Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) bezog bis einschließlich Februar 2003 Kindergeld für ihren 1976 geborenen Sohn F, der zu 50 v.H. schwerbehindert und in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt ist.
Auf Antrag des F zahlte die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) das Kindergeld ab März 2003 in voller Höhe an ihn aus. Die Abzweigung sei nach § 74 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gerechtfertigt, da die Klägerin ihrem auswärts wohnenden Sohn F keinen Unterhalt gewähre.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin sinngemäß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend. Sie führt aus, § 74 Abs. 1 EStG sei nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) verfassungskonform auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sei es ermessensgerecht, Kindergeldzahlungen dann nicht an das Kind weiterzuleiten, wenn die Mutter die Auffassung vertrete, sie könne dieses Geld dafür verwenden, dem Kind einen eigenen Wohnsitz vorzuhalten. Dies ergebe sich aus den Ausführungen des BVerfG in seinem Urteil vom 1 BvR 845/79 (BVerfGE 59, 360). Aus dem (BVerfGE 60, 68) sei darüber hinaus abzuleiten, dass § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG auch darauf abziele, mit der Zahlung von Kindergeld in besonderem Maße die Rolle und Verantwortung der Mutter auch in psychischer Hinsicht zu stärken.
Die Klägerin beantragt, die Revision zuzulassen.
Die Familienkasse beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).
Die Rechtssache ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht grundsätzlich bedeutsam i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, da sie nicht klärungsbedürftig ist.
1. Nach § 74 Abs. 1 Sätze 1 und 3 EStG kann das Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt oder mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist. Hinsichtlich der gesetzlichen Unterhaltspflicht knüpft diese Vorschrift an die zivilrechtlichen Regelungen der §§ 1601 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) an (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 74 Rz. 1, m.w.N.).
2. Der Unterhalt ist bei einem volljährigen auswärts lebenden Kind nach § 1612 Abs. 1 BGB regelmäßig durch eine Geldrente zu leisten. Die Gewährung von Unterhalt durch Betreuung im Rahmen der Personensorge bzw. Naturalunterhalt kommt grundsätzlich nur bei minderjährigen Kindern in Betracht (§§ 1612 Abs. 2 Satz 3, 1612a BGB). Nur ausnahmsweise kann der Unterhaltsverpflichtete bei Vorliegen besonderer Gründe auch gegenüber einem volljährigen Kind verlangen, Unterhalt in anderer Weise —insbesondere durch Naturalunterhalt— zu gewähren (vgl. Born in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Aufl., § 1612 BGB Rdnr. 12 ff.).
3. Leistet die Unterhaltspflichtige —wie im Streitfall— tatsächlich keinen Unterhalt, liegt es im pflichtgemäßen Ermessen der Familienkasse („kann”), das Kindergeld an das Kind auszuzahlen. Das Ermessen wird entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dadurch eingeschränkt, dass die Unterhaltspflichtige anstelle des zivilrechtlich geschuldeten Barunterhalts Naturalleistungen anbietet.
Nicht ersichtlich ist, warum es aufgrund der von der Klägerin genannten Entscheidungen des BVerfG geboten sein soll, das Ermessen zur Abzweigung des Kindergeldes einzuschränken. Denn diese Entscheidungen befassen sich nicht mit der Art der Unterhaltsgewährung, sondern betreffen das Informationsrecht von Eltern über Vorgänge in der Schule (BVerfG in BVerfGE 59, 360) bzw. die Verfassungsmäßigkeit der Nichtberücksichtigung der Mutterschutzzeiten bei der Berechnung der Anwartschaftszeiten in der Arbeitslosenversicherung (BVerfG in BVerfGE 60, 68).
4. Mit ihren Ausführungen wendet sich die Klägerin im Kern gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Urteils, wobei sie ihre Rechtsauffassung an die Stelle derjenigen des Finanzgerichts setzt. Ihre Rügen betreffen auch keinen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung, der ausnahmsweise zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO führt (vgl. , BFH/NV 2003, 1445, m.w.N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1285 Nr. 7
XAAAB-84768