BFH Urteil v. - VI R 65/04

Leitsatz

Bei einem Fortbildungslehrgang zum Erwerb oder zur Vertiefung von Fremdsprachenkenntnissen, der nicht am Wohnort des Steuerpflichtigen oder in dessen Nähe stattfindet (auswärtiger Sprachkurs), ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu bestimmen, ob neben den reinen Kursgebühren auch die Aufwendungen für die mit dem Sprachkurs verbundene Reise beruflich veranlasst und demzufolge als Werbungskosten abziehbar sind. Der Abzug auch dieser Aufwendungen setzt voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist. Das ist bei auswärtigen Sprachlehrgängen ebenso wie bei sonstigen Reisen dann der Fall, wenn ihnen offensichtlich ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde liegt und die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet. Ein Auslandssprachlehrgang ist unmittelbar beruflich veranlasst, wenn die Teilnahme an dem Lehrgang für den Steuerpflichtigen faktisch unabdingbar ist, wenn er das unmittelbar bevorstehende Examen erfolgreich bestehen will.

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Berufsschullehrerin im Oberstufenzentrum für Nachrichtentechnik. Sie bildet dort Informationstechniker und Kommunikationselektroniker u.a. im Fach Englisch aus und erstrebt einen Hochschulabschluss im Fach Englisch an einer Universität.

Sie machte in ihrer Einkommensteuer-Erklärung für das Streitjahr 1998 Werbungskosten für eine Dienstreise vom 3. August bis nach Großbritannien zum Besuch eines Sprachkurses an der „B English Language School” in Höhe von 10 067 DM geltend (Fahrtkosten, Spesen für Übernachtung, Verpflegung, Parken und Versicherungen). Die Studienreise diente nach Angaben in der Steuererklärung „sowohl der Vorbereitung des Staatsexamens als auch der Verbesserung der täglichen Unterrichtsqualität”.

Die gegen die Nichtberücksichtigung der Aufwendungen durch den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) führten Aufwendungen für Auslandsreisen, die nach der Lebenserfahrung sowohl dem beruflichen als auch dem Bereich der privaten Lebensführung angehören könnten, lediglich dann zu abziehbaren Werbungskosten, wenn die Reise ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend im beruflichen Interesse unternommen werde und damit die Verfolgung privater Interessen wie z.B. Erholung, Bildung, Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises nach dem Anlass der Reise, dem vorgesehenen Programm und seiner tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen sei.

Die Klägerin habe einen das Gericht überzeugenden Nachweis einer weitaus überwiegenden beruflichen Veranlassung der Sprachreise nicht erbracht. Unter Berücksichtigung des von der Schule bestätigten Zeitbedarfs von insgesamt 30 Wochenstunden erscheine es bei einem in der mündlichen Verhandlung eingeräumten Studienbeginn zwischen 8 Uhr und 8.30 Uhr unter Einräumung einer einstündigen Mittagspause nicht ausgeschlossen, dass das Ende der täglichen Schulbesuche auf den frühen Nachmittag gegen 15 Uhr bis 15.30 Uhr gefallen sei, so dass der Klägerin durchaus noch hinreichende Zeit verblieben sei, individuelle, nicht beruflich bedingte Bedürfnisse zu befriedigen. Ein weiterer Aspekt privaten Einschlags der Studien- und Fortbildungsreise seien die beiden Exkursionen nach Oxford und Stratford-upon-Avon.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Abzustellen sei für die Anerkennung von Werbungskosten auf den konkreten sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Berufsausübung der Klägerin. Dieser liege hier objektiv vor. Die Klägerin sei als Englischlehrerin zur Zeit der Sprachreise beruflich tätig gewesen. Ihr Dienstherr habe sie ausweislich der vorgelegten Bescheinigungen außerdem zur Aufnahme des Studiums im Fach Englisch an der Universität angemeldet.

Der erfolgreiche Abschluss dieses Studiums sei zugleich Voraussetzung für die Klägerin, zur…befördert zu werden. Das mündliche Examen habe —die Klägerin sei im 7. Semester gewesen— unmittelbar bevorgestanden. Der Kurs sei gerade auch auf die mündlichen Prüfungsanforderungen von Examenskandidaten hin ausgerichtet gewesen. Nach dem vorgetragenen Sachverhalt hätte das FG den Umstand, dass die vorgelegte Prüfungsordnung umfassende Kenntnisse z.B. auch in allgemeinbildenden Themen und eine sichere Intonation verlangt habe, den Aufenthalt, zumindest während der Dauer des Sprachunterrichts, als insgesamt beruflich veranlassten Aufenthalt würdigen müssen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Vorentscheidung den Bescheid des FA vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom zu ändern und die Einkommensteuer 1998 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 10 013 DM festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Das FG sei zu Recht im Rahmen seiner freien Beweisführung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin die nahezu ausschließliche berufliche Veranlassung der sonstigen Aufwendungen nicht ausreichend dargelegt habe. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin von einer Lehrgangsdauer von 20 Wochenstunden zuzüglich 10 Stunden Vorbereitungszeit ausgehen sollte, müsse man unter Würdigung der bisherigen Rechtsprechung des BFH zu dem Ergebnis kommen, dass ihr noch genügend Zeit für die Verfolgung privater Interessen verblieben sei.

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des EinkommensteuergesetzesEStG—). Nach der Rechtsprechung des BFH liegen Werbungskosten dann vor, wenn zwischen den Aufwendungen und steuerpflichtigen Einnahmen ein Veranlassungszusammenhang besteht, d.h. wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Beruf zusammenhängen und subjektiv zu dessen Förderung getätigt werden (zuletzt etwa , BFHE 205, 220, BStBl II 2004, 958; vom VI R 40/03, BFHE 207, 225, BStBl II 2004, 1074).

Bei einem Fortbildungslehrgang zum Erwerb oder zur Vertiefung von Fremdsprachenkenntnissen, der nicht am Wohnort des Steuerpflichtigen oder in dessen Nähe stattfindet (auswärtiger Sprachkurs) ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu bestimmen, ob neben den reinen Kursgebühren auch die Aufwendungen für die mit dem Sprachkurs verbundene Reise beruflich veranlasst und demzufolge als Werbungskosten abziehbar sind (, VI R 122/01, BFH/NV 2005, 1544). Der Abzug auch dieser Aufwendungen setzt voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist. Das ist bei auswärtigen Sprachlehrgängen ebenso wie bei sonstigen Reisen dann der Fall, wenn ihnen offensichtlich ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde liegt und die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet (vgl. , BFHE 200, 250, BStBl II 2003, 369; vom VI R 81/00, BFH/NV 2005, 42). Als unmittelbaren beruflichen Anlass hat der BFH u.a. angesehen das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes, das Halten eines Vortrages auf einem Fachkongress, die Durchführung eines Forschungsauftrages oder die Absicht eines Künstlers, am Reiseziel wegen des dort vorhandenen landschaftlichen und kulturellen Umfelds in einer seinem besonderen Malstil entsprechenden Arbeitsweise tätig zu werden (vgl. , BFHE 171, 242, BStBl II 1993, 674).

2. Im Streitfall diente der Sprachkurs nicht nur der Fortbildung im ausgeübten Beruf als Fremdsprachenlehrer, sondern vor allem auch der Vorbereitung auf das ergänzende Staatsexamen im höheren Lehrfach Englisch. Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass Aufwendungen eines Geographiestudenten für eine Auslandsexkursion ausschließlich beruflich veranlasst sind, wenn nach der Studienordnung die Exkursion obligatorischer Teil des (Ergänzungs-)Studiums ist (, BFH/NV 2002, 1444). Ebenso hat der Senat in einer weiteren Entscheidung vom VI R 9/99 (nicht veröffentlicht) die (gesamten) Aufwendungen einer Russischlehrerin für einen obligatorischen Französisch-Sprachkurs in Grenoble im Rahmen eines von der EU unterstützten Ergänzungsstudiums im Unterrichtsfach „Französisch” als Werbungskosten anerkannt. Gleiches gilt, wenn ein Auslandssprachlehrgang für ein Fremdsprachenstudium faktisch unabdingbar ist, wenn der Steuerpflichtige das Examen erfolgreich bestehen will.

3. Im Hinblick auf die berufliche Veranlassung der Reise ist die Entscheidung von anderen Grundsätzen ausgegangen; sie ist deshalb aufzuheben.

Der Senat kann im Streitfall auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG selbst die Beurteilung vornehmen, dass der Auslandssprachlehrgang der Klägerin unmittelbar beruflich veranlasst war; denn es war für die Klägerin faktisch unabdingbar, an diesem Lehrgang teilzunehmen, wenn sie das unmittelbar bevorstehende Examen erfolgreich bestehen wollte. Nach der Prüfungsordnung findet ein Teil der mündlichen Prüfung in der Fremdsprache statt und mangelnde Sprachbeherrschung führt zum Nichtbestehen der Prüfung.

Auch bestehen im Hinblick auf die Durchführung des Sprachlehrgangs keine Bedenken gegen die Anerkennung der Aufwendungen des Auslandssprachlehrgangs als Werbungskosten dem Grunde nach; der Sprachunterricht beinhaltete 20 Stunden sowie eine Vorbereitungszeit von weiteren 10 Stunden jeweils pro Woche. Eventuelle Abendveranstaltungen sowie die ganztägige Exkursion fallen bei der hier im Streitfall vorliegenden unmittelbaren beruflichen Veranlassung des Sprachlehrganges ohnehin nicht ins Gewicht.

4. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, da das FG keine Feststellungen zur Höhe der zu berücksichtigenden Werbungskosten des Auslandssprachlehrgangs getroffen hat. Die Sache wird deshalb an das FG zurückverwiesen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1075 Nr. 6
EStB 2006 S. 213 Nr. 6
HFR 2006 S. 566 Nr. 6
KÖSDI 2006 S. 15152 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 34/2006 S. 7
EAAAB-82038