Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 20 Abs. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Instanzenzug: OLG Bamberg 1 W 18/04 vom LG Aschaffenburg 3 O 606/03 vom
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein Prozesskostenhilfeverfahren.
I.
1. Die Beschwerdeführerinnen beantragten im Ausgangsverfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss. Sie machten dafür die Aufrechnung mit Gegenansprüchen geltend. Diese stützten sie unter anderem auf den Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereichung wegen eines Mehraufwands, der ihnen dadurch entstanden sei, dass sie das Kellergeschoss der von ihnen als Bauträgerinnen an die Antragsgegner verkauften Doppelhaushälfte nach Abschluss des Kaufvertrags zu einer Einliegerwohnung umgebaut hätten.
Das Landgericht hat den Antrag mit dem angegriffenen Beschluss abgelehnt. Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe fehle die notwendige Erfolgsaussicht. Den Beschwerdeführerinnen stünden Ansprüche aus Vertrag nicht zu. Sie hätten keinen Beweis für die bestrittene Tatsache angeboten, dass die Antragsgegner die in Rede stehenden Maßnahmen veranlasst hätten. Im Übrigen ergebe sich aus der beigezogenen Akte eines Vorprozesses und der dortigen Vernehmung des von den Beschwerdeführerinnen für das Verlangen der Bauerweiterung um eine Einliegerwohnung benannten Zeugen, dass die Planung hierfür schon vor dem Abschluss des notariellen Kaufvertrags über die Doppelhaushälfte erfolgt sei und die abweichende Aussage des Zeugen in einem weiteren Vorprozess auf einem Irrtum beruht habe. Danach sei davon auszugehen, dass die Umplanung schon bei der Preisbestimmung im notariellen Kaufvertrag berücksichtigt worden sei.
Gesetzliche Ansprüche, namentlich solche aus ungerechtfertigter Bereicherung, kämen ebenfalls nicht in Betracht. Eine Herausgabe der Materialien und Arbeitsleistungen in natura scheide wegen Verbindung und Verarbeitung aus. Ein Wertersatzanspruch könnte sich demzufolge nur aus dem Wertzuwachs des gesamten Anwesens durch den Ausbau der Einliegerwohnung ergeben. Unabhängig davon, dass nach den vorstehenden Ausführungen ein solcher Wertzuwachs schon bei der Preisbestimmung im Kaufvertrag berücksichtigt worden sein möge, sei ein derartiger Zuwachs für dritte Personen nicht ersichtlich, weil wegen der Unmöglichkeit der Errichtung von Stellplätzen eine Baugenehmigung insoweit nicht zu erhalten gewesen wäre.
Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerinnen gegen diese Entscheidung mit dem ebenfalls angegriffenen Beschluss zurückgewiesen. Zu Recht habe das Landgericht die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage verneint. Angesichts der Zeugenaussage und der Einlassung der Beschwerdeführerinnen im Vorprozess könne nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, die Zusatzarbeiten im Zusammenhang mit der Einliegerwohnung seien nachträglich in Auftrag gegeben worden. Die Beschwerdeführerinnen könnten damit nicht nachweisen, dass ihnen über den vereinbarten Pauschalpreis hinaus weitere Ansprüche zustünden. Auch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder § 812 BGB könnten nur vorliegen, wenn Arbeiten im Interesse der Antragsgegner ausgeführt worden seien, die nicht schon mit dem Pauschalpreis abgegolten sein sollten.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführerinnen die Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 1 und sinngemäß auch von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
Bei der Versagung der Prozesskostenhilfe seien Land- und Oberlandesgericht entgegen ihren Feststellungen im Vorprozess und dem Vortrag beider Parteien davon ausgegangen, dass die Errichtung einer Einliegerwohnung vor Beurkundung des notariellen Kaufvertrags vereinbart worden sei. Das verletze den Anspruch der Beschwerdeführerinnen auf rechtliches Gehör, sei willkürlich und missachte deren Anspruch auf ein faires Verfahren. Auch sei ihnen wegen ihrer Armut der Zugang zur Justiz verwehrt worden.
3. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat sich zu der Verfassungsbeschwerde nicht geäußert. Die Antragsgegner des Ausgangsverfahrens halten sie für unbegründet.
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung von Rechten der Beschwerdeführerinnen im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG sind gegeben. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen schon entschieden (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 ff.>). Die angegriffenen Beschlüsse können danach keinen Bestand haben.
1. Unbegründet sind allerdings die Rügen einer Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 sowie von Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG. Ein Verstoß gegen diese Verfassungsnormen lässt sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen. Von einer weiteren Begründung wird insoweit gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
2. Erfolgreich ist dagegen die Rüge einer Verletzung des Rechts der Beschwerdeführerinnen aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
a) Diese Grundgesetznormen gebieten Rechtsschutzgleichheit im Sinne einer weit gehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und weniger Bemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 81, 347 <356>). Es ist im Lichte dieses Gebots zwar unbedenklich, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe von der hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung abhängig zu machen. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz fordert, nicht selbst bieten, sondern nur zugänglich machen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>).
Auslegung und Anwendung des § 114 ZPO obliegen allerdings in erster Linie den Fachgerichten. Verfassungsrecht wird nur verletzt, wenn die angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Rechtsschutzgleichheit beruhen. Die Gerichte überschreiten insoweit den Entscheidungsspielraum, der ihnen bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht zukommt, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einer weniger bemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung unverhältnismäßig erschwert wird. Das ist namentlich dann der Fall, wenn durch eine Überspannung der Anforderungen an die Erfolgsaussicht der Zweck der Prozesskostenhilfe deutlich verfehlt wird (vgl. BVerfGE 81, 347 <357 f.>).
Eine solche Überspannung ist nicht schon gegeben, wenn die Fachgerichte annehmen, eine Beweisantizipation sei im Prozesskostenhilfeverfahren in eng begrenztem Rahmen zulässig (vgl. BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, NJW 1997, S. 2745 <2746>). Kommt jedoch eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass sie mit großer Wahrscheinlich-keit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde, läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem weniger Bemittelten wegen fehlender Erfolgsaussichten seines Rechtsschutzbegehrens Prozesskostenhilfe zu verweigern (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, NJW-RR 2002, S. 1069; 3. Kammer des Ersten Senats, NJW 2003, S. 2976 <2977>).
b) Diesen Grundsätzen werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Es ist mit der Rechtsschutzgleichheit des Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG nicht vereinbar, dass das Land- und das Oberlandesgericht neben vertraglichen auch gesetzliche Ansprüche der Beschwerdeführerinnen, namentlich solche aus Geschäftsführung ohne Auftrag und ungerechtfertigter Bereicherung, mit der Begründung verneint haben, die Beschwerdeführerinnen könnten im Hinblick auf das Beweisergebnis des Vorprozesses nicht nachweisen, dass die Zusatzarbeiten im Zusammenhang mit der Einliegerwohnung erst nach Abschluss des notariellen Kaufvertrags in Auftrag gegeben worden seien.
Im Vorprozess war wohl schon das Landgericht, jedenfalls aber das Oberlandesgericht, wenn auch in anderer Besetzung, mit eingehender Begründung davon ausgegangen, dass es erst nach dem Zustandekommen des Kaufvertrags Überlegungen zum Ausbau des Kellergeschosses zu einer Einliegerwohnung gegeben hat. Es war dort also gerade der Sachverhalt angenommen worden, auf den sich die Beschwerdeführerinnen im jetzigen Verfahren berufen. Für ihren entsprechenden Sachvortrag haben diese zudem, vor allem in der Beschwerdeschrift, weiteren Beweis angeboten, so die Vernehmung des seinerzeitigen Maklers, der bei einer früheren Zeugenaussage vor Gericht das jetzige Vorbringen der Beschwerdeführerinnen bestätigt hatte. Die Beschwerdeführerinnen haben außerdem die Parteivernehmung der Antragsgegner beantragt und damit ein Beweismittel benannt, das im Hinblick auf deren Vortrag im Vorprozess im vorliegenden Verfahren nicht von vornherein ohne Wert war.
Es stellt vor diesem Hintergrund eine Überspannung der Anforderungen an die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung dar, wenn die Gerichte jetzt im Prozesskostenhilfeverfahren ohne weiteres von der Nichterweislichkeit des Vortrags der Beschwerdeführerinnen ausgegangen sind.
c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf diesem Verfassungsverstoß, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Gerichte, wenn sie unter Berücksichtigung der Rechtsschutzgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG die voraussichtliche Erfolgsaussicht weniger streng beurteilt hätten, Prozesskostenhilfe bewilligt und damit den Weg für ein Hauptsacheverfahren geöffnet hätten.
Daran ändert es nichts, dass das Landgericht und ihm folgend auch das Oberlandesgericht gesetzliche Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag und ungerechtfertigter Bereicherung auch deshalb verneint haben, weil eine Herausgabe des Materials im Hinblick auf die §§ 946 ff. BGB nicht in Betracht komme und auch ein Wertersatzanspruch ausscheide, da ein Wertzuwachs für dritte Personen im Hinblick darauf nicht ersichtlich sei, dass wegen der Unmöglichkeit der Errichtung von Stellplätzen eine Baugenehmigung insoweit nicht zu erhalten gewesen wäre. Abgesehen davon, dass die angegriffenen Entscheidungen nicht in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennen lassen, wie sich diese Erwägungen zu der Auffassung der Gerichte verhalten, die Beschwerdeführerinnen hätten nicht nachweisen können, dass die Zusatzarbeiten zum Umbau der Einliegerwohnung erst nachträglich in Auftrag gegeben worden seien, gehen das Land- und das Oberlandesgericht nicht darauf ein, dass jedenfalls den Antragsgegnern durch den Umbau ein Wert zugewachsen ist, der, wenn die Umplanung in eine Einliegerwohnung tatsächlich erst nach Abschluss des notariellen Kaufvertrags erfolgt ist, durch den darin vereinbarten Kaufpreis nicht abgegolten sein kann. Insoweit haben sich die Gerichte nicht mit der von den Beschwerdeführerinnen im Ausgangsverfahren angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander gesetzt, nach der Ansprüche auf Aufwendungsersatz aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag für Bauunternehmer auch in Höhe der üblichen Vergütung (vgl. BGH, NJW 1993, S. 3196) oder Wertersatzansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung in Höhe der von den Bereicherten ersparten Aufwendungen (vgl. BGH, NJW 2001, S. 3184 <3186>; NJW-RR 2002, S. 1176 <1177>) in Betracht kommen können. Die angegriffenen Entscheidungen lassen nicht erkennen, dass und weshalb solche Ansprüche ganz oder teilweise ausgeschlossen sein sollen, nur weil die Antragsgegner des Ausgangsverfahrens für die tatsächlich nunmehr vorhandene Einliegerwohnung eine Baugenehmigung nicht erhalten hätten.
d) Die angegriffenen Beschlüsse sind danach aufzuheben; die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 93 c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
IAAAB-85288