Instanzenzug: FG des Landes Brandenburg Urteil vom 4 K 1113/02
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war alleiniger Geschäftsführer einer inzwischen in Insolvenz geratenen GmbH. Nachdem das Amtsgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH mangels Masse abgelehnt hatte, war der Kläger als Liquidator tätig. Für rückständige Umsatzsteuer- und Lohnsteuerschulden der GmbH nebst steuerlichen Nebenleistungen nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) den Kläger nach §§ 69, 34 der Abgabenordnung (AO 1977) als Haftungsschuldner in Anspruch. Sowohl das Einspruchsverfahren als auch die Klage vor dem Finanzgericht (FG) blieben ohne Erfolg.
Das FG urteilte, dass der Kläger auch nach der Bestellung eines sog. schwachen Insolvenzverwalters zur Entrichtung der geschuldeten Steuern verpflichtet gewesen sei. Durch die Nichtabführung der Steuern zum gesetzlichen Fälligkeitstermin habe er die ihm als Geschäftsführer obliegenden steuerlichen Pflichten schuldhaft nicht erfüllt. Hinsichtlich der Umsatzsteuerrückstände bestehe kein Anlass für eine Reduzierung der Tilgungsquote. Da im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung Anhaltspunkte für die Verantwortlichkeit weiterer als Haftungsschuldner in Betracht kommender Personen für das FA nicht erkennbar gewesen seien, sei die Ermessensbetätigung des FA nicht zu beanstanden. Die vom Kläger hierzu benannten Personen (Herr N und Frau H) seien nach Aktenlage weder nominelle Geschäftsführer noch Prokuristen oder faktische Geschäftsführer gewesen.
Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG habe nicht zwischen der formellen Position des Geschäftsführers als Organ und seiner Position als Angestellter mit einem bestimmten Aufgabenbereich unterschieden. Bei der Wahrnehmung seiner Geschäftsführertätigkeit habe er auf eine sachgerechte und beanstandungsfreie Aufgabenerfüllung durch die von ihm benannten Verantwortlichen —Herr N und Frau H— vertrauen dürfen. Das FG habe sich darüber hinaus nicht mit der Frage auseinander gesetzt, ob die Steuern von der GmbH überhaupt hätten gezahlt werden können. Weder der Umstand, dass Löhne noch ausgezahlt worden seien, noch die Existenz eines Kassenbestandes rechtfertigten die Annahme, dass er, der Kläger, über diese Gelder verfügt habe, ohne die fälligen Steuerforderungen zu begleichen. Schließlich weiche die Entscheidung des FG von der Entscheidung des ab, weshalb dem Rechtsstreit eine besondere Bedeutung zukomme.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten und verweist auf deren Unzulässigkeit.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, denn sie genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung eines in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgrundes (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Kläger konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Mit seinem Vorbringen, dass das FG trotz der Hinweise auf seine Stellung als Strohmann und auf die Verantwortlichkeiten anderer Personen von einer schuldhaften Verletzung steuerlicher Pflichten und damit von der Erfüllung eines Haftungstatbestandes ausgegangen sei, wendet sich der Kläger gegen die seiner Ansicht nach unzutreffende rechtliche Würdigung des Gerichts. Dies kann jedoch nicht zu einer Zulassung der Revision führen. Denn Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 24 und § 116 Rz. 34, jeweils m.w.N.). Abgesehen davon hat der Senat bereits entschieden, dass der nominell zum Geschäftsführer Bestellte sich nicht damit entschuldigen kann, nur „Strohmann” ohne Befugnisse gewesen zu sein (Senatsbeschluss von VII B 245/95, BFH/NV 1996, 657). Im Übrigen hat das FG in der Urteilsbegründung darauf hingewiesen, dass im Zeitpunkt der für die rechtliche Beurteilung maßgebenden letzten Verwaltungsentscheidung für das FA weitere Haftungsschuldner nicht erkennbar waren und dass der Kläger keine substantiierten Ausführungen zu einer etwaigen Verantwortlichkeit der von ihm benannten Personen gemacht habe. Aus der Sicht des FG kam es auf eine Befassung mit den Verantwortungsbereichen dieser Personen nicht an.
2. Auch mit seinem Einwand, das FG hätte aus der fortgesetzten Lohnzahlung und aus der Existenz eines Kassenbestandes nicht darauf schließen dürfen, dass Mittel zur Begleichung der Steuerschulden noch vorhanden gewesen seien, wirft der Kläger keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Fehler bei der Feststellung oder der Würdigung von Tatsachen können nicht zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO führen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 27). Dass das FG seine Entscheidung unter Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO getroffen hätte, ist weder substantiiert dargelegt noch ersichtlich.
3. Die behauptete Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von der Entscheidung des FG München liegt nicht vor. Denn das FG hat nicht festgestellt, dass die GmbH aus den Registern gelöscht ist, so dass eine Festsetzung der geschuldeten Steuern selbst bei fristgerechter Abgabe der Steuererklärungen nicht mehr hätte erfolgen können. Im Übrigen ist dem erstinstanzlichen Urteil nicht zu entnehmen, dass das FG auf das Erfordernis einer Kausalität zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung und dem Steuerausfall verzichtet hätte. Vielmehr hat das FG die Zahlungsfähigkeit der GmbH und damit den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Nichtentrichtung der geschuldeten Abgaben und dem Eintritt des Vermögensschadens bejaht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1252 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 41/2007 S. 3630
AAAAB-82732