BVerfG Beschluss v. - 2 BvR 778/02, 2 BvQ 23/02

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GG Art. 19 Abs. 4; BVerfGG § 93b; BVerfGG § 93a; StVollzG § 27 Abs. 3; StVollzG § 4 Satz 3; StVollzG § 29 Abs. 1; StVollzG § 4 Abs. 2 Satz 2; StVollzG § 114 Abs. 2; StVollzG § 114 Abs. 2 Satz 1; StVollzG § 114 Abs. 2 Satz 2; VwGO § 123 Abs. 1

Instanzenzug: LG Karlsruhe 15 StVK 95/02 vom

Gründe

1. Der Beschwerdeführer verbüßt eine langjährige Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung. Die Justizvollzugsanstalt ordnete schon vor längerer Zeit im Hinblick darauf, dass der Gefangene besonders gefährlich sei - unter anderem habe er erklärt, einen Juristen töten zu wollen, und angekündigt, gegebenenfalls durch Geiselnahme aus der Haft auszubrechen, - den Einsatz einer Trennscheibe (auch) bei Verteidigerbesuchen an.

Im März 2002 beantragte der Beschwerdeführer erfolglos die Aufhebung dieser Anordnung für Besuche von Rechtsanwalt S. aus H. Den auf Außervollzugsetzung dieser Maßnahme gerichteten Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lehnte das Landgericht ab. Hiergegen richtet sich die Verfassungsbeschwerde.

2. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ihr kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist sie zur Durchsetzung verfassungsbeschwerdefähiger Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts durch die angegriffene Eilentscheidung hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt. Der überschreitet nicht den Wertungsrahmen, der den Fachgerichten auch bei der Auslegung und Anwendung der einfachgesetzlichen Bestimmungen zum vorläufigen Rechtsschutz eingeräumt ist.

Art. 19 Abs. 4 GG eröffnet den Rechtsweg gegen jede behauptete Verletzung subjektiver Rechte durch ein Verhalten der öffentlichen Gewalt und garantiert daher gerichtlichen Rechtsschutz sowohl dann, wenn jemand geltend macht, durch eine belastende Maßnahme der öffentlichen Gewalt in seinen Rechten verletzt zu sein, als auch bei geltend gemachter Rechtsverletzung durch die Unterlassung oder Ablehnung einer beantragten Amtshandlung (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des -, ZfStrVo 1996, S. 46). Im letzteren Fall verlangt Art. 19 Abs. 4 GG die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes jedenfalls dann, wenn anderenfalls schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (ebenda; vgl. auch BVerfGE 46, 166 <177 ff.>; 79, 69 <75>; 94, 166 <216>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des -, NStZ 2000, S. 166 f.). Im Bereich des Strafvollzugs regelt § 114 Abs. 2 StVollzG die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und differenziert dabei, ähnlich wie die §§ 80, 123 VwGO, nach dem Antragsgegenstand. Wendet sich der Beschwerdeführer gegen eine belastende Maßnahme, so kann das Gericht deren Vollzug schon unter den Voraussetzungen des § 114 Abs. 2 Satz 1 StVollzG aussetzen. Begehrt der Beschwerdeführer dagegen die Verpflichtung zum Erlass einer von der Anstalt abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme, so kommt vorläufiger Rechtsschutz nur nach Maßgabe der §§ 114 Abs. 2 Satz 2 StVollzG, 123 Abs. 1 VwGO in Betracht.

Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht im vorliegenden Fall der Sache nach den strengeren dieser beiden rechtlichen Maßstäbe angewandt hat. Dem Beschwerdevorbringen ist zu entnehmen, dass die Anordnung, deren Aufhebung der Beschwerdeführer mit seinem Eilantrag begehrte, bereits im Jahr 2000, möglicherweise auch noch früher, bestand und somit zum Zeitpunkt des Antrags bestandskräftig war. Daher konnten im fachgerichtlichen Verfahren die Anforderungen für den Eilrechtsschutz in Vornahmesachen zugrundegelegt und dem Beschwerdeführer konnte die Darlegung von Umständen abverlangt werden, die die vorläufige Weitergeltung der Anordnung als ihm unzumutbar erscheinen lassen.

An einer solchen Darlegung fehlte es. Der Beschwerdeführer hat lediglich geltend gemacht, das Vorstandsmitglied des Vereins "A. e. V.", Herr Rechtsanwalt S. aus H., sei sein Verteidiger und habe ihn im Laufe der Haftjahre schon mehrmals besucht.

Er pflege den Beschwerdeführer stets unangemeldet aufzusuchen, sobald er in Süddeutschland wegen anderweitiger Prozesse in der Nähe zu tun habe. Aus diesen Angaben wird nicht ersichtlich, dass die vorläufige Weitergeltung der Trennscheibenanordnung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache für den Beschwerdeführer nicht zumutbar wäre. Insbesondere ist nicht erkennbar, in welcher Angelegenheit die Verteidigung des Beschwerdeführers beeinträchtigt sein könnte.

Im Hauptsacheverfahren wird zu klären sein, ob der in der Rechtsprechung aufgestellte Grundsatz, dass angesichts der in §§ 27 Abs. 3, 4 Satz 3, 29 Abs. 1 StVollzG, 148 Abs. 2 Satz 3 StPO getroffenen Spezialregelung die Anordnung eines Trennscheibeneinsatzes bei Verteidigerbesuchen nicht auf § 4 Abs. 2 Satz 2 StVollzG gestützt werden kann (vgl. BGHSt 30, 38; , S. 39), auch die Fallgestaltung betrifft, dass die Trennscheibe zum Schutz des Verteidigers vor einer Geiselnahme durch den Gefangenen eingesetzt wird.

3. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (2 BvQ 23/02).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Fundstelle(n):
FAAAB-86381