar zusammenhing. Hiervon ausgehend hätte das FG den Streitfall auch dann nicht abweichend beurteilt, wenn es berücksichtigt hätte, dass der Kehrbezirk nicht mehr die Gemeinde Y umfasste. Denn auch die Gemeinden X und Z grenzen nicht unmittelbar aneinander an. Auch soweit das FG ergänzend auf die Größe des Kehrbezirks abgestellt hat, war die Verkleinerung dieses Bezirks nicht entscheidungserheblich. Die nicht mehr zu diesem Bezirk gehörende Gemeinde Y hatte nach den Feststellungen des FG lediglich 912 Einwohner. Demgegenüber hatte die Gemeinde X 9 740 und die ebenfalls (jedoch nur teilweise) zu dem Bezirk gehörende Gemeinde Z 4 880 Einwohner. Angesichts dessen liegen keine Verhältnisse vor, welche die Aussage des FG zur Größe des Bezirks in Frage stellen.

2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

a) Bezogen auf die Streitjahre 1994 und 1995 ist die vom FA aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Kehrbezirk eines Kaminfegers stets eine zusammenhängende Arbeits- oder Betriebsstätte darstellt, nicht mehr klärungsbedürftig. Sie ist durch das (BFH/NV 2006, 507) geklärt. Der BFH hat in diesem Urteil entschieden, dass für den Kehrbezirk eines Kaminkehrers die allgemeinen Grundsätze gelten, welche die Rechtsprechung zur Problematik des Vorliegens einer (einzigen) großräumigen Arbeitsstätte i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG bzw. einer großräumigen Betriebsstätte i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG aufgestellt hat. Eine solche großräumige Arbeits- bzw. Betriebsstätte kann gegeben sein, wenn die einzelnen Einsatzstellen aneinander grenzen und in unmittelbarer Nähe zueinander liegen (, BFHE 173, 179, BStBl II 1994, 422, unter 2.c der Urteilsgründe). Hiervon ist nicht auszugehen, wenn der Einsatzbereich ein weiträumiges Gebiet wie etwa den Bereich eines Stadtgebiets oder einen nicht unmittelbar zusammenhängenden größeren ländlichen Bereich umfasst (, BFHE 174, 169, BStBl II 1994, 534, und vom VI R 92/93, BFH/NV 1995, 27). Der BFH hat mithin in seinem Urteil in BFH/NV 2006, 507 unausgesprochen die vom FA aufgeworfene Frage verneint, ob für den Kehrbezirk eines Kaminkehrers deshalb abweichende Grundsätze gelten, weil dieser Kehrbezirk ein diesem behördlich zugewiesener abgegrenzter Bereich ist.

b) Hinsichtlich des Streitjahrs 1996 ist zwar im Hinblick auf die Äußerungen des VI. Senats des BFH in dem vorgenannten Urteil in BFH/NV 2006, 507 (unter 2.a, 2. Abschnitt der Urteilsgründe) in grundsätzlicher Hinsicht klärungsbedürftig, ob die zur großräumigen Arbeitsstätte aufgestellten Grundsätze aufrechterhalten werden können, weil der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem Jahr 1996 in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zur Frage der Abzugsfähigkeit von Verpflegungsmehraufwendungen im Falle einer Auswärtstätigkeit getroffen hat. Die Rechtsfrage, ob ausschließlich die Grundsätze einer Auswärtstätigkeit gelten, wenn diese von der regelmäßigen Arbeits- oder Betriebsstätte aus angetreten wird, ist im Streitfall aber nicht klärungsfähig, weil der Rechtsstreit im Ergebnis nicht anders zu entscheiden wäre. Denn der Kläger verfügte nach den Feststellungen des FG, denen das FA auch nicht widersprochen hat, über eine solche Betriebsstätte, die er auch regelmäßig aufgesucht hat.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1462 Nr. 8
YAAAB-87980