Finanzministerium Baden-Württemberg - 3 - S 4600/19

Grunderwerbsteuer;
Grunderwerbsteuerbefreiung bei Grundstücksübertragungen im Rahmen einer Öffentlich Privaten Partnerschaft – ÖPP (sog. Public Private Partnership – PPP)

Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) sind eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Stellen und Privatunternehmen zwecks Finanzierung, Bau, Renovierung, Betrieb oder Unterhalt einer Infrastruktur oder der Bereitstellung einer Dienstleistung.

Um die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Erleichterung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften zu schaffen, wurde das Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften beschlossen (BGBl 2005 I S. 2676). Neben der Beseitigung von gebühren-, vergabe- und haushaltsrechtlichen Hemmnissen enthält das Gesetz in Artikel 5 Änderungen der §§ 4 und 19 des Grunderwerbsteuergesetzes.

Mit Artikel 5 wird in § 4 GrEStG eine Nummer 9 angefügt, die Grundstückserwerbe und -übergänge im Rahmen von ÖPP unter bestimmten Voraussetzungen von der Grunderwerbsteuer befreit. Die Befreiung erfolgt nur für die Fallkonstellation, dass die juristische Person des öffentlichen Rechts Eigentümerin von Grundstücken i.S.v. § 2 GrEStG ist und diese privaten Auftragnehmern im Rahmen einer ÖPP überträgt. Private Auftragnehmer sind auch Gesellschaften, an denen die juristische Person des öffentlichen Rechts zum Teil oder in vollem Umfang beteiligt ist. Die Grundstücke sollen nach der Herrichtung/nach der Errichtung von Gebäuden von der juristischen Person des öffentlichen Rechts für Verwaltungszwecke genutzt werden. Wesentliches Kriterium für die Befreiung ist, dass das Grundstück nach den vertraglichen Vereinbarungen am Ende der Vertragslaufzeit auf die juristische Person des öffentlichen Rechts rückübertragen wird.

Um sicherzustellen, dass nur förderungswürdige ÖPP-Projekte von der Steuerbefreiung profitieren können, ist die Befreiung an folgende Voraussetzungen gebunden:

  • Das Grundstück wird dem privaten Unternehmer von der juristischen Person des öffentlichen Rechts zu Beginn des Vertragszeitraums übertragen.

  • Der private Unternehmer überlässt der juristischen Person des öffentlichen Rechts das Grundstück während des Vertragszeitraums zur Nutzung für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch i.S.v. § 3 Abs. 2 GrStG.

  • Die Rückübertragung des Grundstücks an die juristische Person des öffentlichen Rechts am Ende des Vertragszeitraums ist vereinbart worden (Nicht ausreichend ist die Einräumung eines bloßen Optionsrechts der juristischen Person des öffentlichen Rechts auf Rückübertragung des Grundstücks).

Bei Erwerbsvorgängen, bei denen der private Auftragnehmer das Grundstück auf dem freien Grundstücksmarkt erwirbt und in das ÖPP-Projekt einbringt, ist die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 GrEStG nicht zu gewähren.

Wegen der Voraussetzung, dass das Grundstück für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch (hoheitliche Zwecke) genutzt werden muss, folgt die Grunderwerbsteuerbefreiung den Regelungen der Grundsteuer (vgl. § 3 Abs. 2 und 3 GrStG). Über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 GrStG ist im Einvernehmen mit den Bewertungsstellen zu entscheiden.

Das Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften ist am in Kraft getreten. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 GrEStG ist daher auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem verwirklicht werden. Erfolgte die Übertragung des Grundstücks auf den privaten Auftragnehmer – unter Erfüllung der übrigen Voraussetzungen – vor dem In-Kraft-Treten des § 4 Nr. 9 GrEStG, ist gleichwohl die spätere Rückübertragung nach dieser Vorschrift befreit.

Die Steuerbefreiung für die Übertragung des Grundstücks auf den privaten Auftragnehmer entfällt rückwirkend, wenn die Nutzung für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch endet oder die Rückübertragung nicht mehr verlangt werden kann bzw. nicht vorgenommen wird. Es handelt sich um ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Hierüber haben die Steuerschuldner gem. der in § 19 Abs. 2 GrEStG neu angefügten Nr. 5 dem Finanzamt Anzeige zu erstatten.

Die Fälle nach § 4 Nr. 9 GrEStG sind hinsichtlich der Erfüllung des begünstigten Zwecks in geeigneter Weise zu überwachen und im Hinblick auf die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung im Abstand von 5 Jahren zu überprüfen.

In den entsprechenden Freistellungsbescheiden (Nullbescheiden) sind die Steuerpflichtigen auf ihre Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 2 Nr. 5 GrEStG ausdrücklich hinzuweisen.

Dieser Erlass ergeht im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder.

Finanzministerium Baden-Württemberg v. - 3 - S 4600/19

Fundstelle(n):
YAAAB-82455