Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG Art. 33 Abs. 5
Instanzenzug: VGH Baden-Württemberg 4 S 2763/00 vom VG Karlsruhe 7 K 528/00 vom
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer begehrt die Zahlung des kinderbezogenen Anteils am Familienzuschlag (früher: Ortszuschlag). Er steht als Regierungsrat im Dienst des Landes Baden-Württemberg und ist der leibliche Vater eines 1990 nicht ehelich geborenen Kindes, das bei der nicht verheirateten Kindesmutter lebt. Diese ist bei der "Gustav-Werner-Stif-tung zum Bruderhaus" angestellt.
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung des kinderbezogenen Anteils am Familienzuschlag wurde durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg abgelehnt. Nach § 40 Abs. 2 BBesG habe der im öffentlichen Dienst Beschäftigte für jedes Kind, für das er Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) bzw. dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) erhalte oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 EStG bzw. § 3 oder § 4 BKGG erhalten würde, einen Anspruch auf den kindbezogenen Anteil im Familienzuschlag. Stehe neben dem Beamten einer anderen Person, die im öffentlichen Dienst tätig oder aufgrund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder nach einer Ruhelohnordnung versorgungsberechtigt sei, der Familienzuschlag der Stufe 2 (sog. kinderbezogener Familienzuschlag) zu, so werde der auf das Kind entfallende Betrag des Familienzuschlags gemäß § 40 Abs. 5 BBesG dem Beamten gewährt, wenn und soweit ihm das Kindergeld nach dem EStG oder nach dem BKGG gewährt werde oder ohne Berücksichtigung des § 65 EStG oder des § 4 BKGG vorrangig zu gewähren wäre. Da hier der Arbeitgeber der Kindesmutter ein dem öffentlichen Dienst gleichzustellender Arbeitgeber im Sinne des § 40 Abs. 6 BBesG sei, stehe der Kindesmutter nach § 40 Abs. 5 BBesG der kinderbezogene Anteil am Familienzuschlag zu, denn das Kind lebe in ihrem Haushalt, so dass sie nach dem EStG bzw. nach dem BKGG auch Anspruch auf Zahlung des Kindergeldes habe.
Widerspruch und Klage des Beschwerdeführers sowie sein Antrag auf Zulassung der Berufung blieben erfolglos.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde macht er geltend, die Versagung des kinderbezogenen Anteils am Familienzuschlag verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG in der Ausprägung als Willkürverbot. Die Gewährung des kinderbezogenen Anteils am Familienzuschlag hänge von der Zufälligkeit ab, ob der zu Naturalunterhalt verpflichtete Elternteil im öffentlichen Dienst tätig sei. Weiter rügt er eine Verletzung des Art. 33 Abs. 5 GG. Der Alimentationsgrundsatz werde durch die Bevorzugung nicht beamteter Elternteile gegenüber beamteten verletzt. Zudem liege eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen barunterhaltspflichtigen beamteten Vätern vor, bei denen die Mutter der nicht ehelichen Kinder nicht im öffentlichen Dienst tätig sei.
Auch werde durch mittelbare Diskriminierung in sein Grundrecht auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 2 GG eingegriffen. Art. 141 EG verlange als unmittelbar geltendes Recht die Gewährung gleichen Entgelts für als gleichwertig anerkannte Arbeitsleistung; der kindbedingte Anteil am Familienzuschlag sei als Arbeitsentgelt in diesem Sinne anzusehen. Das europäische Primärrecht sei durch die Richtlinie 75/117/EWG (sog. Entgeltrichtlinie) konkretisiert worden. § 40 Abs. 5 BBesG widerspreche Art. 3 der Richtlinie.
Die Nichtzulassung der Berufung beeinträchtige ihn zudem in seinem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs, die Berufung nicht zuzulassen, habe verhindert, dass die Rechtssache dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt worden sei, so dass er seinem gesetzlichen Richter entzogen worden sei.
II.
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist mangels hinreichender Erfolgsaussichten auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).
1. Soweit der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot geltend macht, übersieht er, dass ein Familienzuschlag mit kinderbezogenem Anteil in dieser Form nur an Beschäftigte im öffentlichen Dienst gezahlt wird; bei mehreren hiernach Berechtigten soll er aber für jedes Kind nur einmal gewährt werden (vgl. § 40 Abs. 5 BBesG). Der Gesetzgeber will bei mehreren im öffentlichen Dienst Beschäftigten den kinderbezogenen Anteil am Familienzuschlag demjenigen zukommen lassen, der die Betreuungsleistung für das Kind tatsächlich übernommen hat. Für diese Entscheidung des Gesetzgebers sprechen sachgerechte sozialpolitische Gründe. Sie trägt der aus Erziehung und tatsächlicher Betreuung folgenden erheblichen Belastung Rechnung und ist deshalb in Ansehung des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. auch (Koblenz) -, NJW 1993, S. 1410). Ein Ausgleich entsprechend der für das Kindergeld geltenden Regelung des § 1612b BGB ist nicht von Verfassungs wegen geboten. Für einen Vergleich mit Beschäftigten außerhalb des öffentlichen Dienstes ist von vornherein kein Raum, weil diese als Leistungsempfänger nicht in Betracht kommen.
2. Eine Verletzung des in Art. 33 Abs. 5 GG als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums verankerten Alimentationsprinzips ist nicht erkennbar. Verwaltungsgericht wie auch Verwaltungsgerichtshof haben darauf abgestellt, dass die Versagung des kinderbezogenen Anteils am Familienzuschlag zwar zu einer Verminderung der dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehenden Mittel führe, jedoch nichts dafür ersichtlich sei, dass diese Verminderung die amtsangemessene Alimentation in Frage stellt. Gegen diese Auffassung hat der Beschwerdeführer keine durchgreifenden Rügen vorgebracht.
3. Mit der Rüge, sein Grundrecht aus Art. 3 Abs. 2 GG sei verletzt, vermag der Beschwerdeführer ebenfalls nicht durchzudringen.
Art. 3 Abs. 2 GG schützt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwar auch vor indirekten Ungleichbehandlungen; erfasst sein können also auch geschlechtsneutral formulierte Regelungen, sofern sie überwiegend Frauen (oder Männer) treffen und dies auf natürliche oder gesellschaftliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern zurückzuführen ist (vgl. BVerfGE 97, 35 <43> unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH). In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ferner geklärt, dass Rechtsakten des Gemeinschaftsrechts im Fall eines Widerspruchs zu innerstaatlichem Gesetzesrecht auch vor deutschen Gerichten der Anwendungsvorrang zukommt (vgl. BVerfGE 75, 223 <244 f.> m.w.N.; BVerfGE 85, 191 <204>). Kollidiert also Gemeinschaftsrecht mit nationalem Recht, so muss das nationale Gericht den Normenkonflikt lösen und dabei den Vorrang des Gemeinschaftsrechts beachten. Dies gilt sowohl für das primäre als auch für das sekundäre Gemeinschaftsrecht (vgl. BVerfGE 85, 191 <205>). Ein Widerspruch zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht durch die mangelhafte Umsetzung einer Richtlinie führt dazu, dass sich der Betroffene gegenüber den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar auf die Richtlinie berufen kann, sofern diese klar und unbedingt ist und zu ihrer Anwendung keines Ausführungsaktes mehr bedarf (vgl. BVerfGE 75, 223 <237 ff.>; 85, 191 <205>).
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann jedoch ein verfassungsrechtlich erheblicher Konflikt zwischen dem nationalen Recht, hier § 40 Abs. 5 Satz 1 BBesG, und dem primärrechtlichen Art. 141 EG sowie den Richtlinien 75/117/EWG und 76/207/EWG nicht festgestellt werden. Denn nicht nur nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, 6. Aufl., 2002, Art. 3 GG, Rn. 96 unter Hinweis auf BVerfGE 57, 335 <343 f.>), sondern auch nach derjenigen des Europäischen Gerichtshofs kann eine mittelbare Ungleichbehandlung durch objektive Faktoren gerechtfertigt sein (vgl. -, Slg. 1997, 5289 <5300>; Urteil vom - C 243/95 -, Slg. 1998, 3739 <3770 ff.>). Solche gewichtigen objektiven Gründe für die vom Beschwerdeführer beanstandete indirekte Ungleichbehandlung haben sowohl das Verwaltungsgericht wie auch der Verwaltungsgerichtshof bejaht und dazu ausgeführt, die Regelung des § 40 Abs. 5 BBesG entspreche dem auf einem sozialpolitischen Zweck beruhenden Charakter des kinderbezogenen Teils des Familienzuschlags, so dass es sachgerecht sei, denjenigen Elternteil, der die Betreuung des Kindes übernehme, zu bevorzugen und für die Zahlung des gesetzlich nur einmal zustehenden Familienzuschlags an die Betreuung anzuknüpfen. Dass zu den objektiven Rechtfertigungsfaktoren ein legitimes Ziel der Sozialpolitik gehören kann, erkennt auch der Europäische Gerichtshof ausdrücklich an (vgl. Urteil vom - C 343/92 -, Slg. 1994, 587 <600>). Gegen diese Argumentation hat der Beschwerdeführer keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Einwände vorgebracht.
4. Auch die Rüge des Beschwerdeführers, durch die Nichtvorlage beim Europäischen Gerichtshof sei er seinem gesetzlichen Richter entzogen worden, bleibt erfolglos.
Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt, dass der Europäische Gerichtshof gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist und es eine Entziehung des gesetzlichen Richters darstellen kann, wenn ein nationales Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nicht nachkommt (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 82, 159 <194 ff.>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des NJW 2001 - 1 BvR 1036/99 -, S. 1267 <1268>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des -, NJW 2002, S. 1486 <1487>). Das Bundesverfassungsgericht überprüft insoweit allerdings nur, ob die Zuständigkeitsnormen in offensichtlich unhaltbarer Weise gehandhabt worden sind (vgl. näher BVerfGE 82, 159 <194 ff.>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des -, NVwZ 1993, S. 883 <884>, und Beschluss vom - 2 BvR 588/98 -, NVwZ 1999, S. 293; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des aaO).
Darlegungen dazu, dass vorliegend die Fachgerichte trotz vorhandener Zweifel an der richtigen Beantwortung einer Frage des Gemeinschaftsrechts eine Vorlage überhaupt nicht in Erwägung gezogen haben oder bewusst von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu einer entscheidungserheblichen Frage abgewichen sind oder den ihnen bei Unvollständigkeit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Vorlage insoweit notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hätten (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>), enthält die Verfassungsbeschwerde nicht. Der Beschwerdeführer hat selbst ausgeführt, dass der Europäische Gerichtshof den Begriff des Entgelts sehr weit ausgelegt habe, ohne jedoch darauf einzugehen, ob nicht die von ihm angesprochenen Rechtsfragen bereits anhand dieser Rechtsprechung zu beantworten sind. Zudem haben weder Verwaltungsgericht noch Verwaltungsgerichtshof Zweifel an der Vereinbarkeit der europarechtlichen Vorgaben mit dem nationalen Recht gehegt, vielmehr einen objektiven Grund für die Ungleichbehandlung als gegeben erachtet und damit eine Diskriminierung ausgeschlossen. Folglich hat sich dem Verwaltungsgericht auch keine klärungsbedürftige und entscheidungserhebliche Frage über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts gestellt. Für eine bewusste Abweichung von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist ebenfalls kein Anhaltspunkt vorhanden. Von einer offensichtlich unhaltbar und damit verfassungswidrig gehandhabten Vorlagepflicht kann daher nicht die Rede sein.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BAAAB-86660