BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 2297/96

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BVerfGG § 93 b; BVerfGG § 93 a; BGB § 1616 Abs. 2; BGB § 1616 Abs. 2 Satz 3; GG Art. 6 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 2; GG Art. 6 Abs. 2 Satz 1

Instanzenzug: BayObLG 1Z BR 172/96

Gründe

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass die von Eltern, die keinen Ehenamen tragen, für ihr erstes Kind getroffene Geburtsnamensbestimmung kraft Gesetzes (§ 1616 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F.) auch für ihre weiteren Kinder gilt.

1. Die Beschwerdeführer bestimmten als Geburtsnamen ihres ersten Kindes den Namen der Mutter. Für ihr zweites Kind wünschten sie als Geburtsnamen die Eintragung des Namens des Vaters, was ihnen durch die angegriffene Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts versagt wurde. Gemäß § 1616 Abs. 2 Satz 3 BGB gelte die von den Eltern für das erste Kind getroffene Geburtsnamensbestimmung - ohne dass es einer besonderen Erklärung bedürfe - auch für die weiteren Kinder. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in § 1616 Abs. 2 Satz 3 BGB angeordnete zwingende Folge eines einheitlichen Familiennamens für die Kinder bestünden nicht.

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 Abs. 2, Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG. Die Regelung in § 1616 Abs. 2 BGB führe dazu, dass es einem Elternteil verwehrt bleibe, seinen Namen an die gemeinsamen Kinder weiterzugeben. Die gesellschaftliche Wirklichkeit sehe so aus, dass regelmäßig der Name der Frau in der nächsten Generation wegfalle; dies widerspräche Art. 3 Abs. 2 GG. Im Übrigen hätten beide Elternteile ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht darauf, den eigenen Namen an die nächste Generation zu übertragen. Nur die Zulassung verschiedener Geburtsnamen bei mehreren Kindern ermögliche es beiden Elternteilen, ihre Familientradition fortzusetzen und benachteilige keinen der Ehepartner.

3. Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesministerium der Justiz namens der Bundesregierung, das Bayerische Staatsministerium der Justiz, die Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht e.V. Bonn, der Deutsche Juristinnenbund sowie der Bundesverband der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten Stellung genommen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der von den Beschwerdeführern als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), denn sie hat keine Aussicht auf Erfolg.

1. Die in § 1616 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. erfolgte Beschränkung der elterlichen Namenswahl auf das erste Kind verstößt nicht gegen das durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternrecht.

Das mit der angegriffenen Regelung in § 1616 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. verfolgte Ziel des Gesetzgebers, die familiäre Namenseinheit zumindest auf der Kindesebene zu wahren, steht im Einklang mit den Wertvorgaben der Verfassung, dem Elternrecht der Beschwerdeführer aus Art. 6 Abs. 2 GG, ihrem Kind einen Namen zu geben, und ist der Funktion des Familiennamens förderlich (vgl. - Umdruck S. 19, 20). Der Gesetzgeber durfte in § 1616 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. an die Wertung des Art. 6 Abs. 1 GG, der das Prinzip der Einheit der Familie gewährleistet (vgl. BVerfGE 78, 38 <49>; 84, 9 <21>; - Umdruck S. 22, 23), anknüpfen und entsprechend der Funktion des Familiennamens die familiäre Zusammengehörigkeit von Geschwisterkindern durch einen einheitlichen Familiennamen darstellen.

2. Die Beschränkung der elterlichen Namenswahl auf das erste Kind berührt nicht das von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht der Eltern. Vom Schutz der Persönlichkeit ist allein die eigene Identität und Lebenssphäre erfasst. Art. 2 Abs. 1 GG eröffnet kein Bestimmungsrecht über einen anderen Menschen (vgl. BVerfGE 24, 119 <144>; 72, 155 <172>). Dies gilt auch für Eltern im Verhältnis zu ihren Kindern. Das Recht, ihren Kindern einen Namen zu geben, ist Eltern grundrechtlich nicht im Interesse eigener Persönlichkeitsentfaltung, sondern allein im Rahmen ihrer Sorgeverantwortung nach Art. 6 Abs. 2 GG im Interesse ihrer Kinder eingeräumt (vgl. - Umdruck S. 30, 31).

3. § 1616 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG noch gegen das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG.

Gemäß § 1616 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. ist es der freien Entscheidung der Eltern überlassen, welcher ihrer eigenen Namen zum Geburtsnamen des ersten Kindes und damit auch zum Geburtsnamen der folgenden Kinder bestimmt wird. Dass sie nicht bei jedem Kind diese Wahl neu treffen können, begrenzt zwar ihre Auswahlmöglichkeit. Dies trifft jedoch Mutter wie Vater gleichermaßen.

Auch der Umstand, dass vorrangig der Mannesname als Geburtsname des Kindes bestimmt wird, beruht nicht auf einer nachteiligen Situation von Frauen, sondern auf vorfindlichen Einstellungen. Der inzwischen namensrechtlich ermöglichte Einstellungswandel wird nicht dadurch wesentlich befördert, dass dem einen Kind der Name der Mutter und dem anderen der Name des Vaters als Geburtsname gegeben werden kann. Zwar könnte diese Möglichkeit einen Streit zwischen den Eltern über den Kindesnamen vermeiden helfen und zugleich dazu führen, dass vermehrt Kinder auch den Namen ihrer Mutter tragen. Die Eröffnung dieser Möglichkeit ist jedoch durch Art. 3 Abs. 2 GG nicht geboten. Denn eine solche Regelung verlöre schon dann ihre Wirkung, wenn nur ein Einzelkind zu benennen ist. Angesichts der allenfalls geringfügigen Auswirkung auf die Verwirklichung des Art. 3 Abs. 2 GG durfte der Gesetzgeber sein Ziel, die familiäre Zusammengehörigkeit von Geschwistern in einem gemeinsamen Geburtsnamen zum Ausdruck zu bringen, durch die geschaffene Regelung verfolgen.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Fundstelle(n):
XAAAB-85792