Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung und einer Divergenz
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht. Der angerufene Senat kann deshalb offen lassen, ob den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) wegen der verspäteten Beschwerdebegründung gemäß § 56 Abs. 1 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
1. Die Kläger haben die grundsätzliche Bedeutung der von ihnen formulierten Rechtsfrage, „ob Gewinnzahlungen von einer von Anfang an planmäßig betrügerisch handelnden Kapitalanlagegesellschaft zu steuerpflichtigen Einnahmen im Sinne des EStG führen oder ob eine bloße Kapitalrückzahlung angenommen werden muss”, nicht schlüssig darlegen können.
a) Macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, so muss er substantiiert darauf eingehen, weshalb die Beantwortung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage muss der Beschwerdeführer begründen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist.
Außerdem muss der Beschwerdeführer substantiiert darlegen, dass die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage für die Entscheidung des Streitfalles rechtserheblich sei und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig wäre (vgl. hierzu die Nachweise aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Rz. 181). Hierfür genügt es nicht, dass die Klärung einer bestimmten Rechtsfrage theoretisch möglich erscheint; vielmehr muss zu erwarten sein, dass es tatsächlich zu einer Klärung der Grundsatzfrage kommen wird (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 31, m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH—).
b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung der Kläger nicht.
aa) Die Kläger haben in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es verschiedene Arten von „Schneeballsystemen” gebe. So sei in den sog. Ambros-Fällen (vgl. z.B. , BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767, und vom VIII R 35/00, BFHE 196, 112, BStBl II 2001, 646) die Kapitalanlagegesellschaft tatsächlich am Markt tätig geworden und habe erst nach Erzielung hoher Verluste ihren Anlegern Gewinne vorgespiegelt. Davon zu unterscheiden seien Kapitalanlagegesellschaften, die —wie im Streitfall— von Anfang an betrügerisch handelten und zu keiner Zeit ein Tätigwerden am Markt beabsichtigten. Hier würden die „Renditezahlungen” allein im Wege eines „Schneeballsystems” bis zum Zusammenbruch finanziert. Die Anleger würden einige Zeit hingehalten und zu Novationen angeregt, indem kurzfristige Gewinne ausgezahlt würden, die sich aber wirtschaftlich als reine Kapitalrückzahlung darstellten.
Zudem könne nach dem Inhalt der Kapitalanlageverträge unterschieden werden. Dies sei für die zivilrechtlichen und steuerlichen Folgen von Bedeutung. In den „Ambros-Fällen” seien zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Kapitalanlegern stille Gesellschaften angenommen worden. Die Kapitalanlagen hätten ausdrücklich spekulativen Charakter gehabt; Verluste seien nicht ausgeschlossen worden. Bei anderen Anlageverträgen liege keine stille Gesellschaft vor. Zum Teil werde eine treuhänderische Geldüberlassung vereinbart, wobei der Treuhänder nur zu bestimmten Anlageformen ermächtigt werde. Dabei würden —je nach Vertragsvariante— ein Kapitalverlust ausgeschlossen und ein fester Bonus vereinbart. Je nach inhaltlicher Ausgestaltung könne der Vertrag als Treuhandverhältnis mit entsprechenden steuerlichen Folgen oder als sonstige Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eingeordnet werden.
Der Unterschied des Streitfalles zu den „Ambros-Fällen” liege darin, dass sich in den letztgenannten Konstellationen das wirtschaftliche Risiko von Börsenspekulationen realisiert habe, auch wenn dies den Anlegern verheimlicht worden sei. Im Gegensatz dazu komme es bei den von Anfang an betrügerisch handelnden Kapitalanlagegesellschaften nie zu einer Gewinnchance für die Anleger.
Es stelle sich daher die Frage, ob diese verschiedenen Sachverhalte steuerlich gleich behandelt werden könnten oder ob eine Differenzierung dahin gehend notwendig sei, dass die Betrugsopfer von reinen Schneeballsystemen wirtschaftlich keine Einnahmen im Sinne des EStG erzielen könnten. Entscheidungserheblich sei dabei auch die konkrete vertragliche Ausgestaltung des Kapitalanlagevertrages.
bb) Der beschließende Senat kann es im Streitfall dahinstehen lassen, ob die von der Rechtsprechung des BFH in den „Ambros-Fällen” entwickelten Grundsätze —wie die Kläger meinen— dann nicht angewendet werden können, wenn die Kapitalanlagegesellschaft die ihr von den Anlegern (gegen Gewinnbeteiligung) überlassenen Gelder nicht erst später, sondern —wie geplant— von Anfang an abredewidrig verwendet und veruntreut mit der Folge, dass die zu Gunsten der Anleger vereinbarten Gewinnanteile zu keiner Zeit erwirtschaftet werden (verneinend nunmehr , BFHE 209, 438, BStBl 2005, 748, und VIII R 5/02, BFHE 209, 423, BStBl II 2005, 739). Denn die Kläger vermochten nicht (schlüssig) darzutun, dass diese Frage im vorliegenden Streitfall entscheidungserheblich und deshalb in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig wäre.
Nach den vom Finanzgericht (FG) getroffenen, von den Klägern nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen hatte der Kläger den vom Ausland aus „operierenden” Anlagefirmen unter Ausschluss einer Verlustbeteiligung, d.h. mit Kapitalrückzahlungsgarantie, Kapitalbeträge gegen einen festen Zins (4 % bzw. 6 % pro Monat) zur Verfügung gestellt. Hierbei handelte es sich entgegen der Bezeichnung der „Kapitalanlagegesellschaften” als „Treuhänder” und der Charakterisierung der Kapitalnutzungsentgelte als „Boni” —wovon auch die Vorinstanz zutreffend ausgegangen ist— weder um Treuhandverhältnisse noch um Kapitalüberlassungen gegen Gewinnbeteiligungen, etwa um partiarische Darlehensverhältnisse oder stille Gesellschaften, sondern um „normale” (verzinsliche) Darlehen, bei denen der Anleger —anders als bei Treuhandverhältnissen, partiarischen Darlehen oder (stillen) Gesellschaften— lediglich das Risiko der Bonität des Schuldners trug, dagegen nicht Gefahr lief, dass das überlassene Kapital und/oder das ausbedungene Nutzungsentgelt durch von den Anlagegesellschaften erzielte Verluste bzw. geschäftliche Misserfolge geschmälert oder gar aufgezehrt wurden. So gesehen kam es für das (Fort-)Bestehen der (bürgerlich-rechtlichen) Kapitalrückzahlungs- und Zinsansprüche überhaupt nicht darauf an, zu welchen Zwecken die Anlagegesellschaften das Kapital des Klägers verwendeten und ob sie aus dieser Verwendung Gewinne erzielten oder nicht. Mit anderen Worten: das Problem der Zurechnung sog. Scheinrenditen spielt im Streitfall von vorneherein keine Rolle.
2. Auch soweit die Kläger die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam halten, „ob die Widmung eines Wirtschaftsguts als gewillkürtes Betriebsvermögen die Erfassung in der Buchhaltung voraussetzt oder ob die Anweisung an den Steuerberater, das Wirtschaftsgut zukünftig als gewillkürtes Betriebsvermögen zu führen, genügt”, vermochten sie die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage nicht schlüssig darzulegen.
Unter welchen Voraussetzungen Wirtschaftsgüter (hier: Kapitalforderungen) bei einem seinen Gewinn durch Bestandsvergleich ermittelnden Steuerpflichtigen zum gewillkürten Betriebsvermögen gehören, ist durch eine Vielzahl höchstrichterlicher Entscheidungen (vgl. hierzu z.B. die Nachweise bei Blümich/Wacker, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 4 EStG Rz. 161 und 162) prinzipiell geklärt. Das FG hat unter Beachtung der in der Rechtsprechung des BFH zu diesem Problem entwickelten (abstrakten) Grundsätze die im Streitfall vorliegenden (konkreten) Umstände dahin gehend gewürdigt, dass die vom Kläger erlittenen Vermögensverluste nicht dem betrieblichen Bereich zugeordnet werden können. Streitigkeiten, deren Entscheidung maßgeblich von der Beurteilung der tatsächlichen Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts abhängt, sind indessen nicht i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 (bzw. Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative) FGO grundsätzlich bedeutsam (vgl. z.B. , BFH/NV 2000, 1261; Senatsbeschluss vom X B 70/05, juris Nr: STRE200551664).
3. Aus den unter 1. und 2. dargelegten Erwägungen kommt eine Zulassung der Revision auch nicht wegen der „Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Fortbildung des Rechts” (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) in Betracht (zur Einordnung dieses Zulassungsgrundes als Spezialfall der „Grundsatzrevision” vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 38).
4. Ebenso unschlüssig sind die Rügen der Kläger, dass eine Entscheidung des BFH im Hinblick auf die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
a) Rügt der Beschwerdeführer —wie hier— eine Abweichung des angegriffenen FG-Urteils von Entscheidungen anderer Gerichte, so muss er tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. z.B. , BFH/NV 2002, 1484; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 42).
b) Diesen Anforderungen werden die Divergenzrügen der Kläger nicht gerecht.
aa) Soweit die Kläger beanstanden, das angefochtene Urteil weiche von dem (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2003, 1695) ab, haben sie keinen abstrakten und tragenden Rechtssatz aus der angegriffenen Vorentscheidung herausarbeiten können, welcher von den von ihnen dargelegten Rechtssätzen aus dem (vorgeblichen) Divergenzurteil abweichen soll. Eine „tragende” Abweichung zwischen den beiden Urteilen liegt im Übrigen schon deswegen nicht vor, weil die den Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte —entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht— in wesentlichen —entscheidungserheblichen— Punkten nicht miteinander vergleichbar sind. Wie bereits unter 1. b bb dargelegt, kam es dem FG für die einkommensteuerrechtliche Einordnung des Streitfalles nicht darauf an, ob der Kläger über die Verwendung des von ihm an die Anlagegesellschaften überlassenen Kapitals getäuscht wurde und ob ihm „Scheinrenditen” vorgespiegelt wurden oder nicht.
Abgesehen davon ist die zitierte Divergenzentscheidung des FG Baden-Württemberg durch das BFH-Urteil in BFHE 209, 438, BStBl II 2005, 748 aufgehoben worden und damit „überholt”. Da es aber für das Vorliegen einer Abweichung auf den Stand der Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde ankommt, können solche nicht mehr existierenden Urteile die Zulassung der Revision nicht begründen (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 51, m.w.N.).
bb) Auch soweit es die Rüge der Kläger angeht, das angefochtene FG-Urteil weiche von dem (juris Nr: STRE200372265; Leitsatz veröffentlicht in EFG 2004, 406) ab, haben die Kläger die gebotene Herausarbeitung eines die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatzes unterlassen. Im Übrigen weicht auch hier der dem (angeblichen) Divergenzbeschluss des FG des Saarlandes zugrunde liegende Sachverhalt in entscheidungserheblicher Weise von demjenigen des angefochtenen FG-Urteils ab. So ging es im vorliegenden Streitfall anders als dort —wie schon unter 1. b bb ausgeführt— weder um Gewinnbeteiligungen noch um Scheinrenditen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 777 Nr. 4
OAAAB-76590