BVerfG Beschluss v. - 2 BvR 860/95

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StVZO § 23 Abs. 4 Satz 2; StVZO § 68 Abs. 1; StVZO § 23; BVerfGG § 93b; BVerfGG § 93a; BVerfGG § 93a Abs. 2; GG Art. 28 Abs. 2;

Gründe

I.

1. Die Beschwerdeführerin ist eine kreisfreie Stadt in Bayern. Sie verfügt über ein eigenes Stadtwappen, welches sie auch bei der Erledigung von Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises verwendet.

2. Gemäß § 68 Abs. 1 StVZO in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 der bayerischen Gemeindeordnung sind der Beschwerdeführerin die Aufgaben einer Zulassungsstelle nach § 23 StVZO übertragen. Bis zum Erlass der angegriffenen Regelung verwendete die Beschwerdeführerin bei der Abstempelung von amtlichen Kennzeichen nach § 23 StVZO Plaketten, die ihr großes Stadtwappen zeigten. Mit der Einundzwanzigsten Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom (BGBl I S. 8 ff.) erhielt § 23 Abs. 4 Satz 2 StVZO folgende Fassung, welche die Abbildung des Wappens der Beschwerdeführerin auf der Stempelplakette nunmehr ausschließt:

"Die Stempelplakette enthält das farbige Wappen des Landes, dem die Zulassungsstelle angehört, und die Angaben des Namens des Landes und des Namens der Zulassungsstelle."

Bis zum konnten nach der Übergangsbestimmung des § 72 Abs. 2 StVZO die alten Stempelplaketten in bestimmten Fällen noch auf Kennzeichen angebracht werden.

II.

Mit ihrer Kommunalverfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG durch § 23 Abs. 4 Satz 2 StVZO in der Fassung der Einundzwanzigsten Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom . Dem Bund fehle die Gesetzgebungskompetenz zum Erlass der angegriffenen Regelung. Sie greife zudem unverhältnismäßig in die Organisationshoheit und das Wappenführungsrecht der Beschwerdeführerin ein.

1. Die Beschwerdeführerin genieße auch im übertragenen Wirkungskreis den Schutz der Organisationshoheit. Diese sei betroffen, weil das bayerische Kommunalrecht den Gemeinden die Verwendung von Siegeln mit dem kommunalen Wappen gestatte und die angegriffene Regelung in diesen Rechtsbestand eingreife. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits anerkannt, dass detaillierte fachaufsichtliche Weisungen über die Art der Durchführung einer Angelegenheit die Organisationshoheit beeinträchtigen können.

2. Als Ausfluss der Selbstverwaltungsgarantie und als Bestandteil des Persönlichkeitsrechts der Gemeinden sei auch das Recht zur Verwendung historischer Wappen betroffen. Die Gemeinden müssten über die Art ihrer Namensverwendung entscheiden können. Die angegriffene Regelung nehme ihnen die Möglichkeit der Namensdarstellung durch Verwendung des eigenen Wappens.

III.

Die Kommunalverfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen geklärt sind (vgl. BVerfGE 50, 195 <200 ff.>; 59, 216 <226>; 83, 363 <382>; 91, 228 <236>). Ihre Annahme ist mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg auch nicht zur Durchsetzung der Garantie kommunaler Selbstverwaltung angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdeführerin hat die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht in einer den Begründungsanforderungen nach §§ 23 Abs. 1, 92 BVerfGG entsprechenden Weise substantiiert dargetan.

1. Die Beschwerdeführerin zeigt die Möglichkeit einer Betroffenheit der durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Organisationshoheit nicht auf.

a) Die Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sichert den Gemeinden die Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte, und zwar bezüglich der Art und Weise der Aufgabenerledigung (vgl. BVerfGE 83, 363 <382>) wie auch im Hinblick auf das Recht zur Organisation der Gemeindeverwaltung (vgl. BVerfGE 83, 363 <382>; 91, 228 <236>). Im Bereich der Organisationshoheit gewährleistet Art. 28 Abs. 2 GG Eigenverantwortlichkeit auch für den übertragenen Wirkungskreis (vgl. BVerfGE 83, 363 <382>; 91, 228 <236>). Allerdings bedarf nicht jede staatliche Vorgabe für die Organisation der Gemeinde einer spezifischen Rechtfertigung. Die Organisationshoheit ist von vornherein nur relativ gewährleistet. Den Gemeinden müssen nur insgesamt nennenswerte organisatorische Befugnisse verbleiben. Außerdem muss ihnen ein hinreichender organisatorischer Spielraum bei der Wahrnehmung der einzelnen Aufgabe offen gehalten werden, wobei Unterschiede zwischen Selbstverwaltungsaufgaben und Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis eine Rolle spielen. Für keinen Aufgabenbereich darf ausgeschlossen werden, dass die Gemeinden zumindest der inneren Organisation auch selbst noch auf die besonderen Anforderungen am Ort durch eigene organisatorische Maßnahmen reagieren können. Lässt der Gesetzgeber den Gemeinden bei der Ausgestaltung ihrer Organisation Raum zu selbstverantwortlichen Maßnahmen, findet eine Kontrolle, ob die von ihm getroffenen Organisationsentscheidungen auf hinreichend gewichtigen Zielsetzungen beruhen, nicht statt (vgl. BVerfGE 91, 228 <240 ff.>).

b) Nach diesem Maßstab ist dem Vortrag der Beschwerdeführerin die Möglichkeit einer Betroffenheit der Organisationshoheit nicht zu entnehmen. Selbst wenn man davon ausginge, dass die angegriffene Regelung überhaupt nennenswerte Auswirkungen auf die interne Organisation der Aufgabenerfüllung hat, gewährleistet Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nur, dass der Beschwerdeführerin bei der Organisation ihrer Aufgaben als Zulassungsstelle insgesamt ein hinreichender Spielraum verbleibt. Die Beschwerdeführerin behauptet aber nicht, dass ihr als Folge der angegriffenen Regelung ein ausreichender organisatorischer Spielraum nicht mehr verbliebe. Derartiges ist auf der Grundlage ihres Vortrags auch nicht erkennbar, da § 23 Abs. 4 Satz 2 StVZO die Beschwerdeführerin bei der organisatorischen Gestaltung nur punktuell und geringfügig beschränkt.

2. Die Beschwerdeführerin legt auch die Möglichkeit einer Verletzung des Rechts auf Führung des eigenen Namens (vgl. BVerfGE 50, 195 <200 ff.>; 59, 216 <226>) nicht substantiiert dar. Dabei kann offen bleiben, ob das Namensrecht, wie es durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützt ist, auch das Recht zur Führung eines eigenen Wappens umfasst. Jedenfalls ist dem Vortrag der Beschwerdeführerin - die Existenz eines solchen Rechts unterstellt - nicht zu entnehmen, dass dieses durch die angegriffene Maßnahme beeinträchtigt wäre. Denn weder stellt § 23 Abs. 4 Satz 2 StVZO die grundsätzliche Befugnis der Beschwerdeführerin zur Führung ihres Stadtwappens in Frage, noch liegt, da eine Änderung des Wappens nicht im Raum steht, eine derjenigen Fallgestaltungen vor, in denen das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der staatlichen Festlegung oder Änderung des Gemeindenamens eine Beeinträchtigung des Namensrechts in Betracht gezogen hat (vgl. BVerfGE 50, 195 <200>; 59, 216 <226>). Dass die von der Beschwerdeführerin geforderte weiter gehende Befugnis, auch im übertragenen Wirkungskreis über die Art und Weise der Dokumentation des eigenen Namens - insbesondere hinsichtlich der Verwendung des Stadtwappens - frei entscheiden zu können, in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG als Garantie der Einrichtung kommunaler Selbstverwaltung (vgl. BVerfGE 79, 127 <143>) eine Stütze finde, ist weder ausgeführt noch ersichtlich.

3. Vor diesem Hintergrund bedarf keiner Erörterung mehr, ob dem Bund die Kompetenz zum Erlass der angegriffenen Regelung zukam. Da die Selbstverwaltungsgarantie durch die angegriffene Regelung nicht betroffen ist, kann die Beschwerdeführerin eine Überprüfung der angegriffenen Regelung am Maßstab der grundgesetzlichen Kompetenzordnung im Verfahren der Kommunalverfassungsbeschwerde nicht erreichen (vgl. BVerfGE 56, 298 <310>, 71, 25 <37>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des -, NVwZ 1995, S. 370 <371>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des -, NVwZ 1999, S. 520 <522>).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Fundstelle(n):
EAAAB-87404