Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war Mitglied des Vorstands der Z-AG. Im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Firma unterzeichnete der Kläger —nach Vorgesprächen— am eine Vereinbarung zur Beendigung seines Vorstandsmandats zum und Freistellung von der Erbringung der Arbeitsleistung ab .
Mit Beschluss des Amtsgerichts X wurde am ... Dezember 2002 auf Antrag der Z- das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Z-AG beglich die auf den Lohnsteueranmeldungen für Juli 2002 beruhenden Lohnsteuerschulden bei Fälligkeit am nicht. Eine Verrechnungsstundung lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) ab und nahm —neben den übrigen Vorstandsmitgliedern— den Kläger mit Haftungsbescheid für diese nicht abgeführte Lohnsteuer in Anspruch.
Einspruch und Klage blieben insoweit erfolglos. Das Finanzgericht (FG) bestätigte die Inanspruchnahme des Klägers, weil er die Lohnsteuerabzugsbeträge „infolge grob fahrlässiger, bei genauer Betrachtung sogar vorsätzlicher Verletzung seiner Pflichten als Vorstand nicht abgeführt” habe.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil das FG in der mündlichen Verhandlung nicht zu erkennen gegeben habe, dass es zur Annahme einer vorsätzlichen Pflichtverletzung neige. Hätte das Gericht seiner Hinweispflicht genügt, so hätte er in der mündlichen Verhandlung durch Zeugnis des Aufsichtsrats und des Restvorstandes nachweisen können, dass er sich nicht aus der Geschäftspolitik verabschiedet habe, sondern von jenen ab aus der aktiven Geschäftspolitik entfernt worden sei. Durch diese Vorsatz-Unterstellungen des FG werde die versicherungsrechtliche Abwicklung des Falles ohne jede Not oder Veranlassung vereitelt.
Der Kläger beantragt, die Revision zuzulassen.
Das FA unterstützt sinngemäß den Antrag des Klägers. Es bringt hierzu vor, die Begründung des FG sei auch für das FA überraschend gekommen. Es sei stets davon ausgegangen, dass dem Kläger lediglich eine grob fahrlässige Pflichtverletzung vorzuhalten sei.
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
Mit der Rüge, das FG habe mit der überraschenden Annahme einer vorsätzlichen —und nicht nur grob fahrlässigen— Pflichtverletzung des Klägers dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, legt der Kläger einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dar.
Für die Entscheidung des FG, die Klage gegen die Inanspruchnahme des Klägers als für die Lohnsteuerschuld der Z-AG für Juli 2002 Haftenden abzuweisen und damit den Haftungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom zu bestätigen, ist nicht erheblich, ob der Kläger seine Pflichten als Vorstandsmitglied vorsätzlich verletzt hat. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) haftet ein Vorstandsmitglied einer AG, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht erfüllt werden. Für eine haftungsrechtliche Inanspruchnahme des Vertreters ist es daher ausreichend, wenn das Fehlverhalten zumindest auf eine der beiden Verschuldensalternativen zurückgeführt werden kann (Senatsbeschluss vom VII B 312/04, BFH/NV 2005, 2153). Die Beschwerde richtet sich —wie aus dem Hinweis auf die möglichen versicherungsrechtlichen Folgen der Entscheidung des FG offensichtlich wird— nur gegen die Annahme einer vorsätzlichen Pflichtverletzung durch den Kläger, nicht jedoch gegen die Haftungsinanspruchnahme als solche, soweit diese vom FA auf eine grob fahrlässige Pflichtverletzung gestützt wird. Da die Würdigung des Verhaltens des Klägers als vorsätzlich notwendigerweise auch die der groben Fahrlässigkeit umfasst, hätte der Kläger auch insoweit einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO darlegen müssen (z.B. , BFH/NV 2005, 667).
Selbst wenn der Einwand des Klägers, das FG habe von einer von ihm zu vertretenden „Verabschiedung” aus der aktuellen Geschäftspolitik nach Aktenlage nicht ausgehen dürfen, es habe mithin „ohne jede sachliche oder prozessuale Grundlage einen Sachverhalt zulasten des Klägers unterstellt”, als Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung i.S. des § 76 Abs. 1 FGO verstanden werden könnte, wäre damit ein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht dargelegt. Wird als Verfahrensfehler die Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) gerügt, so ist u.a. darzulegen, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. Senatsurteil vom VII R 72/99, BFHE 192, 390, 394; Senatsbeschluss vom VII B 370/02, BFH/NV 2004, 843, 844). Es fehlt schon der schlüssige Vortrag, dass der bisher nicht oder unzutreffend berücksichtigte Sachverhalt das FG zur Aufhebung des Haftungsbescheides hätte veranlassen müssen. Die Beschwerde gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass das FG —nach seiner Rechtsauffassung— anders entschieden hätte, wenn es statt von einem „freiwilligen” Rückzug des Klägers aus dem Tagesgeschäft davon ausgegangen wäre, dass er seitens des Aufsichtsrats daraus „entfernt” und durch ein anderes Vorstandsmitglied ersetzt worden sei. Ausgehend von der Rechtsauffassung des FG, dass es dem Kläger möglich gewesen wäre, sich der Pflicht, als Vorstand gemäß § 34 Abs. 1 AO 1977 für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Z-AG zu sorgen, durch eine einseitige Amtsniederlegung gegenüber dem Aufsichtsrat zu entledigen, beruht der Verschuldensvorwurf entscheidend darauf, dass der Kläger in der ihm bekannten Krisensituation der Z-AG seine Funktion als Vorstand beibehielt. Bei dieser Ausgangslage ist davon auszugehen, dass das FG die Beibehaltung der formalen Vorstandsposition bei einem unfreiwilligen Funktionsentzug mindestens als ebenso vorwerfbar beurteilt hätte, wie bei einem freiwilligen Rückzug aus der Geschäftsführung.
Der Senat verkennt nicht, dass die für beide Beteiligte wohl überraschend gekommene finanzgerichtliche Bewertung der Pflichtverletzung des Klägers als vorsätzlich für den Kläger bei der versicherungsrechtlichen Abwicklung des Falles Nachteile haben könnte, die vermeidbar gewesen wären, weil das FG den Streit über die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides mit demselben Ergebnis hätte entscheiden können, wenn es sich auf die Würdigung des klägerischen Verhaltens als grob fahrlässig beschränkt hätte. Diese Erwägung erfüllt aber keine der gesetzlich vorgegebenen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision. Die allein denkbare Rüge, die Entscheidung des FG sei insoweit greifbar gesetzeswidrig, objektiv willkürlich oder beruhe auf —unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbaren— sachfremden Erwägungen (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 216/01, BFH/NV 2002, 923, m.w.N.), hat selbst der Kläger nicht erhoben.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1111 Nr. 6
OAAAB-82039