Instanzenzug:
Gründe
I. Als Insolvenzverwalter in dem mit Beschluss vom eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin gab der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) für die Schuldnerin im Juni 2002 eine berichtigte Umsatzsteuer-Voranmeldung für das I. Quartal 2002 ab, mit der eine frühere Bemessungsgrundlage gemäß § 17 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1999 um ... € gemindert wurde, was zu einer Überzahlung der Umsatzsteuer in Höhe von ... € führte. Gegen den Erstattungsanspruch erklärte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Aufrechnung mit einer Lohnsteuerforderung in gleicher Höhe und erließ einen entsprechenden Abrechnungsbescheid.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Aufrechnung nicht gegen § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) verstoße, da der Rechtsgrund für den Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch bereits in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegt worden sei.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) stützt.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die von der Beschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe —ungeachtet der Mängel bei der gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Darlegung der Zulassungsvoraussetzungen— jedenfalls nicht vorliegen.
1. Die von der Beschwerde bezeichnete Rechtsfrage, „wann der Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch der Insolvenzmasse insolvenzrechtlich entsteht” bzw. ob er —wie es die Beschwerde meint— im Zeitpunkt der Überzahlung entsteht, ist nicht klärungsbedürftig, da diese Frage durch die Rechtsprechung des beschließenden Senats geklärt ist.
Für die Frage, ob § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO der Aufrechnung durch den Insolvenzgläubiger entgegensteht, ist entscheidend, ob die Hauptforderung ihrem Kern nach bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Damit wird die Aufrechnung gegen steuerrechtliche Forderungen ermöglicht, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwar noch nicht i.S. des § 38 der Abgabenordnung (AO 1977) entstanden, wohl aber insolvenzrechtlich „begründet” sind. Im Insolvenzverfahren des Steuerpflichtigen kommt es nämlich hinsichtlich der Frage, ob ein Anspruch zur Insolvenzmasse gehört (vgl. § 35 InsO) oder ob die Forderung eines Gläubigers eine Insolvenzforderung ist (§ 38 InsO), nicht darauf an, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden war, sondern darauf, ob in diesem Zeitpunkt nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt war. Hierfür können auch zivilrechtliche Umstände maßgeblich sein. Für die Behandlung von Steueransprüchen ergibt sich daraus, dass eine Steuerforderung immer dann Insolvenzforderung i.S. des § 38 InsO ist, wenn sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Weise „begründet” worden ist, dass der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zu der Entstehung der Steueransprüche führt, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist. Nach denselben Grundsätzen muss auch der Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Entstehung, d.h. die Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO) eines steuerrechtlichen Vergütungs- oder Erstattungsanspruchs des Schuldners beurteilt werden (ständige Rechtsprechung, , BFHE 172, 308, BStBl II 1994, 83; vom VII R 68/92, BFH/NV 1994, 521; vom VII R 47/98, BFHE 188, 149, BStBl II 1999, 423; vom VII R 31/99, BFHE 193, 1, BStBl II 2002, 323).
Der beschließende Senat hat auch bereits entschieden, dass kein Anlass besteht, diese auf der Grundlage der Vorschriften der Konkursordnung (KO) entwickelte Rechtsprechung unter der Geltung der InsO zu ändern, da der in § 3 Abs. 1 KO verwendete Begriff des zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens „begründeten Vermögensanspruchs” sich in gleicher Weise in § 38 InsO findet und kein Grund erkennbar ist, diesen Begriff nach dem In-Kraft-Treten der InsO anders auszulegen (, BFHE 208, 10, BStBl II 2005, 195; vom VII R 75/03, BFHE 208, 296; vom VII R 74/04, BFH/NV 2005, 1745).
Im Streitfall ist das FG von der —offenbar unbestrittenen— Tatsache ausgegangen, dass die Änderung der Bemessungsgrundlage in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das I. Quartal 2002 einen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens getätigten steuerpflichtigen Umsatz der Schuldnerin betraf. Daher ist auch der Rechtsgrund für den streitigen Erstattungsanspruch bereits in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegt worden, nämlich durch die Besteuerung des für die Lieferung oder sonstigen Leistung vereinbarten Entgelts, durch die der Steuerschuldner einen aufschiebend bedingten Erstattungsanspruch erlangt, der auf eine Korrektur der ursprünglichen Umsatzsteuerschuld abzielt (vgl. Senatsurteil vom VII R 11/84, BFH/NV 1987, 707). Dass die entsprechende Berichtigung der Bemessungsgrundlage für den Besteuerungszeitraum vorgenommen wurde, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten war, beruhte auf der umsatzsteuerrechtlichen Sonderregelung des § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG 1999 und führt nicht etwa zu der Annahme, dass das FA erst in diesem Besteuerungszeitraum, in dem die Berichtigung der früheren Bemessungsgrundlage vorgenommen wurde, den daraus resultierenden Erstattungsanspruch i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO „zur Insolvenzmasse schuldig” wurde (vgl. Senatsurteil vom VII R 20/04, BFHE 209, 13). Eine „doppelte Zahlung”, wie sie die Beschwerde als Rechtsgrund für den Erstattungsanspruch der Insolvenzmasse geltend macht, hat das FG nicht festgestellt.
2. Im Hinblick auf das liegt auch der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht vor. Das FG Berlin hat in jenem Urteil —ausgehend von der Rechtsprechung des beschließenden Senats— in einem besonders gelagerten Fall entschieden, dass der Rechtsgrund eines bestimmten Umsatzsteuer-Erstattungsanspruchs nicht in der Verrechnung mit der geleisteten Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung, sondern in der Zahlung einer nicht geschuldeten Steuer zu sehen sei. Diese Einzelentscheidung erfordert —selbst wenn sie rechtlich nicht zutreffend sein sollte— keine Revisionsentscheidung im Streitfall zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung durch die FG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 369 Nr. 2
WAAAB-71687