Umfang der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bei Ausübung anderer unschädlicher, aber nicht begünstigter Tätigkeiten
Leitsatz
§ 9 Abs. 1 Satz 2 GewStG beschränkt den Umfang der Begünstigung auf die grundstücksverwaltende Tätigkeit. Daher ist es notwendig, den auf diese Tätigkeit entfallenden Teil des Gewerbeertrags (einschließlich der anteiligen Hinzurechnungen und Kürzungen) zu ermitteln, wenn das Steuersubjekt neben der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes andere unschädliche - aber nicht begünstigte - Tätigkeiten ausübt, wie z. B. das Erzielen von Einkünften aus der Verwaltung bzw. Nutzung eigenen Kapitalvermögens. Für eine Zuweisung zu letzterem Bereich muss in einer Parallelwertung zu den einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen ein einkünftebezogener Veranlassungszusammenhang der jeweiligen (Betriebs-)Einnahmen und (Betriebs-)Ausgaben zu Einkünften aus Kapitalvermögen bestehen. Die Prüfung des einkünftebezogenen Veranlassungszusammenhangs hat nach den Maßstäben zu erfolgen, die einkommensteuerrechtlich für die Abgrenzung der erwerbsbezogenen Sphäre herangezogen werden.
Gesetze: GewStG § 9 Nr. 1 Satz 2
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über den Umfang der sog. erweiterten Kürzung (§ 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes —GewStG—).
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist vermögensverwaltend tätig (Grundbesitz, Kapitalvermögen). Anfang 1993 beschloss die Alleingesellschafterin der Klägerin —eine Erbengemeinschaft— eine Gewinnausschüttung in Höhe von 10,9 Mio. DM (Auszahlungsbetrag nach Abzug der Kapitalertragsteuer: 8 175 000 DM). Nach dem Ausschüttungsbeschluss sollte dieser Betrag, soweit er nicht für Steuerzahlungen der Beteiligten der Gesellschafterin benötigt wurde, der Klägerin als Darlehen wieder zur Verfügung gestellt werden („Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren”). In einem Darlehensvertrag wurde für das „Kontokorrentdarlehen” ein Zinssatz von 5 v.H. vereinbart.
Der Auszahlungsbetrag wurde dem Verrechnungskonto der Gesellschafterin gutgeschrieben. Der Bestand des Kontos belief sich auf 6 046 303 DM (), 1 647 181 DM (), 1 046 651 DM () bzw. 94 188 DM () zu Lasten der Klägerin. Auf dieses Konto entfielen in den Streitjahren 1994 und 1995 Schuldzinsen in Höhe von 210 031 DM (1994) bzw. 68 856 DM (1995). Im Streitjahr 1996 hatte die Klägerin das Konto in der Weise nach den Kontenbewegungen „aufgeteilt”, dass sich ein Zinsaufwand von 171 283 DM und ein Zinsertrag von 157 172 DM errechnete (Saldo: 14 111 DM).
In ihren Jahresabschlüssen erfasste die Klägerin Zins- bzw. Kapitalerträge in Höhe von 426 231 DM (1994), 283 174 DM (1995) bzw. 257 521 DM (1996). Ein wesentlicher Teil dieser Erträge beruhte auf einer Kapitalanlage bei der A-Bank (u.a. Festgeld/Sparkonto mit einem Stand zu Beginn des Jahres 1993 in Höhe von ca. 7,8 Mio. DM und einer Verzinsung von 7,52 v.H.; Verzinsung in den Streitjahren bei einem Stand von jeweils über 5 Mio. DM: 5,4/4,31/3,19 v.H.).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) folgte in seinen ursprünglichen Festsetzungen den Gewerbesteuererklärungen der Klägerin und veranlagte unter Ansatz von Kürzungsbeträgen gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG einen Gewerbeverlust in 1994 und für die Folgejahre einen Gewerbeertrag von 0 DM. Nach einer Außenprüfung minderte das FA den Kürzungsbetrag um die bei der A-Bank (Sparkonto, Wertpapierdepot) erzielten Kapitalerträge (1994: 384 961 DM; 1995: 227 837 DM; 1996: 174 993 DM) unter gegenläufigem Ansatz einer Gewerbesteuer-Rückstellung. Die auf eine Saldierung der Kapitalerträge mit Schuldzinsen gerichtete Klage hat das abgewiesen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die angefochtenen Bescheide dahin zu ändern, dass bei der Ermittlung des Gewerbeertrages gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG die auf dem Kontokorrentkonto angefallenen Schuldzinsen mit den Kapitalerträgen saldiert werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat bei der Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG einen Zusammenhang zwischen den bei der Klägerin angefallenen Schuldzinsen (Kontokorrent) und der Verwaltung des eigenen Kapitalvermögens zu Recht verneint.
1. Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG können unter anderem solche Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen, auf Antrag den Gewerbeertrag statt um einen bestimmten Hundertsatz des Einheitswerts des Grundbesitzes (dazu § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG) um den Teil des Gewerbeertrags kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung). Die Regelung des § 9 Nr. 1 GewStG hat den Zweck, Doppelbelastungen innerhalb des Rechts der Realsteuern (durch Grundsteuer und Gewerbesteuer) zu vermeiden und insbesondere Kapitalgesellschaften, die kraft Rechtsform gewerbesteuerpflichtig sind (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG), hinsichtlich ihrer gewerbesteuerlichen Belastung solchen Einzelpersonen oder Personengesellschaften, die eine nicht gewerbesteuerpflichtige Grundstücksverwaltung betreiben, gleichzustellen (, BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359; Blümich/Gosch, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 9 GewStG Rz. 45, jeweils m.w.N.). Dass die Klägerin als grundstücksverwaltendes Unternehmen die tatbestandlichen Voraussetzungen insoweit erfüllt, als sie eigenen Grundbesitz nutzt und verwaltet, steht außer Streit; die Klägerin hat mit ihren Steuererklärungen auch einen Antrag auf Anwendung der Kürzungsregelung gestellt.
2. Die gesetzliche Regelung beschränkt den Umfang der Begünstigung auf die grundstücksverwaltende Tätigkeit („Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt”). Daher ist es notwendig, den auf diese Tätigkeit entfallenden Teil des Gewerbeertrages (einschließlich der anteiligen Hinzurechnungen und Kürzungen) zu ermitteln, wenn das Steuersubjekt neben der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes andere unschädliche —aber nicht begünstigte— Tätigkeiten ausübt, wie z.B. das Erzielen von Einkünften aus der Verwaltung bzw. Nutzung eigenen Kapitalvermögens (allgemeine Meinung; s. z.B. Blümich/Gosch, § 9 GewStG, Rz. 118; Güroff in Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 5. Aufl., § 9 Nr. 1 Rz. 34; Stäuber in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 9 Nr. 1 Anm. 210). Eine „gesonderte Gewinnermittlung” —wie in § 9 Nr. 1 Satz 4 GewStG mit Blick auf eine andere „unschädliche Nebentätigkeit” bestimmt— ist für die Ermittlung des auf die Verwaltung eigenen Kapitalvermögens entfallenden anteiligen Gewerbeertrages nicht vorgesehen. Für eine Zuweisung zu diesem Bereich muss in einer Parallelwertung zu den einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen ein einkünftebezogener Veranlassungszusammenhang der jeweiligen (Betriebs-)Einnahmen und (Betriebs-)Ausgaben zu Einkünften aus Kapitalvermögen bestehen (zutreffend Voßkuhl/Zuschlag, Finanz-Rundschau —FR— 2002, 616, 619; zum Rückgriff auf den Tatbestand des § 20 des Einkommensteuergesetzes —EStG— s. das Senatsurteil vom I R 69/99, BFHE 191, 382, BStBl II 2000, 355). Für die Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist damit bei einer Kapitalgesellschaft die Rechtsfolge des § 8 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes —KStG— (i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG) einzuschränken (s. bereits -en-, Der Betrieb —DB— 1972, 2234, 2235).
Die Prüfung des einkünftebezogenen Veranlassungszusammenhanges hat dabei nach den Maßstäben zu erfolgen, die einkommensteuerrechtlich für die Abgrenzung der erwerbsbezogenen Sphäre herangezogen werden. Für diese Abgrenzung kommt es auf den wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den (die Schuldzinsen auslösenden) Verbindlichkeiten und der Erwerbshandlung an. Dieser wirtschaftliche Zusammenhang ist aus dem Zweck des Darlehens und der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel abzuleiten (ständige Rechtsprechung - z.B. , BFHE 195, 135, BStBl II 2001, 573; vom VIII R 30/02, BFH/NV 2003, 1560; aus der Literatur z.B. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 9 Rz. 81; Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz. 209, jeweils m.w.N.).
3. a) Nach diesen Grundsätzen sind die Schuldzinsen —wie auch das FG entschieden hat— nicht dem Bereich der Kapitalnutzung zuzuordnen. Denn die Darlehensmittel waren nicht dazu verwendet worden, eine Kapitalanlage zu finanzieren; sie waren vielmehr Bestandteil der steuerrechtlich anzuerkennenden (Senatsurteil vom I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43) Gestaltung der Gewinnausschüttung als „Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren”.
b) Dass durch diese Gestaltung die schon bestehende —durch Eigenkapital finanzierte und im Zeitpunkt der Entscheidung über die Finanzierungsform vorteilhaft verzinste— Kapitalanlage fortgeführt werden konnte, ändert an diesem Ergebnis nichts. Denn diese Fortführung kann allenfalls als Folge der gewählten Finanzierungsvariante angesehen werden - wobei diese Folge angesichts der alsbald erfolgten Tilgung der Verbindlichkeit mittels anderer Vermögenswerte der Klägerin (Minderung des Bestands des Kontos in 1994 um ca. 3,4 Mio. DM) schon nicht als zwingend angesehen werden kann. Jedenfalls lässt ein solcher Effekt den Finanzierungsbedarf und damit den das Eingehen der Darlehensverpflichtung auslösenden Umstand (die Verpflichtung zur Finanzierung der beschlossenen Ausschüttung) unberührt.
c) Entgegen der Ansicht der Klägerin sind die Schuldzinsen auch nicht als sog. Abwehraufwendungen (zu diesem Begriff s. z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 1560) anzusehen. Eine durch die Einkunftserzielung (hier: das Kapitalüberlassungsverhältnis mit der Bank) begründete und für das weitere Erzielen der Einkünfte abzuwehrende Gefahr bestand im Augenblick der Darlehensvereinbarung nicht.
4. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang weitere direkt dem Bereich der Verwaltung des Kapitalvermögens zuzuordnende Aufwendungen bei der Ermittlung der sog. erweiterten Kürzung einzubeziehen sind (s. z.B. Voßkuhl/Zuschlag, FR 2002, 619; Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz. 118; -en-, DB 1967, 1155), ist nicht Gegenstand der Entscheidung, da entsprechende Aufwendungen weder vom Antrag der Klägerin erfasst noch vom FG festgestellt worden sind.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 810 Nr. 4
NWB-Eilnachricht Nr. 28/2006 S. 14
TAAAB-77595