Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG Art. 103 Abs. 2
Instanzenzug: BGH 2 StR 486/03 vom LG Frankfurt am Main 5/13 KLs-7740 Js 205984/03 vom
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verfassungsmäßigkeit der vom Bundesgerichtshof gewählten Auslegung des § 299 Abs. 2 StGB (Bestechung im Geschäftsverkehr). Ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
I.
1. Das Landgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe; seine Revision wurde vom Bundesgerichtshof verworfen (BGHSt 49, 214 mit kritischer Anmerkung Krehl, StV 2005, S. 325). Nach Ansicht der Fachgerichte ist die Verurteilung auch gerechtfertigt, soweit der Beschwerdeführer Zahlungen an den für die B. AG tätigen Mitangeklagten dafür geleistet hat, dass dieser sich für die Produkte der K. GmbH in dem von der Zentralstelle der Bahn in München durchgeführten bahninternen Zulassungsverfahren verwenden sollte. Dass sich die von dem Mitangeklagten erwartete Hilfe in erster Linie auf das, für sich betrachtet, durch keine Wettbewerbssituation gekennzeichnete Zulassungsverfahren bezogen habe, stehe der Strafbarkeit nicht entgegen, weil die auf die Eingrenzung des potentiellen Anbieterkreises abzielende Zulassung unabdingbare Voraussetzung für Aufträge der B. AG gewesen sei. Die erstrebte Zulassung habe sich auf die Wettbewerbsposition sowohl der Hersteller noch nicht zugelassener Produkte als auch der bahnintern bereits zugelassenen Produktanbieter ausgewirkt.
2. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung des Analogieverbots (Art. 103 Abs. 2 GG). Dieses untersage die Erstreckung des in § 299 Abs. 2 StGB enthaltenen Merkmals der "Bevorzugung bei dem Bezug von Waren und gewerblichen Leistungen" auf das hier betroffene Zulassungsverfahren, welches von keiner Konkurrenzsituation geprägt gewesen sei.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Jedermann soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist (vgl. BVerfGE 92, 1 <12>; 105, 135 <152 f.>). Die Entscheidung über strafwürdiges Verhalten muss im Voraus vom Gesetzgeber, nicht nachträglich von der vollziehenden oder der rechtsprechenden Gewalt gefällt werden. Für die Rechtsprechung folgt aus dem Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit ein Verbot analoger oder gewohnheitsrechtlicher Strafbegründung. Ausgeschlossen ist danach jede Rechtsanwendung, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht. Dabei markiert der mögliche Wortsinn des Gesetzes die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation (vgl. BVerfGE 92, 1 <12>). Im Übrigen ist es nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, seine Auffassung von der zutreffenden oder überzeugenden Auslegung des einfachen Rechts an die Stelle derjenigen der Strafgerichte zu setzen (vgl. Beschlüsse der 4. Kammer des Zweiten Senats des -, NJW 2001, S. 1848 <1849 f.> sowie der 3. Kammer des Zweiten Senats des -, NJW 2004, S. 3768).
2. Die von den Fachgerichten entwickelte Auslegung überschreitet diesen Rahmen nicht.
a) Dies gilt zunächst, soweit die Fachgerichte eine Strafbarkeit nach § 299 Abs. 2 StGB wegen der Gewährung interner Informationen für das Vermarkten von Schienenteilen angenommen haben. Eine Grundrechtsverletzung ist insoweit weder vorgetragen noch aus sonstigen Umständen ersichtlich.
b) Ein Verfassungsverstoß liegt auch im Übrigen nicht vor.
aa) Die Fachgerichte waren angesichts der konkreten Konstellation, die sie zu entscheiden hatten, verfassungsrechtlich nicht gehindert festzustellen, dass sich die "Bevorzugung" sowohl in der Vorstellung der Beteiligten als auch in ihrem objektiven Gehalt auf die spätere Bestellung entsprechender Waren durch die B. AG bezog. Sie waren nicht verpflichtet, das Zulassungsverfahren isoliert zu betrachten; vielmehr hatten sie sämtliche Auswirkungen der vereinbarten Gegenleistung in ihre Würdigung einzubeziehen. Ihre tatsächliche Würdigung, das Zulassungsverfahren letztlich als Bestandteil der Produktauswahl zu bewerten und damit als relevante Mitbewerber (auch) die Anbieter bereits zugelassener Produkte anzusehen, ist jedenfalls nicht unvertretbar.
(1) Es handelte sich hier um ein rein internes Zulassungsverfahren. Dieses diente ausschließlich dazu, die Eignung und Nutzbarkeit von Gütern für die spezifischen Zwecke der B. AG festzustellen; andere Funktionen und Wirkungen kamen diesem Verfahren, soweit ersichtlich und vorgetragen, nicht zu. Dementsprechend zielten die Bemühungen der Bewerber allein auf den Erhalt von Aufträgen durch die B. AG. Dass die B. AG das Zulassungsverfahren örtlich und organisatorisch getrennt von der abschließenden Vergabeentscheidung durchführte, musste die Wertung der Fachgerichte, der wesentliche Zweck des Zulassungsverfahrens liege in der Eingrenzung des potentiellen Anbieterkreises, nicht ausschließen.
(2) Da das erfolgreiche Durchlaufen des Zulassungsverfahrens das "entscheidende Hindernis" auf dem Weg zu einer künftigen Vermarktung darstellte, ist die Schlussfolgerung der Fachgerichte, die bahninterne Zulassung hätte der K. GmbH nicht nur formal die Abgabe von Lieferangeboten ermöglicht, sondern zugleich die Wettbewerbsposition der bisherigen Anbieter geschmälert, ebenfalls nicht zu beanstanden.
(3) Zudem durften die Fachgerichte annehmen, dass sich die hier vereinbarten Hilfeleistungen in ihren faktischen Auswirkungen nicht auf das reine Zulassungsverfahren beschränkten, sondern geeignet waren, auch die Auftragsvergabe zu beeinflussen, zumal der Mitangeklagte L. seine Aktivitäten gerade im Hause der B. AG und nicht am Sitz der für das Zulassungsverfahren zuständigen Zentralstelle in München entfaltete. Auch ist dem Eintreten der ins Auge gefassten "Entscheidungsträger" der B. AG für Produkte der K. GmbH die Tendenz für eine anschließende positive Vergabeentscheidung immanent.
bb) Legt man diese Sichtweise zugrunde, scheidet eine verbotene Analogie hinsichtlich des Merkmals der "Bevorzugung bei dem Bezug von Waren" aus, weil die Unrechtsvereinbarung - für den Beschwerdeführer vorhersehbar - die unlautere Beeinflussung eines Warenwettbewerbs zum Gegenstand hatte.
(1) Die Tatsache, dass die maßgeblichen Produkte der K. GmbH zum Zeitpunkt der Unrechtsvereinbarung noch nicht angebotsfähig waren, zwang die Fachgerichte verfassungsrechtlich nicht dazu, eine Strafbarkeit nach § 299 Abs. 2 StGB zu verneinen. Gegenstand und Ziel der Unrechtsvereinbarung muss die zukünftige unlautere Bevorzugung bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen sein (vgl. BGHSt 10, 358 <367 f.>; BGH, wistra 1991, S. 99 <101>; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, 11. Aufl., StGB, Stand: , § 299 Rn. 28); dementsprechend muss die Wettbewerbslage in der Vorstellung der Beteiligten der Unrechtsvereinbarung nicht bei deren Abschluss, sondern erst im Zeitpunkt der unlauteren Bevorzugung vorliegen (vgl. Tiedemann, a.a.O., § 299 Rn. 33, 43; Dannecker, in: NK-StGB, 2. Aufl. 2005, § 299 Rn. 47 f.; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. 2006, § 299 Rn. 15, 21). Unter dem Merkmal "bei dem Bezug" wird nach einhelliger Auffassung das gesamte wirtschaftliche, auf die Erlangung der Ware gerichtete Geschäft verstanden (vgl. BGHSt 10, 269 <270>).
(2) Diese Voraussetzungen durften die Fachgerichte auf der Grundlage ihrer einheitlichen Betrachtung der Vergabepraxis bejahen. Denn danach bestand bereits im vorbereitenden Zulassungsverfahren eine Konkurrenzsituation zwischen den auf den Markt drängenden Produzenten, namentlich der K. GmbH, und den bisherigen Lieferanten, deren Wettbewerbsposition beeinträchtigt werden sollte. Der Wortlaut der Strafnorm schließt es ferner nicht aus, Verhaltensweisen zu erfassen, die, wie hier, zwar zeitlich noch in die Phase der Anbahnung des Geschäftsverhältnisses fallen, aber gleichwohl geeignet sind und darauf abzielen, künftig unmittelbar auf die Wettbewerbsposition konkurrierender Warenanbieter durchzuschlagen. Die mit unlauteren Mitteln erstrebte Zulassung der fraglichen Produkte hätte - objektiv wie in der Vorstellung der Tatbeteiligten - jedenfalls die weitere Auftragsvergabe an die bisherigen Lieferanten und damit deren Marktstellung gefährdet.
(3) Da das Zulassungsverfahren nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Deutung des Sachverhalts einen unmittelbaren Bezug zu dem von der Wettbewerbssituation geprägten Vergabeverfahren aufwies, haben die Fachgerichte schließlich weder in unzulässiger Weise Vorbereitungshandlungen pönalisiert noch die Gesetzessystematik missachtet, zumal die Strafnorm jedenfalls hinsichtlich der (neben dem allgemeinen Rechtsgut des fairen Wettbewerbs) auch geschützten Mitbewerber ein Gefährdungsdelikt darstellt (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 299 Rn. 2; Tiedemann, a.a.O., § 299 Rn. 9).
cc) Ob die Fachgerichte unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 2 GG darüber hinaus eine "auf den Bezug von Waren" gerichtete Wettbewerbssituation hinsichtlich weiterer (potentieller) Teilnehmer des Zulassungsverfahrens annehmen durften, braucht das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstelle(n):
IAAAB-86837