Instanzenzug:
Gründe
I. Im Hauptverfahren ist streitig, ob der Klägerin und Antragstellerin (Antragstellerin) Kindergeld für ihren behinderten Sohn (S) ab Februar 1997 zusteht. Der im Jahre 1960 geborene S ist seit Kindesalter erheblich geh- und körperbehindert und wohnt in einer rollstuhlgerechten Mietwohnung. Sein Schwerbehindertenausweis weist einen Grad der Behinderung von 100 v.H. sowie die Merkzeichen aG, H und RF aus. Er erhält monatliche Hilfe zum Lebensunterhalt, Wohngeld, Hilfe in besonderen Lebenslagen sowie Pflegeversicherungsleistungen der Stufe III. Die Hilfe in besonderen Lebenslagen dient zusammen mit den Pflegeversicherungsleistungen der Bezahlung von Pflegekräften, die den Sohn täglich sieben Stunden zu einem Stundensatz von 12,75 DM (ab 2002: 6,52 €) pflegen. Zudem erhält S Bekleidungsbeihilfen.
Durch Bescheid vom versagte die Beklagte (Familienkasse) die Festsetzung von Kindergeld ab Februar 1997 mit der Begründung, S sei aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Einkünfte und Bezüge imstande, sich selbst zu unterhalten. Der Einspruch war erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei im Streitfall bei der Ermittlung des Gesamtbedarfs des behinderten Kindes neben dem am Existenzminimum eines Alleinstehenden orientierten Grundbedarf als behinderungsbedingter Mehrbedarf der Behinderten-Pauschbetrag, die Pflegekosten sowie die Eigenbeteiligung des Kindes an den Telebusfahrten zu berücksichtigen. Der Ansatz eines darüber hinausgehenden behinderungsbedingten Mehrbedarfs scheide aus, weil die Antragstellerin einen solchen entweder nicht schlüssig vorgetragen oder keine höheren tatsächlichen Aufwendungen nachgewiesen habe. Hinsichtlich der belegten Miet- und Telefonkosten fehlten jegliche Anhaltspunkte dafür, inwieweit diese durch die Behinderung bedingt seien. Im Übrigen habe die Antragstellerin höhere tatsächliche Aufwendungen lediglich behauptet, ohne diese zu belegen. Auch der von der Antragstellerin begehrte pauschale Ansatz von Fahrtkosten in Höhe von 7 800 DM als behinderungsbedingter Mehraufwand komme nicht in Betracht, da die Anerkennung von Fahrtkosten eine entsprechende tatsächliche Fahrleistung des Behinderten voraussetze, die nachzuweisen oder glaubhaft zu machen sei.
Zur Ermittlung, ob S im Streitzeitraum außerstande gewesen sei, sich selbst zu unterhalten, seien dem Gesamtbedarf die eigenen Mittel des Kindes gegenüberzustellen, die um eine Kostenpauschale von jährlich 360 DM bzw. 180 € (ab 2002) zu kürzen seien (vgl. Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes —DA-FamEStG— 63.4.2.3. Abs. 4). Die auf den Monat bezogene Gegenüberstellung des Gesamtbedarfs und der eigenen Mittel des Sohnes führe im Streitfall dazu, dass S über mehr Mittel verfügt habe, als er für seinen gesamten existenziellen Lebensunterhalt benötigt habe.
Gegen das FG-Urteil beabsichtigt die Antragstellerin eine Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen und hat hierzu in anwaltlicher Vertretung unter Beifügung einer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) eingereicht. Die Prozessbevollmächtigte führt aus, dass sich ihre Bevollmächtigung allein auf die Stellung dieses PKH-Antrags beschränke. Die Antragstellerin sei u.a. aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, diesen Antrag persönlich zu stellen. Sie habe seit 1996 einen Grad der Behinderung von 100, die Merkzeichen „G”, „aG” und „H”. Sie sei 75 Jahre alt und doppelunterschenkelamputiert. Weder könne sie das Büro der Bevollmächtigten aufsuchen noch selbst einen entsprechenden Antrag formulieren. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse sei sie auch nicht in der Lage, ohne Bewilligung von PKH die Kosten eines Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision zu tragen.
Die Antragstellerin beantragt, ihr unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten PKH für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das vorinstanzliche Urteil zu gewähren.
Die Familienkasse hat von einer Stellungnahme abgesehen.
II. Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung wird einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
2. Die beabsichtigte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision durch das FG ist nicht erfolgversprechend.
Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die objektiven Bewilligungsvoraussetzungen von der anwaltlich vertretenen Antragstellerin in der erforderlichen Form dargelegt sind (vgl. hierzu Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 142 FGO Tz. 8). Jedenfalls liegt bei summarischer Prüfung keiner der in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten Gründe für eine Zulassung der Revision vor.
a) Die Rechtssache hat schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), weil sich die Bedeutung der Sache in der Entscheidung des konkreten Einzelfalles erschöpft und nicht eine Vielzahl gleichartiger Fälle betrifft (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rz. 24). Im Übrigen ist die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen ein behindertes Kind, das bei seiner Familie lebt, imstande ist, sich selbst zu unterhalten (vgl. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes) nicht klärungsbedürftig, weil diese Frage höchstrichterlich geklärt ist (s. z.B. , BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72; vom VIII R 59/01, BFHE 207, 237, BFH/NV 2004, 1715; vom VIII R 32/02, BFHE 204, 454, BStBl II 2004, 588) und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen.
b) Der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) scheidet ebenfalls aus, weil die Rechtssache über den konkreten Einzelfall hinaus nicht allgemein bedeutsam ist. Dass die Entscheidung der Vorinstanz für die Antragstellerin selbst erhebliche finanzielle Auswirkungen hat, genügt nicht für die Zulassung der Revision.
c) Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Sicherung der Rechtseinheit (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) geboten. Das FG ist nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen, sondern hat sie uneingeschränkt seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Im Übrigen würde die Einheitlichkeit der Rechtsprechung selbst dann nicht gestört, wenn dem FG Subsumtionsfehler bei der Anwendung des materiellen oder formellen Rechts im konkreten Einzelfall unterlaufen wären (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 46).
d) Schließlich ist die Revision auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen. Abgesehen davon, dass keine Verfahrensmängel gerügt worden sind, sind nach summarischer Prüfung auch keine derartigen Verfahrensmängel erkennbar. Soweit die Antragstellerin der Auffassung sein sollte, die Beweiswürdigung des FG sei fehlerhaft, kann damit ein Verfahrensmangel nicht begründet werden, da die Grundsätze der Beweiswürdigung revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen sind. Im Übrigen lässt die Beweiswürdigung des FG insbesondere auch zur Frage der Berücksichtigung von Miet- und Telefonkosten sowie der Fahrtkosten auch keine Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze erkennen.
e) Im Kern soll sich die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des FG richten; dies allein rechtfertigt jedoch keine Zulassung der Revision.
3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da Gerichtsgebühren durch dieses Verfahren nicht entstehen.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1131 Nr. 6
CAAAB-82030