Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, ist ein kommunales Versorgungs-, Entsorgungs- und Verkehrsunternehmen, dessen Anteile zu 100 v.H. von der Stadt gehalten werden. Im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages übernahm die Klägerin im Streitjahr 1994 von der X, einem Eigenbetrieb der Stadt, die technische und kaufmännische Abwicklung der Abwasserbeseitigung, die der Stadt als Pflichtaufgabe oblag. Des Weiteren schloss die Klägerin mit drei —von den beseitigungsverpflichteten Gemeinden auf der Grundlage des § 58 Abs. 4 Satz 1 des Thüringer Wassergesetzes gegründeten— Zweckverbänden gleichlautende, als Betriebsüberlassungsvertrag bezeichnete, auf das Streitjahr 1994 befristete Vereinbarungen über die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung. Inhalt der Betriebsüberlassungsverträge war u.a.:
„§ 1
1. der Verband ist gemäß § 2 Abs. 1 und 2 der vorläufigen Kommunalordnung für das Land Thüringen —VKO— vom (GVBl. 92 S. 383) verpflichtet, das auf seinem Gebiet anfallende Abwasser zu beseitigen und die dazu notwendigen Abwasseranlagen zu betreiben.
...
3. der Verband überträgt dem Unternehmen als Drittem, dessen er sich zur Erfüllung seiner Ver- und Entsorgungspflicht bedient, die Wasserversorgung sowie die Abwasserbeseitigung in dem in diesem Vertrag festgelegten Umfang.
Die öffentlich-rechtlichen Pflichten des Verbandes bleiben von dieser Übertragung unberührt. Denn die Planungshoheit und -aufgaben und die Investitionshoheit bleiben beim Verband. Dem Unternehmen ist es gestattet, sich zur Erfüllung der sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen Dritter zu bedienen.
...
§ 10 Entgelte zu Gunsten des Unternehmens
1. für die Durchführung der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung hebt das Unternehmen unmittelbar von den Benutzern Entgelte auf der Grundlage einer privatrechtlichen Entgeltregelung.
2. die Entgelte sind nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen 'unter Berücksichtigung der kommunalabgabenrechtlichen Prinzipien' zu kalkulieren.
Das Unternehmen hat unter Berücksichtigung der von ihm zu tragenden Risiken Anspruch auf Kostendeckung.
Die Entgelte ergeben sich aus der Anlage 3 aufgeführten Preisliste.
Gewinne und Verluste werden dem Verband anteilig nach dem Verbandsgebiet verkauften Wassermengen bzw. nach berechneten m3 Abwassermenge zugeordnet. Fälligkeit: einen Monat nach Feststellung des durch einen Wirtschaftsprüfer testierten Jahresabschlusses...”
Da die Zweckverbände weder über die personellen noch sachlichen Mittel für die Aufgabenerfüllung verfügten, oblagen der Klägerin sämtliche für den Geschäftsbetrieb notwendigen Tätigkeiten wie Kundenverwaltung, Abrechnung, Forderungseinzug, Unterhaltung und Neuverlegung des Leitungsnetzes etc. Die Klägerin trug nach dem Vertrag auch die Leitungsverluste und die Forderungsausfälle. Die Abwasserentsorgung führte sie im eigenen Namen und auf eigene Rechnung auf der Grundlage der Allgemeinen Entsorgungsbedingungen für Abwasser (AEA-B) durch, die sie zum Bestandteil der zwischen ihr und den Benutzern geschlossenen privatrechtlichen Entsorgungsverträge machte. Den von der X und den Zweckverbänden auszugleichenden Fehlbetrag aus der Wasserver- und -entsorgung (im Streitjahr 1994 5 809 105,12 DM) errechnete die Klägerin entsprechend § 10 der Betriebsüberlassungsverträge nach der verkauften Wassermenge bzw. den errechneten Abwassermengen anteilig für den jeweiligen Vertragspartner zuzüglich jeweils 15 v.H. Umsatzsteuer. Ob diese Berechnungsgrundlage Teil der Rechnung war, war streitig.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Auffassung, bei der Übernahme der Verluste in Bezug auf die Trinkwasserlieferung handele es sich um einen echten Zuschuss. Insoweit haben die Beteiligten den Streit darüber, ob die Klägerin die Umsatzsteuer „offen ausgewiesen” hatte, im Klageverfahren beigelegt. Hinsichtlich der Übernahme des Verlustes für die Abwasserbeseitigung habe die Klägerin entgeltliche Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993 erbracht, da nach der für den Freistaat Thüringen im Streitjahr 1994 geltenden Rechtslage die Abwasserbeseitigung als hoheitliche Maßnahme nur durch die öffentliche Hand und nicht durch private Unternehmen habe ausgeübt werden dürfen und die Klägerin ihre Leistungen deshalb gegenüber der beseitigungspflichtigen Körperschaft erbracht habe. Unerheblich sei insoweit, dass sie das Entgelt für ihre Tätigkeit unter Abkürzung des Zahlungsweges zum Teil unmittelbar von den Bürgern erhalten habe.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, Zahlungen der öffentlichen Hand könnten Entgelt für eine steuerbare Leistung sein, wenn der Zahlungsempfänger im Auftrag des Geldgebers für diesen eine Aufgabe übernehme und die Zahlung damit zusammenhänge; kein Entgelt liege dagegen vor, wenn die Zahlung lediglich der Förderung des Zahlungsempfängers im allgemeinen Interesse diente und nicht Gegenwert für eine steuerbare Leistung des Zahlungsempfängers an den Geldgeber sein solle. Übernehme eine Person des privaten Rechts Aufgaben einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und erhalte im Zusammenhang damit Geldzahlungen, könne je nach den Umständen des Einzelfalls ein Leistungsaustausch zu bejahen oder zu verneinen sein. Im Streitfall sei der Verlustausgleich Gegenleistung für die von der Klägerin der X bzw. den Zweckverbänden erbrachten Leistungen im Zusammenhang mit der Abwasserentsorgung. Zu Unrecht berufe sich die Klägerin auf das (BFHE 198, 220, BStBl II 2003, 950), denn der BFH stelle nur auf die zivilrechtliche Wirksamkeit der den Leistungsbeziehungen zugrunde liegenden Vertragsverhältnisse ab.
Der nicht auf dem Gesellschaftsverhältnis, sondern auf dem Geschäftsbesorgungsverhältnis beruhende Ausgleichsanspruch sei durch die Übernahme der —der X bzw. den Zweckverbänden obliegenden— Verpflichtung zur Abwasserbeseitigung bedingt und knüpfe dementsprechend an die gelieferten bzw. entsorgten Wassermengen, d.h. an den Absatz an; er sei deshalb konkrete Gegenleistung für die von der Klägerin bewirkte Leistung. Für die Einleiter habe ein Anschluss- und Benutzungszwang bestanden; lediglich bei der Erfüllung ihrer Pflichtaufgabe (vgl. § 58 Abs. 1 des Thüringer Wassergesetzes vom bzw. nach § 2 Abs. 2 der vorläufigen Kommunalordnung vom ) hätten die für die Abwasserbeseitigung zuständigen Körperschaften des öffentlichen Rechts die privatrechtlich organisierte Klägerin als Verwaltungshelferin zur Entsorgung einsetzen können.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die auf § 115 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
1. Die Klägerin meint, grundsätzliche Bedeutung hätten folgende Fragen:
„a) Unterliegen Zahlungen des Trägers einer hoheitlichen Aufgabe an ein in dessen Kompetenzbereich aber in eigenem Namen tätiges Privatunternehmen grundsätzlich der Umsatzsteuer?”
„b) Begründet ein vertraglicher Anspruch auf Zuschüsse des Hoheitsträgers grundsätzlich einen umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch?”
„c) Liegt eine Leistung gegen Entgelt auch dann vor, wenn ein Anspruch auf Zahlung nur unter bestimmten Voraussetzungen, deren Eintreten eher unwahrscheinlich und nicht beabsichtigt ist, entsteht?”
Die Fragen a) und b) haben deswegen keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie sich ohne weiteres anhand der bisherigen Rechtsprechung beantworten lassen. Der BFH hat im Urteil vom V R 65/00 (BFHE 198, 233, BStBl II 2002, 782) zur Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen Zahlungen der öffentlichen Hand an eine juristische Person des privaten Rechts, die die Erfüllung von Aufgaben einer Körperschaft des öffentlichen Rechts übernimmt, Entgelt für eine steuerbare Leistung sein können: Sie können „Entgelt für eine steuerbare Leistung sein, wenn der Zahlungsempfänger im Auftrag des Geldgebers für diesen eine Aufgabe übernimmt und die Zahlung damit zusammenhängt. Kein Entgelt liegt aber vor, wenn der Zuschuss lediglich der Förderung des Zahlungsempfängers im allgemeinen Interesse dienen soll und nicht der Gegenwert für eine steuerbare Leistung des Zahlungsempfängers an den Geldgeber sein soll. In derartigen Fällen, in denen eine Person des privaten Rechts Aufgaben einer Körperschaft des öffentlichen Rechts übernimmt und im Zusammenhang damit Geldzahlungen erhält, kann je nach den Umständen des Einzelfalls ein Leistungsaustausch zu bejahen oder zu verneinen sein ...”.
Eine Leistung gegen Entgelt liegt regelmäßig auch dann vor, „wenn ein Geschäftsführer gegen Aufwendungsersatz tätig wird…Bedient sich eine Gemeinde zur Erfüllung ihrer Aufgaben eines Erfüllungsgehilfen, erhält sie individualisierbare Leistungen des Erfüllungsgehilfen; erhält sie Leistungen als Verbraucherin im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts, soweit sie hoheitliche Aufgaben wahrnimmt, und als Unternehmerin, soweit sie unternehmerische Aufgaben wahrnimmt”. Anhand dieser Grundsätze, von denen das FG ausgegangen ist, ergibt sich, dass Zahlungen des Trägers einer hoheitlichen Aufgabe an ein in dessen Kompetenzbereich, aber im eigenen Namen tätiges Privatunternehmen nicht grundsätzlich der Umsatzsteuer unterliegen und zwar auch dann nicht, wenn ein vertraglicher Anspruch auf die Zahlungen besteht, sondern dass deren Beurteilung davon abhängt, ob die Zahlungen Entgelt für die Erfüllung einer individualisierbaren Leistung gegenüber dem Auftraggeber sind.
Auch die Frage c) hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie lässt sich anhand des Gesetzes (§ 1 Abs. 1 UStG, § 10 UStG und § 17 UStG) beantworten. Aus den bezeichneten Vorschriften und der Rechtsprechung dazu ergibt sich, dass es an einer Leistung gegen Entgelt i.S. des UStG nicht deshalb fehlt, weil die Bemessungsgrundlage für die Leistung im Zeitpunkt der Leistungsvereinbarung noch nicht (betragsmäßig) bestimmt ist. Es reicht aus, dass sie anhand der vereinbarten Voraussetzungen bestimmbar ist.
2. Für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 1 Nr. 2 FGO fehlt es an einer schlüssigen Darlegung eines Zulassungsgrundes. Für die von der Klägerin begehrte Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hätte sie einen tragenden abstrakten Rechtssatz des Urteils des FG und die ebenfalls tragenden Rechtsausführungen der angeblichen Divergenzentscheidungen so herausarbeiten und gegenüberstellen müssen, dass die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2002, 748). Daran fehlt es.
3. Auch eine Zulassung wegen Verfahrensmängeln kommt nicht in Betracht.
Soweit die Klägerin Einwendungen gegen die Richtigkeit des im FG-Urteil festgestellten Tatbestandes erhebt, sind diese nicht als Verfahrensmangel im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu rügen, sondern hätten ggf. zum Gegenstand eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) gemacht werden müssen (z.B. , BFH/NV 1999, 1369).
Schließlich rechtfertigen auch die von der Klägerin erhobenen „Sachaufklärungsrügen” (vgl. § 76 Abs. 1 FGO i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht die Zulassung der Revision. Im Kern richtet sich die Kritik der Klägerin an der Vorentscheidung dagegen, dass das FG den Sachverhalt anders als sie, die Klägerin, gewürdigt hat, wenn sie vorträgt, das FG gehe in der Urteilsbegründung „in Verkennung des tatsächlichen Tatbestandes davon aus, dass die Vergleichszahlung '... an die gelieferten und entsorgten Wassermengen, d.h. an den Absatz und damit an eine konkrete Gegenleistung für die von der Klägerin bewirkte Leistung ...' anknüpft, während ihrer Meinung nach die Höhe des Verlustausgleichs völlig unabgängig von den entsorgten Abwassermengen sei, denn diese seien 'lediglich Maßstab für die Ermittlung der den verschiedenen Hoheitsträgern zuzurechnenden Gewinn- oder Verlustanteile'”.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1162 Nr. 6
OAAAB-81268