BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 901/03

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: VwGO § 166; ZPO § 117 Abs. 2; ZPO § 118 Abs. 2 Satz 4; ZPO § 120 Abs. 1 Satz 1; PKHVV § 2 Abs. 2; PKHVV § 2 Abs. 3; BVerfGG § 34 a Abs. 2; BVerfGG § 93 b; BVerfGG § 93 a; BVerfGG § 93 c Abs. 1 Satz 1; BVerfGG § 95 Abs. 2 Halbsatz 1; GG Art. 19 Abs. 4

Instanzenzug: OVG Nordrhein-Westfalen 16 E 257/01 vom VG Düsseldorf 21 K 2998/97 vom

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde betrifft Verfassungsfragen im Prozesskostenhilfeverfahren.

I.

1. Die Beschwerdeführerin erhob in einer Sozialhilfesache am Klage und beantragte Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten. Sie reichte eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein, die sie nicht vollständig ausfüllte, und fügte ihren Schwerbehindertenausweis bei. Das Verwaltungsgericht zog die Sachakten des Sozialamts des Beklagten bei. Nach dessen Erwiderung und einem weiteren Schriftwechsel wurde das Verfahren von September 1997 bis Januar 2001 nicht gefördert; die Beschwerdeführerin hatte dies mehrfach angemahnt. Im Januar 2001 wies das Verwaltungsgericht auf einen Berichterstatterwechsel hin und forderte eine neue Erklärung an. Diese reichte die Beschwerdeführerin ein. Sie war fast vollständig ausgefüllt. Insbesondere war angekreuzt, dass ein Bausparguthaben nicht vorhanden sei. Die Wohnungsmiete war angegeben; die Spalte "ich zahle auf die Miete/mein Ehegatte zahlt" blieb leer. Die Beschwerdeführerin fügte ihren zwischenzeitlich ergangenen Rentenbescheid, eine Bescheinigung über ihre Sozialversicherungsbeiträge, Kontoauszüge wegen der Wohnungsmiete und den Arbeitslosenhilfebescheid ihrer Tochter bei, mit der sie zusammenlebt. Am lehnte das Verwaltungsgericht den Prozesskostenhilfeantrag wegen fehlender Erfolgsaussichten der Klage ab. Es würdigte die tatsächlichen und rechtlichen Fragen des Falles eingehend.

Am beantragte die Beschwerdeführerin die Zulassung der Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung und beantragte Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Nach der Erwiderung des Beklagten förderte das Oberverwaltungsgericht das Verfahren von Mai 2001 bis Januar 2003 nicht. Im Januar 2002 wies es darauf hin, dass die Beschwerde nach der neuen Rechtslage zulassungsfrei sei. Ansonsten erwiderte es auf die mehrfachen Anfragen der Beschwerdeführerin, es sei überlastet. Ende 2002 teilte es mit, ein Wechsel in der Senatszuständigkeit stehe bevor. Der nunmehr zuständige Senat wies am darauf hin, dass in der Erklärung der Beschwerdeführerin Angaben über die von ihr getragenen Wohnkosten fehlten, nicht alle nötigen Belege beigefügt seien und die angegebene Höhe der Sozialversicherungsbeiträge nicht mit dem Inhalt der Belege übereinstimme. Die Beschwerdeführerin möge binnen eines Monats eine neue Erklärung einreichen. In der neuen Erklärung kreuzte die Beschwerdeführerin in dem Feld "Bausparkonten" weder Ja noch Nein an. Außerdem füllte sie wiederum die Spalte zu den von ihr getragenen Mietanteilen nicht aus. Sie fügte ihren aktuellen Wohngeldbescheid bei, aus dem ihr Einkommen und das ihrer Tochter hervorging. In dem Begleitschreiben zu dieser Erklärung bat ihr Verfahrensbevollmächtigter um Mitteilung, wenn noch Unterlagen benötigt würden.

Am wies der Senat die Beschwerde und den Prozesskostenhilfeantrag zurück. Er führte aus, die Erfolgsaussichten der Hauptsache könnten offen bleiben. Jedenfalls sei Prozesskostenhilfe zu versagen, weil es an einer vollständig ausgefüllten formblattmäßigen Erklärung der Beschwerdeführerin fehle. Die Beschwerdeführerin habe keine Angaben zu Bausparkonten gemacht. Außerdem fehlten weiterhin Angaben zu den von ihr getragenen Wohnkosten. Diese seien nicht entbehrlich. Da sie zusammen mit ihrer Tochter lebe, müsse erläutert werden, ob sich diese an der Miete beteilige, zumal die Beschwerdeführerin nicht angegeben habe, ihr Unterhalt zu gewähren und ob die Tochter über eigenes Einkommen verfüge. Der Beschluss wurde der Beschwerdeführerin am zugestellt.

2. In ihrer am erhobenen Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, beide Entscheidungen verletzten sie in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG, weil sie ihr den Rechtsweg durch eine unzumutbar lange Verfahrensdauer quasi verwehrten. Der Beschwerdebeschluss verletze sie außerdem materiell in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz. Das Oberverwaltungsgericht sei schon gar nicht berechtigt gewesen, ein drittes Formular für die Erklärung anzufordern. Jedenfalls hätte es die Beschwerde nicht aus dem formalen Grund eines fehlerhaft ausgefüllten Vordrucks zurückweisen dürfen. Aus der zweiten Erklärung sei ersichtlich gewesen, dass sie kein Bausparguthaben besitze. Eine Änderung der Verhältnisse habe nicht unterstellt werden können. Es sei offensichtlich ein Versehen gewesen, dass die Beschwerdeführerin im Feld Bausparguthaben nichts angekreuzt habe. Die fehlende Angabe zu dem Mietkostenanteil habe das Verwaltungsgericht nicht beanstandet. Das Formular sei an dieser Stelle missverständlich, da es den Eindruck erwecke, nur Ehegatten müssten die Felder neben der Gesamtmiete ausfüllen. Das Oberverwaltungsgericht hätte diese Punkte durch eine notfalls telefonische Nachfrage aufklären müssen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts greift die Beschwerdeführerin inhaltlich ausdrücklich nicht an.

3. Das Bundesverfassungsgericht hat die Akten des Ausgangsverfahrens beigezogen. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens und das Land Nordrhein-Westfalen hatten Gelegenheit zur Äußerung.

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist (§ 93 b Satz 1 in Verbindung mit § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen des § 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG sind gegeben.

1. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen die Beschwerdeführerin wegen der überlangen Verfahrensdauer in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.

a) Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, das für die Verwaltungsgerichte aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitet wird, verlangt, dass Gerichtsverfahren in angemessener Zeit beendet sind (vgl. BVerfGE 60, 253 <269>; 93, 1 <13>). Dies entspricht auch den Anforderungen aus Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten [MRK] an Gerichtsverfahren in einem demokratischen Rechtsstaat (vgl. EGMR, NJW 1997, S. 2809 <2810>). Es gibt allerdings keine allgemein gültigen Zeitvorgaben. Ob eine Verfahrensdauer noch angemessen ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Dies sind vor allem die Natur des Verfahrens und die Bedeutung der Sache (vgl. BVerfGE 46, 17 <29>), die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Beteiligten (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, NJW 1997, S. 2811 <2812>), die Schwierigkeit der Sachmaterie, das den Beteiligten zuzurechnende Verhalten, insbesondere Verfahrensverzögerungen durch sie, sowie die gerichtlich nicht zu beeinflussende Tätigkeit Dritter, vor allem der Sachverständigen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, NJW 2001, S. 214 <215>; vgl. auch EGMR, NJW 2001, S. 213 f.).

Dagegen kann sich der Staat nicht auf solche Umstände berufen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen. Er muss alle notwendigen Maßnahmen treffen, damit Gerichtsverfahren zügig beendet werden können.

Zu den Rechtsangelegenheiten, die wegen ihrer Natur und ihrer Bedeutung für die Betroffenen einer gewissen Eilbedürftigkeit unterliegen, gehören Prozesskostenhilfeverfahren. Sie dürfen nicht dazu benutzt werden, strittige Rechtsfragen abschließend zu klären (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 ff>; BVerfG, 3. Kammer des 1. Senats, NJW 2003, S. 1857 <1858>) oder die Klärung streitiger Tatsachen im Hauptsacheverfahren zu verhindern (vgl. BVerfG, 1. Kammer des 2. Senats, NJW 2003, S. 576). Ebenfalls besonders zu fördern sind Sozialhilfesachen, weil es hier um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts geht.

b) Diesen Anforderungen genügen das erstinstanzliche Prozesskostenhilfe- und das Beschwerdeverfahren im vorliegenden Fall nicht.

Aus der beigezogenen Verfahrensakte ist ersichtlich, dass von September 1997 bis Januar 2001, also für fast dreieinhalb Jahre, das Verwaltungsgericht, und von Mai 2001 bis Januar 2003, also für ein Jahr und zehn Monate, das Oberverwaltungsgericht die Sache in keiner Weise inhaltlich gefördert haben. Es finden sich lediglich Wiedervorlageverfügungen, die zum Teil mehrere Monate umfassen. Hierfür sind keine hinreichenden Gründe ersichtlich. Die Beschwerdeführerin hat die Verfahren nicht verzögert, sondern auf die gerichtlichen Aufforderungen hin zügig Stellung bezogen und wiederholt die erbetenen Erklärungen eingereicht. Der Wechsel des Berichterstatters in der ersten und des zuständigen Senats in der Beschwerdeinstanz haben die Verzögerung nicht verursacht; vielmehr haben die danach zuständigen Richter die Sache zügig bearbeitet. Auch im Beschwerdeverfahren ist eine fast zweijährige Verfahrensdauer nicht gerechtfertigt, denn die Erklärung, deren Mängel das Oberverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin vorhält, wurde wenige Wochen vor der Entscheidung abgegeben. Angesichts dieser Umstände ist eine Verfahrensdauer von fünfeinhalb Jahren in einer Prozesskostenhilfesache im Sozialhilfebereich verfassungsrechtlich nicht mehr hinzunehmen.

2. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG auch inhaltlich zu beanstanden.

a) Die Prozesskostenhilfe soll das Gebot der Rechtsschutzgleichheit, das für verwaltungsgerichtliche Verfahren aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG folgt, verwirklichen, indem sie Bemittelte und Unbemittelte in den Chancen ihrer Rechtsverfolgung gleichstellt (vgl. BVerfGE 78, 104 <117 f.>; 81, 347 <357>). Da dieses Verfahren den grundgesetzlichen gebotenen Rechtsschutz nicht selbst bietet, sondern erst zugänglich macht, dürfen die Anforderungen, insbesondere an den Vortrag der Beteiligten, nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, NJW 2003, S. 576). Insbesondere sollen hier keine strittigen Rechts- oder Tatsachenfragen geklärt werden (sie oben unter 1 a).

Anders als die Erfolgsaussichten sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Prozesskostenhilfeverfahren abschließend zu prüfen. Deshalb muss der Antragsteller nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 117 Abs. 2 ZPO eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgeben und alle nötigen Belege beifügen. Seit der Einführung der Vordrucke muss er sich dieser bedienen (§ 117 Abs. 4 ZPO). Diese Anforderungen sind verfassungsgemäß (vgl. BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, SozR 1750 § 117 Nr. 6; BVerfG, 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom , 2 BvR 995/91 [Juris]).

Jedoch gilt auch bei der Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse das Verbot überspannter Anforderungen (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, StV 1996, S. 445 f.), damit der Zugang zu den Gerichten nicht übermäßig erschwert wird.

Eine Erleichterung dieser Art sieht § 2 Abs. 2 der Verordnung zur Einführung eines Vordrucks für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozesskostenhilfe [PKHVV] vom (BGBl I S. 3001) für Sozialhilfeempfänger vor. Sie können die Felder E bis J des Vordrucks unausgefüllt lassen, wenn sie dem Prozesskostenhilfeantrag ihren letzten Sozialhilfebescheid beifügen. Dies gilt nach § 2 Abs. 3 PKHVV nur dann nicht, wenn das Gericht ausdrücklich anordnet, den gesamten Vordruck auszufüllen. Tut es dies nicht, so darf es nicht allein wegen des nicht vollständig ausgefüllten Vordrucks das Gesuch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnen (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom , 2 BvR 229/98 [Juris]).

Der Bedeutung des Prozesskostenhilferechts für die Verwirklichung verfassungsmäßiger Rechte entspricht es auch, dass nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO ein Gesuch nicht insgesamt abgelehnt werden darf, wenn einzelne Angaben fehlen. Deshalb sind bei fehlenden Angaben über Ausgaben diese Positionen bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und der Ratenberechnung unberücksichtigt zu lassen (vgl. OLG Bamberg, FamRZ 2001, S. 628). Bei fehlenden Angaben über Vermögen sind Zahlungen nach § 120 Abs. 1 Satz 1 ZPO festzusetzen (vgl. OLG Koblenz, Rpfleger 1999, S. 133). Auch wenn eine Erklärung ganz fehlt, darf das Gesuch nicht abgelehnt werden, wenn der Antragsteller auf frühere Verfahren oder in Parallelverfahren eingereichte Erklärungen und Unterlagen verweist und erklärt, es habe sich nichts verändert (vgl. OLG Bamberg, FamRZ 2001, S. 628).

Letztlich gebietet auch im Prozesskostenhilfeverfahren der Grundsatz des fairen Verfahrens aus Art. 19 Abs. 4 GG, dass die Anforderungen, welche die Gerichte im Interesse der Verfahrensbeschleunigung an die Verfahrensbeteiligten stellen, in einem vernünftigen Verhältnis zu der Gesamtdauer des Verfahrens stehen, insbesondere soweit die Dauer des Verfahrens den Gerichten zuzurechnen ist (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 1994, S. 1853 <1854>). Zwar dürfen die Gerichte im Laufe eines längeren Prozesskostenhilfe-Verfahrens mehrere Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse anfordern, weil sie ihre Entscheidung auf zeitnahe Daten stützen müssen. Wenn es aber allein die von den Gerichten zu verantwortende Verfahrensdauer nötig macht, mehrfach Erklärungen anzufordern, und dies die Gefahr einer versehentlichen Falschangabe erhöht, sind die Gerichte in besonderer Weise gehalten, bei fehlenden oder unvollständigen Angaben die früheren Erklärungen zu berücksichtigen und bei Zweifeln nachzufragen.

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts nicht. Es trifft zwar zu, dass die Beschwerdeführerin bei der Einreichung der dritten Erklärung zwei Angaben unterlassen hat. Sie war auch von der Pflicht zur Ausfüllung aller Felder des Vordrucks nicht nach § 2 Abs. 2 PKHVV befreit, denn sie hat keinen Sozialhilfebescheid eingereicht. Dieser Mangel hätte jedoch nicht zur Abweisung des Prozesskostenhilfe-Gesuchs und zur Zurückweisung der Beschwerde im Ganzen führen dürfen.

Hier hatten die Gerichte die übermäßige Verfahrensdauer zu verantworten, die es nötig machte, mehrfach aktuelle Angaben anzufordern. Außerdem konnte das Oberverwaltungsgericht aus den vorhandenen Unterlagen ersehen, dass seine Erwägungen, die das Bausparguthaben und die Mietbeteiligung der Tochter betrafen, eher fern lagen. Die Sozialhilfeakte war beigezogen worden und die Beschwerdeführerin hatte ihren Renten- und Wohngeldbescheid eingereicht. In der zweiten Erklärung hatte die Beschwerdeführerin angegeben, kein Bausparkonto zu besitzen. Bei einer Sozialhilfeempfängerin konnte nicht unterstellt werden, dass binnen zwei Jahren ein Bausparguthaben entstanden sei. Die Angabe über den Mietanteil hatte die Beschwerdeführerin allem Anschein nach versehentlich unterlassen. Ihr ist dabei einzuräumen, dass der Vordruck an dieser Stelle undeutlich ist, weil er nur auf Ehepartner, aber nicht auf Kinder abstellt. Die Erwägung des Oberverwaltungsgerichts, möglicherweise trage die Tochter einen Teil der Miete, lag nicht nah. Aus dem Wohngeldbescheid war bekannt, dass auch sie bedürftig war. Der Beschwerdeführerin kann auch nicht entgegengehalten werden, sie habe Unterhaltsleistungen an ihre Tochter nicht angegeben. Zwar ist die Gewährung kostenfreien Wohnens als Naturalunterhalt aufzuführen; dies wird aber ein Antragsteller ohne gerichtlichen Hinweis regelmäßig nicht wissen.

III.

1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist nur für verfassungswidrig zu erklären. Eine Aufhebung nach § 95 Abs. 2 Halbsatz 1 BVerfGG scheidet aus. Die Beschwerdeführerin hat lediglich die überlange Verfahrensdauer angegriffen, aber nicht den Inhalt des Beschlusses. Eine Aufhebung kann diesen Verfassungsverstoß nicht beseitigen, sondern würde das Verfahren weiter verzögern. In solchen Fällen beschränkt sich das Bundesverfassungsgericht auf die Feststellung der Grundrechtsverletzung (vgl. BVerfG, NJW 1997, S. 2811 <2812>).

2. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist nach § 95 Abs. 2 Halbsatz 1 BVerfGG aufzuheben, da er auch materiell verfassungswidrig ist. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde und das Prozesskostenhilfegesuch an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

3. Die Anordnung der Kostenerstattung beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG. Mit ihr erledigt sich der Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde.

Fundstelle(n):
FAAAB-86222