BFH Urteil v. - V R 52/01 BStBl 2006 II S. 278

Steuerbefreiung der Umsätze der Veranstalter von Glücksspielen

Leitsatz

1. Veranstalter von Glücksspielen können sich unmittelbar auf die Steuerfreiheit ihrer Umsätze nach Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG in dem Sinne berufen, dass die Vorschrift des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG 1980 keine Anwendung findet (Anschluss an —Edith Linneweber— und Rs. C-462/02 —Savvas Akriditis—; , und vom V R 50/01). Dies gilt für Glücksspiele aller Art, auch wenn sie unerlaubt betrieben werden.

2. Die Spielumsätze sind grundsätzlich dem Inhaber der Spielkasinokonzession zuzurechnen. Fungiert dieser als „Strohmann” für einen Dritten („Hintermann”), liegt ein Kommissionsgeschäft nach § 3 Abs. 11 UStG 1980 vor mit der Folge, dass sowohl die besorgte Leistung (die Umsätze des Konzessionsinhabers an die Spieler) als auch die Besorgungsleistung (die —fingierten— Umsätze des „Hintermanns” an den Konzessionsinhaber) als steuerfrei behandelt werden können.

Gesetze: UStG § 4 Nr. 9 Buchst. b,UStG § 3 Abs. 11,Richtlinie 77/388/EWG Art 13 Teil B Buchst. f

Instanzenzug: (EWG 2001, 1397) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb nach den Feststellungen des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt —FA—) im Streitjahr 1990 in einem Spielkasino in M. die Glücksspiele „Roulette” und „Black Jack”, die dort nach der erforderlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung des Bundeskriminalamtes nicht zugelassen waren. Inhaber der Spielkasinokonzession war unstreitig nicht der Kläger, sondern ein Dritter (D). Das FA behandelte den Kläger als „Inhaber bzw. wirtschaftlichen Betreiber” und setzte die Umsatzsteuer 1990 gegen den Kläger mit Steuerbescheid vom auf 41 482 DM fest. Der Einspruch des Klägers wurde von ihm nicht begründet und blieb erfolglos.

Im Klageverfahren machte der Kläger geltend, dass

a) er niemals Inhaber bzw. wirtschaftlicher Betreiber des Spielkasinos gewesen sei und

b) selbst wenn man ihm diese Umsätze zurechne, diese unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom Rs. C-283/95, Fischer (Slg. 1998, I-3369, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 1998, 384) steuerbefreit seien.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit Urteil vom statt und hob den Umsatzsteuerbescheid 1990 vom sowie die Einspruchsentscheidung vom auf. Es ließ die Unternehmereigenschaft des Klägers und damit die Frage der Zurechnung der Glücksspielumsätze dahingestellt, weil diese Umsätze in jedem Fall nach den vom EuGH aufgestellten Grundsätzen steuerbefreit seien; diese Grundsätze seien nicht nur auf „Roulette”, sondern auch auf „Black Jack” anzuwenden.

Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung führt es einerseits aus, der Kläger sei als „Hintermann” eines „Strohmanngeschäftes” nicht Unternehmer bzgl. der ihm zugerechneten Glücksspielumsätze, weil diese grundsätzlich dem Konzessionsinhaber (hier: D als „Strohmann”) zuzurechnen seien; das FG weiche mit der bewusst unterlassenen Klärung dieser Frage von der Rechtsprechung des BFH ab. Dem Kläger müssten als Unternehmer aber vielmehr die (nicht steuerbefreiten) Umsätze aus einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung des Klägers für D zugerechnet werden. Andererseits verstoße die erweiterte Auslegung der Steuerbefreiung nach den Grundsätzen des zitierten EuGH-Urteils durch das FG gegen § 4 Nr. 9 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980).

Das FA beantragt, das Urteil des FG Düsseldorf aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Entgegen seiner früher vorgetragenen Ansicht hält er die Zurechnung der Umsätze nun für zutreffend, diese aber für steuerbefreit.

II.

Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG durfte ohne Rechtsverstoß dahingestellt lassen, ob die vom FA besteuerten Spielumsätze dem Kläger oder dem Konzessionsinhaber D zuzurechnen waren. In jedem Fall kann sich der Kläger auf die Steuerfreiheit der Umsätze nach Art. 13 Teil B Buchst. f der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) berufen.

1. Es ist zwar zutreffend, dass bei konzessionsgebundenen Geschäften grundsätzlich der Konzessionsinhaber als leistender Unternehmer anzusehen ist. Regelmäßig ergibt sich nämlich aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622); Leistender ist demnach grundsätzlich der Konzessionsinhaber, der in aller Regel der zivilrechtliche Vertragspartner seiner Kunden ist (vgl. für Gaststätte BFH-Beschlüsse vom V B 29/90, BFH/NV 1993, 55, und vom V B 152/03, BFH/NV 2004, 833). Im Streitfall kann jedoch dahinstehen, ob die Spielumsätze unmittelbar dem Kläger zuzurechnen sind oder entsprechend den Grundsätzen der vorgenannten Entscheidungen des BFH dem Konzessionsinhaber D.

2. Sollten die Spielumsätze —entsprechend der ursprünglichen Ansicht des FA— ausnahmsweise unmittelbar dem Kläger zuzurechnen sein, sind sie vom FG zu Recht als steuerfrei behandelt worden. Die Umsätze waren zwar nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG 1980 steuerfrei, da sie nicht unter das Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottG) fallen und der Kläger keine öffentliche Spielbank betrieb (vgl. , UR 2005, 500, und vom V R 50/01, BFH/NV 2005, 1881).

Der Kläger kann sich jedoch auf die Steuerfreiheit nach Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG berufen.

Nach dieser Bestimmung befreien die Mitgliedstaaten Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz „unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden” und die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer.

Wie der EuGH in seinem Urteil vom Rs. C-453/02, Edith Linneweber und Rs. C-462/02, Savvas Akritidis (BFH/NV Beilage 2005, 94, UR 2005, 194) entschieden hat, ist Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG „dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, wonach die Veranstaltung oder der Betrieb von Glücksspielen und Glücksspielgeräten aller Art in zugelassenen öffentlichen Spielbanken steuerfrei ist, während diese Steuerbefreiung für die Ausübung der gleichen Tätigkeit durch Wirtschaftsteilnehmer, die nicht Spielbankbetreiber sind, nicht gilt”.

Hieraus folgt, dass die Veranstalter von Glücksspielen der im Streitfall vorliegenden Art sich auf die Steuerfreiheit ihrer Glücksspiele nach Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG in dem Sinne berufen können, dass die Vorschrift des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG 1980 keine Anwendung findet (in UR 2005, 500, und in BFH/NV 2005, 1881).

Dies gilt auch für den Kläger, falls ihm die Spielumsätze (ausnahmsweise) zuzurechnen sein sollten.

3. Sind die Spielumsätze —entsprechend der jetzigen Ansicht des FA— unmittelbar dem Konzessionsinhaber D zuzurechnen, findet die Vorschrift des § 3 Abs. 11 UStG 1980 Anwendung.

Nach dieser Vorschrift sind die für die besorgten Leistungen geltenden Vorschriften auf die Besorgungsleistung entsprechend anzuwenden, wenn ein Unternehmer für Rechnung eines anderen im eigenen Namen eine sonstige Leistung besorgt.

Nach der Rechtsprechung des Senats findet diese Vorschrift nicht nur auf Geschäftsbesorgungen Anwendung, bei denen der Geschäftsbesorger für Rechnung seines Auftraggebers Leistungen bezieht —sog. Leistungseinkauf—, sondern auch auf Geschäftsbesorgungen, bei denen der Geschäftsbesorger für Rechnung seines Auftraggebers Leistungen ausführt —sog. Leistungsverkauf— (vgl. z.B. , BFHE 197, 377, BStBl II 2004, 315). Dem entspricht die heutige Fassung des § 3 Abs. 11 UStG 1980: Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

So ist es auch im Streitfall, wenn entsprechend den zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen die Spielumsätze unmittelbar dem Konzessionsinhaber D zuzurechnen sind. Der Kläger hat dann den Konzessionsinhaber D zur Erbringung der Spielumsätze eingeschaltet; D hat die Spielumsätze dann zwar im eigenen Namen, aber im Auftrag des Klägers für dessen Rechnung ausgeführt. Demnach sind die für die besorgten Leistungen (hier: die Spielumsätze des D an die Spieler) geltenden Vorschriften gemäß § 3 Abs. 11 UStG 1980 auf die Besorgungsleistungen entsprechend anzuwenden.

Für den Streitfall bedeutet dies: Der Konzessionsinhaber D ist so zu behandeln, als ob er seine Umsätze an die Spieler von dem Kläger erhalten hätte, als ob also der Kläger an D Spielumsätze ausgeführt hätte. Da die Umsätze des D an die Spieler (die besorgten Leistungen) steuerfrei sind (vgl. oben unter 2.), gilt dasselbe für die entsprechenden (fingierten) Umsätze des Klägers an D.

Fundstelle(n):
BStBl 2006 II Seite 278
BB 2006 S. 536 Nr. 10
BFH/NV 2006 S. 887 Nr. 4
BStBl II 2006 S. 278 Nr. 6
DStR 2006 S. 374 Nr. 9
DStRE 2006 S. 383 Nr. 6
DStZ 2006 S. 213 Nr. 7
HFR 2006 S. 388 Nr. 4
NWB-Eilnachricht Nr. 9/2006 S. 653
SJ 2006 S. 13 Nr. 7
StB 2006 S. 124 Nr. 4
StBW 2006 S. 5 Nr. 5
StuB-Bilanzreport Nr. 6/2006 S. 244
UR 2006 S. 230 Nr. 4
UStB 2006 S. 92 Nr. 4
UVR 2006 S. 130 Nr. 5
WPg 2006 S. 529 Nr. 8
NAAAB-77639