Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 119 Nr. 6
Instanzenzug:
Gründe
1. Der Senat kann offen lassen, ob die Beschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), die von beiden mit Schriftsatz vom eingelegt wurde, auch von beiden Klägern —den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechend— begründet worden ist. In der Beschwerdebegründung vom ist lediglich die Klägerin angesprochen. Selbst wenn man zugunsten der Kläger unterstellt, dass die in dem Schriftsatz vom enthaltene Beschwerdebegründung sich auch auf den Kläger beziehen soll, soweit dieser von dem angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) betroffen ist, ist die Beschwerde unzulässig. Die Beschwerdebegründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Darlegung eines Zulassungsgrunds i.S. von § 115 Abs. 2 FGO.
2. Die Klägerin macht geltend, das angefochtene Urteil des FG sei insoweit nicht nachvollziehbar und unverständlich, als aus ihm die aufgrund des Urteils bei der Umsatzsteuer 1992 anzusetzenden Besteuerungsgrundlagen nicht ersichtlich seien. Mit einem solchen Vortrag kann ein Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dargelegt werden. Ein Urteil kann wegen des Verstoßes gegen die Grundordnung des Verfahrens der Aufhebung unterliegen, wenn der Urteilstenor unklar ist und auch unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe nicht in einem bestimmten Sinn ausgelegt werden kann (, BFHE 173, 480, BStBl II 1994, 469, und vom V R 60/98, BFH/NV 1999, 1521).
Einen solchen Verfahrensfehler hat die Klägerin im Streitfall nicht schlüssig gerügt. Aus den zur Auslegung des Tenors ergänzend heranzuziehenden Urteilsgründen ist ersichtlich, dass das FG die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 1992 angesetzten Umsatzerlöse im Ergebnis nicht beanstandet hat. Zwar hat das FG im Abschn. 2.1 der Urteilsgründe zunächst ausgeführt, das FA habe in diesem Jahr zu Unrecht Umsatzerlöse von 169 514,83 DM angesetzt. Diese Aussage des FG ist zwar für sich genommen mehrdeutig. Aus seinen nachstehenden Ausführungen ist jedoch ersichtlich, dass das FG lediglich beanstandet hat, dass das FA eine Provision, welche die Klägerin vereinnahmt und anteilig an einen Dritten aus betrieblichen Gründen weitergeleitet hatte, nur mehr als Einnahme, nicht aber als Provisionsaufwand berücksichtigt hat. Das FG hat demgemäß zum Ausdruck gebracht, dass der Betrag von 5 250 DM, welcher in der den Provisionsaufwand betreffenden Rechnung ausgewiesen war, beim Vorsteuerabzug 1992 zu berücksichtigen ist. Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass das FA dieser Vorgabe ausweislich des von der Klägerin im Beschwerdeverfahren vorgelegten geänderten Umsatzsteuerbescheids vom auch nachgekommen ist. Es hat in diesem Bescheid den Betrag der abziehbaren Vorsteuerbeträge gegenüber demjenigen, der im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid enthalten war, um 5 250 DM sowie um den aus dem Tenor des Urteils des FG ebenfalls zuerkannten Vorsteuerbetrag von 183,93 DM erhöht.
3. Die Kläger tragen vor, das FG habe die im finanzgerichtlichen Verfahren gestellten Anträge nicht beachtet. Soweit sie hiermit auch geltend machen wollen, das FG habe nicht über alle selbständigen Angriffs- oder Verteidigungsmittel entschieden, haben sie nicht schlüssig das Vorliegen eines Verfahrensfehlers i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gerügt. Zwar ist ein Urteil dann (teilweise) i.S. von § 119 Nr. 6 FGO nicht mit Gründen versehen, wenn das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat (, juris Nr: STRE200451225; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 119 Rz. 25, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Die schlüssige Rüge dieses Verfahrensfehlers setzt aber voraus, dass konkret unter Hinweis auf die jeweilige Fundstelle —z.B. der genauen Bezeichnung des hierzu beim FG eingereichten Schriftsatzes— dargelegt wird, mit welchem Vorbringen sich das FG nicht befasst haben soll.
Im Streitfall ergibt sich bereits aus dem eigenen Vorbringen der Kläger in der Beschwerdebegründung, soweit sich diese auf die vorliegend zu beurteilenden streitigen Einkommensteuerbescheide 1992 bis 1994, den Gewerbesteuermessbescheid 1992, sowie den Umsatzsteuerbescheid 1993 bezieht, dass das FG keinen wesentlichen Gesichtspunkt übergangen hat. Dies gilt nicht nur für die unter Ziff. 5 bis 9 der Beschwerdebegründungsschrift genannten Aufwendungen, sondern auch für die streitigen Erlöse der Jahre 1992 und 1993. Aus dem Urteil ergibt sich, dass sich das FG hinsichtlich des Jahres 1992 mit der Höhe der anzusetzenden Erlöse und den damit zusammenhängenden Betriebsausgaben befasst und die von ihm angestellten Erwägungen (S. 12 f. des Urteils) offen gelegt hat. Hinsichtlich des Streitjahrs 1993 hat das FG (S. 14 f. des Urteils) aufgezeigt, aus welchen Gründen die vom FA vorgenommene Hinzuschätzung rechtlich zulässig war. Soweit die Kläger nunmehr vorbringen, eine erneute Überprüfung habe ergeben, bestimmte Provisionserlöse seien im Jahr 1992 und im Jahr 1993 und somit doppelt erfasst worden, haben sie nicht aufgezeigt, dass dies bereits Gegenstand ihres Vortrags im finanzgerichtlichen Verfahren gewesen wäre. Tatsachen, die von den Beteiligten erstmals im Revisionsverfahren oder im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vorgetragen werden, darf der BFH nicht berücksichtigen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz. 36, unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BFH).
4. Mit ihrem Vorbringen, das FG habe zu Unrecht bestimmte Aufwendungen (Fahrrad, Seminargebühren, Präsentationswerbung) nicht als mit dem Einzelunternehmen der Klägerin im Zusammenhang stehende Betriebsausgaben anerkannt, zeigen die Kläger keinen Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO auf. Der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO ist nicht bereits dann gegeben, wenn in einem finanzgerichtlichen Urteil zu Unrecht der Betriebsausgabenabzug versagt wird. Er setzt —wenn er, wie hier, nicht auf eine schlüssige Divergenzrüge gestützt wird— voraus, dass das Urteil unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint und sich daher aufdrängt, es beruhe auf sachfremden Erwägungen (, juris Nr: StRE200450450). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall ersichtlich nicht gegeben.
a) Zum Fahrrad hat das FG ausgeführt, es sei nicht nachgewiesen, dass der Umfang der betrieblichen Nutzung im Vergleich zur Gesamtnutzung nicht nur in geringfügigem Umfang gegeben gewesen sei. Eine Zuordnung des Fahrrads zum notwendigen oder gewillkürten Betriebsvermögen der Klägerin scheide deshalb aus. Diese Ausführungen weisen nicht auf sachfremde Erwägungen des FG hin.
b) Auch soweit das FG die Gebühren für ein Seminar deshalb nicht zum Abzug zugelassen hat, weil nicht nachgewiesen sei, um welche Art von Seminargebühren es sich gehandelt habe, ist dies nicht zu beanstanden.
c) Gleiches gilt, soweit das FG den Abzug von Aufwendungen für eine Werbemaßnahme als Betriebsausgabe im Einzelunternehmen der Klägerin mit der Begründung versagt hat, die Rechnung sei an eine Sozietät gerichtet gewesen und habe nach dem Werbetext auch diese Sozietät betroffen.
5. Wenn die Kläger beanstanden, das FG habe den Anteil der privaten Nutzung des betrieblichen PKW sowie des betrieblichen Telefons zu hoch bemessen, werden die Voraussetzungen des § 115 Abs. Nr. 2 2. Alternative FGO in der beschwerderechtlich gebotenen Art und Weise nicht dargelegt. Die Kläger berücksichtigen nicht, dass der Umfang der privaten Kraftfahrzeugnutzung nach der vor In-Kraft-Treten der Sonderregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes 1996 gegebenen Rechtslage zu schätzen ist, wenn der regelmäßig durch Führung eines Fahrtenbuchs nachzuweisende Umfang der betrieblichen Nutzung nicht erbracht ist (, BFH/NV 2003, 302). Die Kläger behaupten in ihrer Beschwerdebegründung lediglich, die Schätzung der Privatnutzung mit 30 % werde den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. Sie zeigen jedoch nicht auf, weshalb diese Schätzung unvertretbar sein soll. Gleiches gilt, soweit die Kläger den Ansatz eines monatlichen privaten Telefonkostenanteils von 35 DM beanstanden.
6. Die von den Klägern beanstandete Streitwertfestsetzung ist durch den erkennenden Senat nicht zu überprüfen. Gegen einen Beschluss, mit dem der Streitwert festgesetzt wird, kann nach § 25 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 3 des Gerichtskostengesetzes in der bis gültigen Fassung keine Beschwerde an den BFH erhoben werden. Auch eine außerordentliche Beschwerde ist im Streitfall nicht statthaft. Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine solche trotz der mit Wirkung vom eingeführten Anhörungsrüge des § 133a FGO weiterhin zulässig ist (, BFH/NV 2005, 2130), kommt sie im Streitfall nicht in Betracht. Eine außerordentliche Beschwerde ist nur gegeben, wenn die Entscheidung des FG objektiv greifbar gesetzeswidrig ist. Das Vorliegen einer solchen greifbaren Gesetzeswidrigkeit haben die Kläger nicht schlüssig gerügt. Sie haben lediglich vorgetragen, der Streitwert sei höher festzusetzen. Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang begehren, die vom getroffene Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu überprüfen, wertet der Senat dies nicht als eigenständigen Antrag, weil eine Beschwerde insoweit gemäß § 128 Abs. 2 FGO nicht statthaft ist und auch nicht dargelegt ist, dass die Voraussetzungen einer außerordentlichen Beschwerde gegeben sind.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 580 Nr. 3
ZAAAB-73870