Gesonderter Umsatzsteuerausweis in Gebührenrechnungen der Prüfingenieure für Baustatik
Bezug:
I Allgemeines
Bauliche Anlage dürfen gewöhnlich nur errichtet oder verändert werden, wenn vorab eine entsprechende Baugenehmigung erteilt wurde (§ 54 der Hessischen Bauordnung (HBO). Innerhalb des damit verbundenen Baugenehmigungsverfahrens hatte die untere Bauaufsichtsbehörde (= Gemeindevorstand oder Kreisausschuss) bis zum grundsätzlich eine Überprüfung der zwingend vorzulegenden Standsicherheitsnachweise vorzunehmen (bautechnische Prüfung).
Seit der Änderung der HBO zum (GVBl 2002 I S. 274) müssen demgegenüber die Bauherren ihre Standsicherheitsnachweise von einem Prüfingenieur für Baustatik überprüfen lassen. Eine weitere bautechnische Prüfung durch die Bauaufsichtsbehörden ist nur für Sonderbauten vorgesehen.
Sofern die untere Bauaufsichtsbehörde zur bautechnischen Prüfung verpflichtet ist, kann sie diese nach § 1 Abs. 1 der bautechnischen Prüfungsverordnung (BauprüfVO), GVBl 1994 I S. 655, einem Prüfingenieur für Baustatik übertragen, welcher dann im Auftrag der unteren Bauaufsichtsbehörde tätig wird. Der Prüfingenieur erlangt daraufhin gegenüber der unteren Bauaufsichtsbehörde einen Vergütungsanspruch (§ 12 Abs. 4 1. Alt BauprüfVO), den diese der Bauherrschaft in Form von Gebühren weiterbelastet.
Obliegt die bautechnische Prüfung den Bauherren, haben diese zwingend einen Prüfingenieur für Baustatik mit der Prüfung zu beauftragen. Dementsprechend erlangt der Prüfingenieur unmittelbar gegenüber der Bauherrschaft einen Vergütungsanspruch (§ 12 Abs. 4 2. Alt BauprüfVO).
Allerdings rechnen die Prüfingenieure häufig ungeachtet des tatsächlichen Auftraggebers unmittelbar mit der Bauherrschaft ab. Dabei werden vielfach Rechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer erteilt, wodurch bei Bauherren, die das Bauvorhaben in ihrem unternehmerischen Bereich durchführen, der Eindruck entsteht, dass sie die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen könnten. Dies ist jedoch nicht immer zulässig.
II Umsatzsteuerrechtliche Behandlung
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann die in einer Rechnung gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nur vom unmittelbaren Leistungsempfänger als Vorsteuer abgezogen werden (vgl. auch Abschnitt 192 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UStR). Leistungsempfänger der von den Prüfingenieuren erbrachten Leistungen können sowohl die unteren Bauaufsichtsbehörden wie auch die Bauherrschaft sein.
1 Aktuelle Rechtslage nach Änderung der HBO zum
1.1 Bauaufsichtsbehörde als Leistungsempfänger
Für Sonderbauten i. S. d. § 2 Abs. 8 HBO (vgl. Anlage) bleibt der Bauaufsichtsbehörde auch nach Änderung der HBO zum die abschließende bautechnische Prüfung vorbehalten (§ 59 Abs. 1 Satz 3 HBO). Bedient sie sich hierzu eines externen Prüfingenieurs, kommt es zwischen diesen Parteien unzweifelhaft zu einem Leistungsaustausch. Der Bauaufsichtsbehörde steht hieraus dennoch kein Vorsteuerabzug zu, da sie die Leistungen des Prüfingenieurs für ihre hoheitliche Aufgabe der Bauüberwachung bezieht (§ 53 Abs. 1 HBO).
Rechnet der Prüfingenieur unmittelbar mit der Bauherrschaft ab, kann dies nur unter Abkürzung des Zahlungswegs für die untere Bauaufsichtsbehörde erfolgen. Derartige Abrechnungen dürfen daher keinen gesonderten Umsatzsteuerausweis enthalten, da die eigentlich berechneten Leistungen der Bauaufsichtsbehörde an die Bauherrschaft hoheitlicher Natur und damit nicht umsatzsteuerbar sind. Gleichwohl ist nicht zu beanstanden, wenn die Umsatzsteuer rein betragsmäßig in die Gebührenabrechnungen einbezogen wird (sog. Bruttorechnungen).
1.1.1 IV B 7 – S 7106 – 100/03
Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn sich der Prüfingenieur unmittelbar gegenüber der Bauherrschaft im eigenen Namen zur Erbringung der Leistung verpflichtet und dementsprechend auch die Leistung erbracht hat. In solchen Fällen liegt ungeachtet der entgegenstehenden öffentlichrechtlichen Vorschriften ein Leistungsaustausch zwischen dem Prüfingenieur und den Bauherren vor, so dass der Prüfingenieur eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis nur gegenüber den Bauherren erteilen darf. Diese sind unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt (vgl. BStBl 2003 I S. 785, , BStBl 2003 II S. 950).
1.2 Bauherren als Leistungsempfänger
Seit der Änderung der HBO zum sind nunmehr nicht mehr die unteren Bauaufsichtsbehörden, sondern die Bauherren für die bautechnische Prüfung sämtlicher baulicher Anlagen, mit Ausnahme der Sonderbauten, verpflichtet. Hierzu müssen sich die Bauherren zwingend eines Prüfingenieurs für Baustatik bedienen. In diesen Fällen liegt zwischen der Bauherrschaft und dem Prüfingenieur stets ein Leistungsaustausch vor. Sofern auch die übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG erfüllt sind, ist die Bauherrschaft daher zum Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Prüfingenieurs berechtigt.
1.3 Unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer
Stellt der Prüfingenieur einem anderen als dem Leistungsempfänger – beispielsweise der Bauherrschaft statt der Bauaufsichtsbehörde – Umsatzsteuer in Rechnung, so schuldet er neben der Steuer für die Leistung an die Bauaufsichtsbehörde auch die unberechtigt ausgewiesene Steuer aus der Rechnung an die Bauherrschaft nach § 14c Abs. 2 UStG.
Das gilt bereits dann, wenn die Bauherrschaft durch eine nicht einwandfreie Adressierung zu der unzutreffenden Annahme verleitet wird, sie sei Leistungsempfänger und damit zum Vorsteuerabzug berechtigt. Hiervon kann beispielsweise ausgegangen werden, wenn im Anschriftenfeld der Gebührenrechnung neben der Bauaufsichtsbehörde auch Name und Anschrift der Bauherrschaft aufgeführt sind und die Gebührenrechnung keinen eindeutigen Hinweis auf den tatsächlichen Auftraggeber enthält.
2 Rechtslage vor Änderung der HBO zum
Bis zur Änderung der HBO zum waren die unteren Bauaufsichtsbehörden, außer in den Fällen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens, stets zur bautechnischen Prüfung verpflichtet. Bedienten sie sich dazu eines externen Prüfingenieurs, lag vorbehaltlich der unter Rz. 1.1.1 dargestellten Regelungen stets ein Leistungsaustausch zwischen der unteren Bauaufsichtsbehörde und dem Prüfingenieur vor.
Unterlag das Bauvorhaben dem vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 67 HBO a. F. (GVBl 1993 I S. 692), musste die Bauherrschaft einen von der unteren Bauaufsichtsbehörde benannten Prüfingenieur mit der bautechnischen Prüfung beauftragen (§ 67 Abs. 4 HBO a. F.). In diesen Fällen war stets ein Leistungsaustausch zwischen der Bauherrschaft und dem Prüfingenieur gegeben, ungeachtet der Tatsache, dass die untere Bauaufsichtsbehörde den zu beauftragenden Prüfingenieur und den Umfang der Prüfung einseitig vorgegeben hat (§ 67 Abs. 4 Satz 2 HBO a. F.).
Die weitere umsatzsteuerliche Beurteilung entspricht den jeweiligen Ausführungen zu Rz. 1.
Sonderbauten i. S. d. § 2 Abs. 8 HBO
Bauliche Anlagen und Räume besonderer Art oder Nutzung (Sonderbauten) sind
Hochhäuser (Gebäude von mehr als 22 m Höhe im Sinne des Abs. 3 Satz 3),
bauliche Anlagen mit mehr als 30 m Höhe über der Geländeoberfläche im Mittel,
Gebäude mit mehr als 1.600 m2 Brutto-Grundfläche des Geschosses mit der größten Ausdehnung, ausgenommen Wohngebäude,
Verkaufsstätten, deren Verkaufsräume und Ladenstraßen mehr als 2.000 m2 Brutto-Grundfläche haben,
Büro- und Verwaltungsgebäude mit mehr als 3.000 m2 Brutto-Grundfläche,
Versammlungsstätten
mit Versammlungsräumen, die einzeln mehr als 200 Besucher fassen, sowie Versammlungsstätten mit mehreren Versammlungsräumen, die insgesamt mehr als 200 Besucher fassen, wenn diese Versammlungsräume gemeinsame Rettungswege haben,
im Freien mit Szenenflächen, deren Besucherbereich mehr als 1.000 Besucher fasst und ganz oder teilweise aus baulichen Anlagen besteht,
Sportstadien, die mehr als 5.000 Besucher fassen,
Krankenhäuser und sonstige Anlagen zur Unterbringung und Pflege von Kindern, alten, kranken, behinderten oder aus anderen Gründen hilfsbedürftigen Personen,
Kindergärten und -horte mit dem Aufenthalt von Kindern dienenden Räumen außerhalb des Erdgeschosses,
Schank- und Speisegaststätten mit mehr als 40 Besucherplätzen, Beherbergungsbetriebe mit mehr als 30 Gastbetten und Spielhallen mit mehr als 100 m2 Nutzfläche,
Schulen, Hochschulen und ähnliche Einrichtungen,
Justizvollzugsanstalten und bauliche Anlagen für den Maßregelvollzug,
Garagen mit mehr als 1.000 m2 Nutzfläche einschließlich der Verkehrsflächen,
Fliegende Bauten,
Zeit-, Camping- und Wochenendplätze,
Freizeit- und Vergnügungsparks,
Hochregalanlagen, ausgenommen in selbsttragenden Gebäuden,
sonstige bauliche Anlagen oder Räume, durch deren besondere Art oder Nutzung die sie nutzenden Personen oder die Allgemeinheit in vergleichbarer Weise gefährdet oder unzumutbar benachteiligt oder belästigt werden können.
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