EuGH Urteil v. - C-515/99

Zweitwohnsteuer: Anzeige und vorherige Genehmigung des Erwerbs von Baugrundstücken

Leitsatz

[1] 1. Der Gerichtshof ist zwar im Verfahren nach Artikel 234 EG nicht befugt, die Normen des Gemeinschaftsrechts auf einen Einzelfall anzuwenden, und er ist somit auch nicht dafür zuständig, eine Bestimmung des innerstaatlichen Rechts unter jene Normen einzuordnen; er kann aber das Gemeinschaftsrecht im Rahmen der durch diesen Artikel vorgesehenen Zusammenarbeit zwischen den Gerichten anhand der Akten insoweit auslegen, als dies dem innerstaatlichen Gericht bei der Beurteilung der Wirkungen dieser Bestimmung dienlich sein könnte.

( vgl. Randnr. 22 )

2. Der Umstand, dass ein Ausgangsverfahren mit keinem Element über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinausweist, hat nicht zur Folge, dass die Fragen, die dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorliegen, nicht zu beantworten wären. Grundsätzlich ist es allein Sache der nationalen Gerichte, unter Berücksichtigung des jeweiligen Sachverhalts sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass ihres Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Der Gerichtshof kann das Ersuchen eines nationalen Gerichts nur zurückweisen, wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der erbetenen Auslegung oder Prüfung der Gültigkeit einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts und der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens besteht.

( vgl. Randnrn. 24-25 )

3. Innerstaatliche Regelungen des Grundstückserwerbs, durch die die Errichtung von Zweitwohnungen in bestimmten Gebieten aus raumplanerischen Erfordernissen untersagt wird, müssen sich im Rahmen der Vorschriften des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr halten.

Zum einen führt nämlich die Ausübung des Rechts, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats Immobilien zu erwerben, zu nutzen und darüber zu verfügen, das, wie sich aus Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe e EG ergibt, die notwendige Ergänzung der Niederlassungsfreiheit darstellt, zu Kapitalverkehr.

Zum anderen umfasst der Kapitalverkehr Vorgänge, durch die Personen im Gebiet eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ihren Wohnsitz haben, Investitionen in Immobilien tätigen; dies ergibt sich aus der Nomenklatur für den Kapitalverkehr im Anhang I der Richtlinie 88/361 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages [der durch den Vertrag von Amsterdam aufgehoben wurde], die ihren Hinweischarakter für die Definition des Begriffes des Kapitalverkehrs behält.

( vgl. Randnrn. 28-30 )

4. Die Artikel 56 EG bis 60 EG stehen einem Verfahren der vorherigen Anzeige, wie es in der durch das Salzburger Grundverkehrsgesetz 1997 (Salzburger GVG) geschaffenen Regelung des Grundstückserwerbs vorgesehen ist, nicht entgegen, das jeden Grundstückserwerber der Verpflichtung unterwirft, eine Erklärung abzugeben, in der er angibt, dass er Österreicher oder Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist, und erklärt, dass er das Grundstück als Hauptwohnsitz oder zu gewerblichen Zwecken nutzen wird.

Zwar beschränkt diese Maßnahme bereits durch ihren Gegenstand den freien Kapitalverkehr. Eine solche Beschränkung kann gleichwohl zugelassen werden, wenn die nationalen Vorschriften, wie die streitige Regelung, in nicht diskriminierender Weise ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgen und wenn sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten, d. h., wenn sich das gleiche Ergebnis mit anderen, weniger einschneidenden Maßnahmen nicht erreichen ließe.

Hinsichtlich der ersten Voraussetzung können Beschränkungen der Errichtung von Zweitwohnungen in einem bestimmten geografischen Gebiet, die ein Mitgliedstaat in Verfolgung raumplanerischer Ziele zur Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung und einer vom Tourismus unabhängigen Wirtschaftstätigkeit verfügt, als Beitrag zu einem im Allgemeininteresse liegenden Ziel angesehen werden. Diese Feststellung kann durch andere Anliegen, die diesen Maßnahmen zugrunde liegen können, wie solche des Umweltschutzes, nur erhärtet werden. Außerdem ergibt sich aus den Vorschriften des Salzburger GVG, dass sie keine Ungleichbehandlung von österreichischen Erwerbern und Personen, die ihren Wohnsitz in anderen Mitgliedstaaten haben und die vom Vertrag garantierten Freiheiten in Anspruch nehmen, bewirken.

Hinsichtlich der zweiten Voraussetzung steht das aus raumplanerischen Gründen aufgestellte Erfordernis einer dem Erwerb von Baugrundstücken vorausgehenden Erklärung, das mit der Möglichkeit von Sanktionen im Fall des Verstoßes gegen die abgegebene Erklärung bewehrt ist, mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang. Das Verfahren nach dem Salzburger GVG hat grundsätzlich im Wesentlichen Erklärungscharakter. Das Minimalerfordernis einer vorherigen Anzeige hat im Unterschied zu Kontrollverfahren, die erst nachträglich durchgeführt werden, den Vorteil, dass es dem Erwerber eine gewisse Rechtssicherheit bietet. Außerdem erscheint eine vorherige Prüfung besser geeignet, bestimmten schwer wieder gutzumachenden Schäden vorzubeugen, die durch eine schnelle Verwirklichung von Bauvorhaben verursacht werden. So kann in der Formalität der vorherigen Anzeige eine Ergänzung der Strafsanktionen und der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Veräußerung, die die Verwaltung beim nationalen Gericht erheben kann, gesehen werden. Unter diesen Umständen kann dieser Aspekt des durch das Salzburger GVG errichteten Verfahrens als mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar angesehen werden.

Demgegenüber stehen die Artikel 56 EG bis 60 EG einem Verfahren der vorherigen Genehmigung, wie es in dieser Regelung vorgesehen ist, die den Erwerb eines Grundstücks einer vorherigen Genehmigung unterwirft, wenn aufgrund der dargestellten Erklärung keine Bestätigung der zuständigen Behörde erteilt wurde, entgegen.

Die sich aus dem Erfordernis einer vorherigen Genehmigung ergebenden Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs können nämlich durch ein angemessenes Anmeldungssystem beseitigt werden, ohne dass dadurch die wirksame Verfolgung der Ziele beeinträchtigt wird, die mit dieser Regelung angestrebt werden.

( vgl. Randnrn. 32-37, 40 und Tenor )

Gesetze: EG Art. 44 Abs. 2 Buchst. e; EG Art. 56; EG Art. 57; EG Art. 58; EG Art. 59; EG Art. 60; Richtlinie 88/361 Anhang I

Gründe

1 Der Unabhängige Verwaltungssenat Salzburg hat dem Gerichtshof mit zweiundzwanzig Beschlüssen vom , die am bei diesem eingegangen sind, zwei Fragen zur Auslegung der Artikel 56 EG bis 60 EG vorgelegt.

2 Die erste Frage stellt sich in den Rechtssachen C-515/99 und C-527/99 bis C-540/99 im Rahmen von Klagen gegen Bescheide des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg, mit denen eine Geldstrafe wegen verspäteter Anzeige nach dem Salzburger Grundverkehrsgesetz 1997 (Salzburger LGBl Nr. 11/97, im Folgenden: Salzburger GVG) beim Grundverkehrsbeauftragten des Landes Salzburg verhängt wurde.

3 Die zweite Frage stellt sich in den Rechtssachen C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 im Rahmen von Berufungen gegen Bescheide der Grundverkehrslandeskommission des Landes Salzburg (im Folgenden: Grundverkehrslandeskommission), mit denen diese gemäß dem Salzburger GVG die Zustimmung zum Erwerb von Baugrundstücken versagt oder einem solchen Erwerb nur gegen die Leistung einer Sicherheit zugestimmt hatte.

Rechtlicher Rahmen

Das Gemeinschaftsrecht

4 Artikel 56 Absatz 1 EG lautet:

" Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten."

Die nationale Regelung

5 Nach österreichischem Recht wird das Eigentum an einem Grundstück aufgrund einer vom Grundbuchsgericht bewilligten Eintragung erworben, wobei dieses zu prüfen hat, ob eine Zustimmung zu der Übertragung erforderlich ist und, wenn dies der Fall ist, ob diese erteilt worden ist.

6 Im Bundesland Salzburg bestimmt § 12 Salzburger GVG, dass bestimmte Rechtsgeschäfte, die Baugrundstücke betreffen, wie die Übertragung des Eigentums oder die Einräumung eines Baurechts, nur zulässig sind, wenn der Erwerber das Geschäft anzeigt und eine Erklärung abgibt, in der er erstens angibt, dass er Österreicher oder Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist und eine der vom EG-Vertrag oder dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum garantierten Freiheiten in Anspruch nimmt. Er muss zweitens erklären, dass er das Grundstück als Hauptwohnsitz oder zu gewerblichen Zwecken nutzen wird. Die Nutzung des Grundstücks als Zweitwohnung ist nur dann möglich, wenn das Grundstück bereits vor dem in dieser Weise genutzt worden ist oder wenn es in einem Gebiet liegt, in dem die Errichtung von Zweitwohnungen gestattet ist.

7 Über diese Erklärung und Anzeige stellt der Grundverkehrsbeauftragte eine Bestätigung aus. Er kann die Ausstellung der Bestätigung nur dann ablehnen, wenn er Grund zu der Befürchtung hat, dass das Grundstück nicht gemäß der Erklärung genutzt werden wird, oder wenn der Erwerb nicht mit dem Zweck des Salzburger GVG in Einklang steht. In diesem Fall verweist er den Erwerber an die Grundverkehrslandeskommission, die die Zustimmung zu der Übertragung erteilt, wenn sie geprüft hat, dass die vorgenannten, das Verbot der Nutzung als Zweitwohnung betreffenden materiellen Voraussetzungen erfüllt sind.

8 Ohne die Bestätigung des Grundverkehrsbeauftragten oder die Zustimmung der Grundverkehrslandeskommission können im Bundesland Salzburg keine Baugrundstücke erworben werden.

9 Gemäß § 19 Salzburger GVG ist der Erwerber verpflichtet, das Grundstück gemäß der Erklärung nach § 12 zu nutzen. Diese Vorschrift ermöglicht auch eine Zustimmung der Grundverkehrslandeskommission unter Auflagen und Bedingungen, namentlich gegen Leistung einer finanziellen Sicherheit in Höhe eines Betrages, der den Kaufpreis oder den Wert des Grundstücks nicht übersteigen darf, um sicherzustellen, dass der Erwerber das Grundstück der vorgesehenen Nutzung zuführt.

10 § 36 Salzburger GVG legt die Fristen fest, innerhalb deren der Erwerber den Rechtserwerb anzeigen muss.

11 Nach § 42 Salzburger GVG kann der Grundverkehrsbeauftragte beim nationalen Gericht Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Grundstücksgeschäfts erheben, wenn dieses auf eine Umgehung des Salzburger GVG gerichtet ist.

12 § 43 Salzburger GVG sieht u. a. für den Fall, dass der Erwerber keine Anzeige vorgenommen oder keine Zustimmung beantragt hat oder das Grundstück einer unzulässigen Nutzung zuführt, Geldstrafe bis zu 500 000 ATS sowie Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen vor.

Die Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen

13 In den Rechtssachen C-515/99 und C-527/99 bis C-540/99 verhängte der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg gegen die Kläger jeweils eine Geldstrafe, da sie dem Grundverkehrsbeauftragten nicht innerhalb der in § 36 Salzburger GVG vorgesehenen Frist ein Rechtsgeschäft über den Erwerb von Baugrundstücken angezeigt hatten. Die Kläger erhoben gegen diese Bescheide Berufung beim Unabhängigen Verwaltungssenat Salzburg.

14 In den Rechtssachen C-519/99 bis C-522/99 und C-526/99 wurde die für die Veräußerung eines Baugrundstücks erforderliche Zustimmung in der ersten Instanz von der Grundverkehrslandeskommission nicht erteilt, und die Erwerber erhoben gegen diese Bescheide Berufung beim Unabhängigen Verwaltungssenat Salzburg.

15 In den Rechtssachen C-523/99 und C-524/99 wurde die Zustimmung zum Erwerb eines Baugrundstücks erteilt, die Grundverkehrslandeskommission verfügte jedoch die in § 19 Absatz 3 Salzburger GVG vorgesehene Leistung einer Sicherheit. Die Grundstückserwerber erhoben gegen diese Bescheide beim Unabhängigen Verwaltungssenat Salzburg Berufung.

16 Angesichts des Urteils vom in der Rechtssache C-302/97 (Konle, Slg. 1999, I-3099), in dem es um die Rechtsvorschriften des Bundeslandes Tirol betreffend Grundstücksgeschäfte ging, stellt sich für das vorlegende Gericht die Frage, ob das Erfordernis einer vorherigen Anzeige/Genehmigung für den Erwerb von Baugrundstücken und die Strafvorschriften, mit denen dieses Erfordernis bewehrt ist, mit den Grundfreiheiten des Vertrages vereinbar sei.

17 Daher hat der Unabhängige Verwaltungssenat Salzburg den Gerichtshof um Vorabentscheidung über folgende Fragen ersucht:

In den Rechtssachen C-515/99 und C-527/99 bis C-540/99:

Sind die Bestimmungen der Artikel 56 ff. EG so auszulegen, dass sie der Anwendung der §§ 12, 36 und 43 des Salzburger Grundverkehrsgesetzes 1997 in der Fassung LGBl Nr. 11/1999, wonach jemand, der im Bundesland Salzburg ein Grundstück erwerben will, den Grundstückserwerb einem Anzeige- bzw. Genehmigungsverfahren zu unterziehen hat, entgegenstehen und dadurch im vorliegenden Fall der Rechtserwerber in einer durch Rechtsvorschriften der Europäischen Union garantierten Grundfreiheit verletzt ist?

In den Rechtssachen C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99:

Sind die Bestimmungen der Artikel 56 ff. EG so auszulegen, dass sie der Anwendung der §§ 12 bis 14 des Salzburger Grundverkehrsgesetzes 1997 in der Fassung des LGBl Nr. 11/1999, wonach jemand, der im Bundesland Salzburg ein Baugrundstück erwerben will, den Grundstückserwerb einem Anzeige- bzw. Genehmigungsverfahren zu unterziehen hat, entgegenstehen und dadurch im vorliegenden Fall der Rechtserwerber in einer durch Rechtsvorschriften der Europäischen Union garantierten Grundfreiheit verletzt ist?

18 Die Rechtssachen C-515/99 und C-527/99 bis C-540/99 wurden mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden. Die Rechtssachen C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 wurden ebenfalls mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 24. Februar 2000 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

19 Für das vorliegende Urteil sind alle diese Rechtssachen zu verbinden.

Zu den Vorlagefragen

Zulässigkeit

20 Die GWP Gewerbeparkentwicklung GmbH ist zum einen der Auffassung, dass die Vorlagefrage in den Rechtssachen C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 unzulässig sei, da sie sich nicht auf die Auslegung des Vertrages beziehe, sondern auf die Auslegung oder die Beurteilung der Gültigkeit der Vorschriften des Salzburger GVG, was ausschließlich Sache des nationalen Richters sei.

21 Zum anderen betreffe der Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens, in dem sie Partei sei, nur die Voraussetzungen des Erwerbs eines in Österreich belegenen Grundstücks durch eine österreichische Gesellschaft und weise keinerlei Verbindung mit dem Gemeinschaftsrecht auf, sondern betreffe einen rein internen Sachverhalt, so dass die Vorlage unzulässig sei.

22 Zu der ersten Rüge ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof zwar im Verfahren nach Artikel 234 EG nicht befugt ist, die Normen des Gemeinschaftsrechts auf einen Einzelfall anzuwenden, und dass er somit auch nicht dafür zuständig ist, eine Bestimmung des innerstaatlichen Rechts unter jene Normen einzuordnen; er kann aber das Gemeinschaftsrecht im Rahmen der durch diesen Artikel vorgesehenen Zusammenarbeit zwischen den Gerichten anhand der Akten insoweit auslegen, als dies dem innerstaatlichen Gericht bei der Beurteilung der Wirkungen dieser Bestimmung dienlich sein könnte (Urteil vom in der Rechtssache 20/87, Gauchard, Slg. 1987, 4879, Randnr. 5).

23 In den Ausgangsverfahren ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um die Auslegung von Bestimmungen des Vertrages nur, um festzustellen, ob die Wirkungen der von ihm anzuwendenden nationalen Vorschriften von diesen Vertragsbestimmungen abhängen können. Es kann also nicht behauptet werden, dass die Vorlagefrage in jeder dieser Rechtsstreitigkeiten einen anderen Gegenstand als die Auslegung der Bestimmungen des Vertrages habe.

24 Hinsichtlich der zweiten Rüge ergibt sich aus den Verfahrensakten, dass die Ausgangsverfahren mit keinem Element über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinausweisen, was im Übrigen auch nicht bestritten wird. Eine nationale Regelung wie die des Salzburger GVG, die unterschiedslos auf österreichische Staatsangehörige und Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften anwendbar ist, kann aber nur dann Vertragsbestimmungen über die Grundfreiheiten betreffen, wenn sie auf Sachlagen anwendbar ist, die eine Verbindung zum innergemeinschaftlichen Handel aufweisen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom in der Rechtssache 286/81, Oosthoek's Uitgeversmaatschappij, Slg. 1982, 4575, Randnr. 9, und vom in der Rechtssache 98/86, Mathot, Slg. 1987, 809, Randnrn. 8 und 9).

25 Das hat jedoch nicht zur Folge, dass die Fragen, die dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorliegen, nicht zu beantworten wären. Grundsätzlich ist es allein Sache der nationalen Gerichte, unter Berücksichtigung des jeweiligen Sachverhalts sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass ihres Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen (vgl. Urteil vom in der Rechtssache C-448/98, Guimont, Slg. 2000, I-10663, Randnr. 22). Der Gerichtshof kann das Ersuchen eines nationalen Gerichts nur zurückweisen, wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der erbetenen Auslegung oder Prüfung der Gültigkeit einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts und der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens besteht (vgl. Urteil vom in der Rechtssache C-281/98, Angonese, Slg. 2000, I-4139, Randnr. 18).

26 Im vorliegenden Fall ist nicht offenkundig, dass die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts für das nationale Gericht nicht erforderlich wäre. Eine Antwort könnte ihm nämlich dann von Nutzen sein, wenn sein nationales Recht vorschriebe, dass einem österreichischen Staatsangehörigen die gleichen Rechte zustehen, die dem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats in der gleichen Lage kraft Gemeinschaftsrechts zustünden (Urteil Guimont, Randnr. 23).

27 Daher ist zu prüfen, ob die Bestimmungen des Vertrages, um deren Auslegung ersucht wird, im Widerspruch zur Anwendung einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren streitigen stehen, wenn diese Regelung auf Personen angewandt würde, die ihren Wohnsitz in anderen Mitgliedstaaten haben.

Zur Sache

28 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass innerstaatliche Regelungen des Grundstückserwerbs, durch die die Errichtung von Zweitwohnungen in bestimmten Gebieten aus raumplanerischen Erfordernissen untersagt wird, sich im Rahmen der Vorschriften des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr halten müssen (Urteil Konle, Randnr. 22).

29 Zum einen führt nämlich die Ausübung des Rechts, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats Immobilien zu erwerben, zu nutzen und darüber zu verfügen, das, wie sich aus Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe e EG ergibt, die notwendige Ergänzung der Niederlassungsfreiheit darstellt (Urteil vom in der Rechtssache 305/87, Kommission/Griechenland, Slg. 1989, 1461, Randnr. 22), zu Kapitalverkehr.

30 Zum anderen umfasst der Kapitalverkehr Vorgänge, durch die Personen im Gebiet eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ihren Wohnsitz haben, Investitionen in Immobilien tätigen; dies ergibt sich aus der Nomenklatur für den Kapitalverkehr im Anhang I der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages [der durch den Vertrag von Amsterdam aufgehoben wurde] (ABl. L 178, S. 5), die ihren Hinweischarakter für die Definition des Begriffes des Kapitalverkehrs behält (vgl. Urteile vom in der Rechtssache C-222/97, Trummer und Mayer, Slg. 1999, I-1661, Randnr. 21, und vom in der Rechtssache C-464/98, Stefan, Slg. 2001, I-173, Randnr. 5).

31 Dem Ersuchen des vorlegenden Gerichts entsprechend ist daher die Tragweite der in den Ausgangsverfahren streitigen nationalen Maßnahmen in Hinblick auf die Vorschriften der Artikel 56 EG bis 60 EG zu prüfen.

32 Es steht fest, dass die genannten Maßnahmen, durch die ein Verfahren der vorherigen Anzeige/Genehmigung des Erwerbs von Baugrundstücken eingeführt wird, bereits durch ihren Gegenstand den freien Kapitalverkehr beschränken (vgl. in diesem Sinne Urteil Konle, Randnr. 39).

33 Solche Beschränkungen können gleichwohl zugelassen werden, wenn die nationalen Vorschriften in nicht diskriminierender Weise ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgen und wenn sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten, d. h., wenn sich das gleiche Ergebnis mit anderen, weniger einschneidenden Maßnahmen nicht erreichen ließe.

34 Hinsichtlich der ersten Voraussetzung ergibt sich aus Randnummer 40 des Urteils Konle, dass Beschränkungen der Errichtung von Zweitwohnungen in einem bestimmten geografischen Gebiet, die ein Mitgliedstaat in Verfolgung raumplanerischer Ziele zur Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung und einer vom Tourismus unabhängigen Wirtschaftstätigkeit verfügt, als Beitrag zu einem im Allgemeininteresse liegenden Ziel angesehen werden können. Diese Feststellung kann durch andere Anliegen, die diesen Maßnahmen zugrunde liegen können, wie solche des Umweltschutzes, nur erhärtet werden. Außerdem ergibt sich aus den Vorschriften des Salzburger GVG, dass sie keine Ungleichbehandlung von österreichischen Erwerbern und Personen, die ihren Wohnsitz in anderen Mitgliedstaaten haben und die vom Vertrag garantierten Freiheiten in Anspruch nehmen, bewirken.

35 Zu der zweiten Voraussetzung hat der Gerichtshof in den Randnummern 44 bis 48 des Urteils Konle ausgeführt, dass das aus raumplanerischen Gründen aufgestellte Erfordernis einer dem Erwerb von Baugrundstücken vorausgehenden Erklärung, das mit der Möglichkeit von Sanktionen im Fall des Verstoßes gegen die abgegebene Erklärung bewehrt ist, mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang steht. Das Verfahren nach dem Salzburger GVG hat grundsätzlich im Wesentlichen Erklärungscharakter.

36 Wie die österreichische Regierung vorträgt, muss der Grundverkehrsbeauftragte nur dann, wenn aus seiner Sicht zu befürchten ist, dass das Grundstück nicht in rechtmäßiger Weise genutzt werden wird, den Erwerber an die Grundverkehrslandeskommission verweisen, um für das Rechtsgeschäft ein Genehmigungsverfahren durchführen zu lassen. Dieses Minimalerfordernis einer vorherigen Anzeige hat im Unterschied zu Kontrollverfahren, die erst nachträglich durchgeführt würden, den Vorteil, dass es dem Erwerber eine gewisse Rechtssicherheit bietet. Außerdem erscheint eine vorherige Prüfung besser geeignet, bestimmten schwer wieder gutzumachenden Schäden vorzubeugen, die durch eine schnelle Verwirklichung von Bauvorhaben verursacht werden. So kann in der Formalität der vorherigen Anzeige eine Ergänzung der Strafsanktionen und der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Veräußerung, die die Verwaltung beim nationalen Gericht erheben kann, gesehen werden. Unter diesen Umständen kann der erste Aspekt des durch das SalzburgerGVG errichteten Verfahrens als mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar angesehen werden.

37 Hinsichtlich des Verfahrens der vorherigen Genehmigung hat der Gerichtshof demgegenüber bereits festgestellt, dass die sich aus dem Erfordernis einer vorherigen Genehmigung ergebenden Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs durch ein angemessenes Anmeldungssystem beseitigt werden könnten, ohne dass dadurch die wirksame Verfolgung der Ziele beeinträchtigt würde, die mit dieser Regelung angestrebt werden (vgl. Urteile vom in den Rechtssachen C-358/93 und C-416/93, Bordessa u. a., Slg. 1995, I-361, Randnr. 27, und vom in den Rechtssachen C-163/94, C-165/94 und C-250/94, Sanz de Lera u. a., Slg. 1995, I-4821, Randnrn. 26 und 27).

38 In den Ausgangsverfahren kann angesichts der Kontrollmöglichkeit, die die Regelung der vorherigen Anzeige der Verwaltung eröffnet, sowie der Existenz von Strafsanktionen und einer besonderen Nichtigkeitsklage, die vor dem nationalen Gericht erhoben werden kann, wenn das verwirklichte Vorhaben nicht der ursprünglichen Erklärung entspricht, das Verfahren der vorherigen Genehmigung, das allein der Grundverkehrsbeauftragte auf der Grundlage bloßer Vermutungen einleiten kann, nicht als Maßnahme angesehen werden, die zur Verhinderung von Zuwiderhandlungen gegen die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung über Zweitwohnungen absolut unerlässlich wäre. Dies gilt umso mehr, als die zuständigen Behörden die Erteilung der vorherigen Genehmigung von der Einhaltung von Auflagen und Bedingungen, für die das Salzburger GVG keinerlei materiell-rechtlichen Rahmen aufstellt, abhängig machen und vom Erwerber die Leistung einer Sicherheit bis zur Höhe des Wertes des Grundstücks verlangen können.

39 Die Vorschriften des Salzburger GVG über das Verfahren der vorherigen Genehmigung durch die Grundverkehrslandeskommission gehen also sowohl über das, was für die Verfolgung des festgelegten raumplanerischen Zieles erforderlich ist, als auch über die Maßnahmen hinaus, die die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b EG zu treffen berechtigt sind, um Zuwiderhandlungen gegen ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu verhindern.

40 Daher ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, dass die Artikel 56 EG bis 60 EG

- einem Verfahren der vorherigen Anzeige, wie es in der durch das Salzburger GVG geschaffenen Regelung des Grundstückserwerbs vorgesehen ist, nicht entgegenstehen,

- einem Verfahren der vorherigen Genehmigung stehen, wie es in dieser Regelung vorgesehen ist, entgegenstehen.

Kostenentscheidung:

Kosten

41 Die Auslagen der österreichischen und der niederländischen Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
TAAAB-72848

1Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg