Bei Besteuerung einer gemischten Schenkung anzuwendende Grundsätze zur Ermittlung des Verkehrswerts eines Grundstücks
Leitsatz
Bei einer gemischten Grundstücksschenkung ist schenkungsteuerrechtlich nur der (unselbständige) freigebige Teil der gemischten freigebigen Zuwendung zu erfassen. Das Ausmaß der Bereicherung bestimmt sich nach dem Verhältnis des Verkehrswerts der Bereicherung des Beschenkten zum Verkehrswert der Leistung des Schenkers. Die Gegenleistung ist entsprechend ihrem Anteil am Verkehrswert der Leistung des Zuwendenden von deren Steuerwert abzuziehen. Als Verkehrswert der Leistung des Schenkers und der Gegenleistung des Beschenkten ist jeweils der gemeine Wert i. S. des § 9 BewG, d. h. der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbare Preis, anzusetzen. Im Zwangsversteigerungsverfahren erzielte Erlöse sind nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt und daher bei der Ermittlung des gemeinen Werts nicht zugrunde zu legen. Für die Ermittlung des Verkehrswerts kann auch nicht gemäß § 12 Abs. 3 ErbStG i. V. mit §§ 138 ff. BewG auf einen typisierenden (Steuer-)Wert zurückgegriffen werden.
Gesetze: ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, ErbStG § 12 Abs. 3, BewG § 9, BewG § 138, BewG § 146
Instanzenzug: FG des Landes Brandenburg Urteil vom 6 K 2843/02 (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom übertrug T der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) unentgeltlich eine Eigentumswohnung. Die Klägerin übernahm auf dem Grundbesitz abgesicherte Verbindlichkeiten. Den Grundbesitzwert der Eigentumswohnung auf den stellte das Lagefinanzamt auf 135 000 DM fest.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) behandelte die Grundstücksübertragung als gemischte Schenkung und setzte gegen die Klägerin durch Bescheid vom Schenkungsteuer in Höhe von 3 000 DM fest. Der Ermittlung des nach seiner Ansicht steuerpflichtigen Teils der Leistung der T legte das FA als Verkehrswert der Eigentumswohnung das Zweifache des festgestellten Grundbesitzwerts (270 000 DM) zugrunde.
Einspruch und Klage, mit denen sich die Klägerin gegen die pauschalierte Ermittlung des Verkehrswerts wandte und unter Hinweis auf erzielte Verkauferlöse für vergleichbare Wohnungen einen niedrigeren Verkehrswert geltend machte, hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte in seiner klageabweisenden Entscheidung aus, der Ansatz des Verkehrswerts mit dem Zweifachen des nach § 12 Abs. 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i.V.m. § 138 Abs. 1 und 3 und § 146 des Bewertungsgesetzes (BewG) ermittelten Grundstückswerts sei nicht zu beanstanden, weil nach dem (BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598) bei der Ermittlung des Grundbesitzwerts in der Regel nur die Hälfte des Verkehrswertniveaus erreicht werde. Der Klägerin obliege entsprechend § 146 Abs. 7 BewG die Nachweispflicht für einen niedrigeren Verkehrswert. Einen solchen Nachweis habe die Klägerin nicht erbracht.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Die pauschale Ermittlung des Verkehrswerts mit dem Doppelten des festgestellten Grundbesitzwerts führe zu einer unzutreffenden Besteuerung.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung, den Schenkungsteuerbescheid vom und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat die bei der Besteuerung einer gemischten Schenkung anzuwendenden Grundsätze zur Ermittlung des Verkehrswerts eines bebauten Grundstücks verkannt.
1. Zutreffend haben FA und FG die Übertragung des Grundstücks als gemischte Schenkung behandelt, da sie mit der Verpflichtung der Klägerin zur Übernahme der durch das Grundstück gesicherten Verbindlichkeiten verbunden war. Schenkungsteuerrechtlich ist nur der (unselbständige) freigebige Teil der gemischten freigebigen Zuwendung zu erfassen. Das Ausmaß der Bereicherung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) bestimmt sich nach dem Verhältnis des Verkehrswerts der Bereicherung des Beschenkten zum Verkehrswert der Leistung des Schenkers (vgl. u.a. , BFHE 136, 303, BStBl II 1982, 714; vom II R 37/87, BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524; vom II R 71/00, BFHE 200, 402, BStBl II 2003, 162). Die Gegenleistung ist entsprechend ihrem Anteil am Verkehrswert der Leistung des Zuwendenden von deren Steuerwert abzuziehen (, BFHE 196, 296, BStBl II 2002, 25).
2. Als Verkehrswert der Leistung des Schenkers und der Gegenleistung des Beschenkten ist jeweils der gemeine Wert i.S. des § 9 BewG, d.h. der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbare Preis, anzusetzen. Bei seiner Feststellung sind (mit Ausnahme ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse) alle Umstände zu berücksichtigen, die den Preis beeinflussen können (§ 9 Abs. 2 BewG).
a) Eine vom Bewertungsmaßstab des gemeinen Werts abweichende Sonderregelung i.S. des § 9 Abs. 1 BewG liegt nicht vor; insbesondere kann für die Ermittlung des Verkehrswerts nicht gemäß § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. §§ 138 ff. BewG auf einen typisierenden (Steuer-)Wert zurückgegriffen werden.
Etwas anderes kann —entgegen der Ansicht des FG— auch nicht dem BFH-Beschluss in BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598 (603) entnommen werden. Dort wird lediglich auf den tatsächlichen Befund hingewiesen, dass die Ertragswerte für bebaute Grundstücke (§ 146 Abs. 2 ff. BewG) „nach einer Kaufpreisuntersuchung der Finanzverwaltung aus dem Jahre 1998 im Durchschnitt nur die Hälfte des Verkehrswertniveaus” erreichen. Aus dieser Feststellung kann, zumal die Einzelergebnisse dieser Untersuchung eine „erhebliche Streubreite von teilweise weniger als 20 v.H. bis 120 v.H. und mehr des Verkehrswerts” belegen, kein Rechtsgebot zum Ansatz des Verkehrswerts eines übertragenen bebauten Grundstücks mit dem Zweifachen des nach § 138 Abs. 3 i.V.m. § 146 BewG ermittelten Grundbesitzwerts hergeleitet werden. Von einem Gebot zum Ansatz eines solchen Mindestwerts geht —anders als das FA offenbar meint— auch R 17 Abs. 6 Satz 4 der Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR) nicht aus.
b) Da für die Ermittlung des Verkehrswerts nicht auf § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. §§ 138 ff. BewG zurückgegriffen werden kann, ist auch für eine Anwendung des § 146 Abs. 7 BewG kein Raum. Insbesondere trifft die Nachweislast für den anzusetzenden gemeinen Wert —anders als nach § 146 Abs. 7 BewG— nicht den Steuerpflichtigen.
Da die Vorentscheidung von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war sie aufzuheben.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat im zweiten Rechtsgang Feststellungen zur Höhe des Verkehrswerts der der Klägerin übertragenen Eigentumswohnung zu treffen. Im Hinblick auf § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG wird es dabei ggf. auch die Angaben der Klägerin über erzielte Verkaufserlöse für Wohnungen aus demselben Gebäudekomplex darauf zu überprüfen haben, ob es sich insoweit um vergleichbare Wohnungen handelt. Soweit sich die Angaben der Klägerin auch auf im Zwangsversteigerungsverfahren erzielte Erlöse beziehen, sind diese nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt und daher bei der Ermittlung des gemeinen Werts nicht zugrunde zu legen (Urteil des Reichsfinanzhofs vom III 319, Steuer und Wirtschaft 1938 Nr. 494).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 744 Nr. 4
DStRE 2006 S. 479 Nr. 8
KÖSDI 2006 S. 15080 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 28/2006 S. 13
FAAAB-78323