Instanzenzug: FG des Landes Brandenburg Urteil vom 5 K 785/03 (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Über das Vermögen der X-GmbH (Schuldnerin) wurde am das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zur Verwalterin bestellt.
Aufgrund im Jahr 2000 geänderter Körperschaftsteuerveranlagungen für die Jahre 1993 bis 1995 und des darauf basierenden Verlustrücktrags von 1995 auf 1993 ergab sich zugunsten der Schuldnerin für 1993 ein Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 1 922 DM (Körperschaftsteuer 1 562 DM und Zinsen zur Körperschaftsteuer 360 DM). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) buchte die am fälligen Guthaben auf rückständige Steuerschulden der Schuldnerin (Lohnsteuer Mai 1995, Juli 1995; Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer Mai 1995, Juli 1995, März 1996; Lohnkirchensteuer Juli 1995) um und brachte dies der Klägerin mit maschineller Umbuchungsmitteilung vom zur Kenntnis.
Die Umbuchungsmitteilung hat im Wesentlichen folgenden Inhalt:
„Sehr geehrte Steuerzahlerin, sehr geehrter Steuerzahler!
es wurde wie folgt umgebucht (Kontostand vom ): ...
Sollten Sie mit den Buchungen nicht einverstanden sein, geben Sie bitte umgehend die beanstandeten Buchungen sowie Ihre Buchungswünsche mit Steuernummer, Steuerart/Abgabeart, Zeitraum und Betrag an. Eine Berücksichtigung Ihrer Buchungswünsche ist im Regelfall nur bei vorgenommenen Buchungen auf noch nicht fällige Forderungen möglich. ...”
Mit Schreiben vom rechnete die Klägerin ihrerseits mit dem Erstattungsanspruch aus zu viel entrichteter Körperschaftsteuer für 1993 nebst Zinsen gegen eine Forderung des FA aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das IV. Quartal 1997 auf. Daraufhin teilte das FA mit, dass die Verrechnung laut Umbuchungsmitteilung vom bestehen bleibe, weil das Schreiben der Klägerin vom später vorgelegen habe als die Aufrechnungserklärung des FA.
Mit Abrechnungsbescheid vom stellte das FA das Erlöschen des Körperschaftsteuer-Erstattungsanspruchs für 1993 aufgrund der erfolgten Aufrechnung vom fest und erstattete der Klägerin die Zinsen zur Körperschaftsteuer 1993. Der hiergegen erhobene Einspruch sowie die Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 89 veröffentlicht.
Mit der Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die streitgegenständliche Umbuchungsmitteilung sei nicht als Aufrechnungserklärung aufzufassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) komme es entscheidend darauf an, dass sich der Wille zur Tilgung und Verrechnung klar und unzweideutig aus der Aufrechnungserklärung ergebe. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall. Der ausdrückliche Hinweis des FA in seiner Umbuchungsmitteilung darauf, dass grundsätzlich andere Buchungswünsche möglich seien, könne nur so verstanden werden, dass es sich dabei um eine Art Vorschlag bzw. Angebot handele. Der Eintritt der Rechtsfolgen solle danach von der Zustimmung bzw. Annahme des Empfängers der Umbuchungsmitteilung abhängig sein.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und den Abrechnungsbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahin zu ändern, dass die Wirksamkeit der ihrerseits am erklärten Aufrechnung festgestellt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat zu Recht erkannt, dass der angefochtene Abrechnungsbescheid rechtmäßig ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Der von der Klägerin zur Aufrechnung gestellte Körperschaftsteuer-Erstattungsanspruch der Schuldnerin ist bereits durch wirksame Aufrechnung des FA erloschen.
1. Aufgrund der von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen, die für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), ist davon auszugehen, dass der Schuldnerin für 1993 ein Körperschaftsteuer-Erstattungsanspruch in Höhe von 1 562 DM zustand, dass diesem Anspruch Steuerforderungen des FA (Lohnsteuer Mai und Juli 1995) in mindestens gleicher Höhe gegenüberstanden und dass die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 der Abgabenordnung —AO 1977— i.V.m. §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—) vorlagen. Hiervon gehen auch übereinstimmend die Beteiligten aus. Streitig ist allein, ob das FA mit der Umbuchungsmitteilung vom eine wirksame Aufrechnungserklärung gegenüber der Klägerin als der nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin Verfügungsberechtigten abgegeben hat. Dies ist entgegen der Auffassung der Revision der Fall.
a) Für eine Aufrechnungserklärung i.S. des § 226 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. § 388 Satz 1 BGB ist nach allgemeiner Auffassung keine besondere Form vorgeschrieben. Sie kann mündlich, schriftlich oder durch schlüssige —dem Erklärungsempfänger erkennbare— Handlung erfolgen (Senatsurteil vom VII R 153/82, BFHE 140, 10, BStBl II 1984, 184; vgl. Klein/ Rüsken, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 226 Rz. 62, jeweils m.w.N.). Da die Aufrechnungserklärung eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung darstellt, die ohne Zutun des Erklärungsempfängers rechtsgestaltend auf dessen Rechtsstellung einwirkt, muss sich der Wille zur Tilgung und Verrechnung allerdings klar und unzweideutig aus der Aufrechnungserklärung ergeben (, BFHE 160, 108, BStBl II 1990, 523, und vom VII R 46/96, BFHE 181, 392, BStBl II 1997, 171; vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 226 AO 1977 Tz. 48, m.w.N.). Eine Umbuchungsmitteilung genügt diesen Anforderungen nur, wenn sie die klare Aussage enthält, dass Haupt- und Gegenforderung getilgt werden sollen (vgl. Rozek in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 226 AO 1977 Rz. 103; Pahlke/Koenig/Fritsch, Abgabenordnung, 2004, § 226 Rz. 52, jeweils m.w.N.).
b) Die Auffassung des FG, dass die Umbuchungsmitteilung vom eine Aufrechnungserklärung des FA enthalte, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (§§ 133, 157 BGB, § 118 Abs. 2 FGO). Der für die Aufrechnung erforderliche Wille des FA zur Verrechnung und Tilgung der wechselseitigen Forderungen kommt in der Umbuchungsmitteilung für einen objektiven Erklärungsempfänger erkennbar zum Ausdruck. So wurden die Forderungen, die gegeneinander aufgerechnet werden sollten —der Körperschaftsteuer-Erstattungsanspruch der Schuldnerin als Hauptforderung und die Lohnsteueransprüche des FA als Gegenforderung— in der Mitteilung nach Grund und Betrag genau bezeichnet. Die Mitteilung verkörpert auch nicht —wie die Revision meint— eine bloße Anfrage oder Ankündigung zur Umbuchung, deren Wirksamkeit von der Zustimmung des Erklärungsempfängers abhängig sein sollte. Vielmehr musste ein objektiver Erklärungsempfänger aus der Formulierung „es wurde wie folgt umgebucht” den Schluss ziehen, dass das FA von einem seiner Auffassung nach zum Buchungsdatum gegebenen und vollzogenen Verrechnungszustand ausging, den es der Klägerin mit der Umbuchungsmitteilung zur Kenntnis bringen wollte. Ohne Bedeutung ist dabei, dass das FA die Aufrechnung als Umbuchung bezeichnete. Denn die Aufrechnungserklärung muss nicht ausdrücklich unter Verwendung des Begriffs „Aufrechnung”, sondern kann —wie bereits oben ausgeführt— schlüssig abgegeben werden. Es muss lediglich hinreichend deutlich werden, dass das FA die wechselseitigen Forderungen miteinander verrechnen und tilgen will. Dies ist hier geschehen.
c) Der Textpassage „Sollten Sie mit den Buchungen nicht einverstanden sein, geben Sie bitte umgehend die beanstandeten Buchungen…an.” lässt sich auch nicht entnehmen, dass das FA die Aufrechnungswirkung von dem Einverständnis der Klägerin oder vom Ausbleiben ihres Widerspruchs abhängig machen wollte, also seine Aufrechnungserklärung an eine Bedingung knüpfen wollte, die sie unwirksam macht (§ 388 Satz 2 BGB). Der vorgenannte Vorbehalt, der allerdings mehr ist als ein Hinweis auf das Widerspruchsrecht des Aufrechnungsgegners nach § 396 BGB, ist nicht als Bedingung oder als Angebot zu verstehen, auf Wunsch des Steuerpflichtigen die Forderung in bestimmter Weise zu verrechnen. Die Bitte, sich zu den einzelnen vorgenommenen Buchungen ggf. „umgehend” zu äußern, hat vielmehr unterschiedliche Bedeutung, je nachdem, ob die Wirksamkeit der betreffenden Buchungen von dem Einverständnis des Steuerpflichtigen abhängig ist:
(1) Buchungen auf nicht fällige Forderungen des FA stellen mangels fälliger Gegenforderung keine wirksame Aufrechnung dar. Eine Umbuchungsmitteilung kann in diesem Fall allenfalls als Angebot zum Abschluss eines Verrechnungsvertrags verstanden werden. Die Annahme, das FA habe mit der Umbuchungsmitteilung ein solches Vertragsangebot zum Ausdruck bringen wollen, kommt vorliegend indes insofern nicht in Betracht; denn die Forderungen, mit denen das FA die Aufrechnung erklärt hat, waren zum Zeitpunkt der Mitteilung fällig.
(2) Bei den als Aufrechnung wirksamen Umbuchungen auf —wie im Streitfall— fällige Gegenforderungen hingegen ist der vorgenannte Vorbehalt in der Umbuchungsmitteilung schon mangels Bestimmtheit der Voraussetzungen für die Rückabwicklung der Umbuchungen kein verbindliches Vertragsangebot, sondern nur Ausdruck der Bereitschaft des FA, einen abweichenden Verrechnungswunsch des Steuerpflichtigen entgegenzunehmen und zu prüfen. In diesem Sinne ist auch der dem vorgenannten Vorbehalt folgende Satz in der Umbuchungsmitteilung zu verstehen, der den Vorbehalt insoweit relativiert, dass Buchungswünsche im Regelfall nur bei vorgenommenen Buchungen auf noch nicht fällige Forderungen berücksichtigt werden könnten. Auch daraus wird deutlich, dass bei fälligen Gegenforderungen die Wirksamkeit der Umbuchungen nicht in das Belieben des Steuerpflichtigen gestellt werden sollte, sondern die Verrechnungs- und Tilgungswirkungen rechtsverbindlich eintreten sollten.
d) Aus dem Senatsurteil vom VII R 167/82 (BFHE 147, 398, BStBl II 1987, 8) ergibt sich nichts anderes. Eine Umbuchungsmitteilung durch die Finanzbehörde kann ein Angebot zum Abschluss eines Verrechnungsvertrags darstellen, soweit eine Aufrechnung mangels Gegenseitigkeit der Forderungen nicht in Betracht kommt. Der Senat hat hingegen eine Umbuchungsmitteilung nicht generell als Angebot zum Abschluss eines Verrechnungsvertrags verstanden wissen wollen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass nach Maßgabe der allgemeinen Auslegungsmethoden eine Erklärung, in der —wie im Streitfall— wechselseitige Forderungen zum Zwecke der Tilgung einander gegenübergestellt werden, nur dann als Angebot zum Abschluss eines Verrechnungsvertrags gedeutet werden kann, wenn der Erklärungsempfänger davon ausgehen muss, dass der Erklärende die Voraussetzungen für eine (einseitige) Aufrechnung nicht als gegeben ansieht, er aber gleichwohl eine Tilgung der wechselseitigen Forderungen herbeiführen möchte. Dies kann insbesondere in Betracht kommen, wenn es —wie in dem Senatsurteil in BFHE 147, 398, BStBl II 1987, 8— an der Gegenseitigkeit fehlt oder die Finanzbehörde mangels Fälligkeit ihrer eigenen Forderung (noch) nicht aufrechnen kann (vgl. Klein/Rüsken, a.a.O., § 226 Rz. 75; Kögel in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 226 AO 1977 Rz. 105; Helsper in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 226 Rz. 33, jeweils m.w.N.).
Im Streitfall konnte die Klägerin nicht davon ausgehen, dass das FA mit der Umbuchungsmitteilung lediglich ein Angebot zum Abschluss eines Verrechnungsvertrags zum Ausdruck bringen wollte. Zum Zeitpunkt der Mitteilung über die vorgenommenen Umbuchungen standen sich der Körperschaftsteuer-Erstattungsanspruch der Schuldnerin und der Lohnsteueranspruch des FA aufrechenbar gegenüber; eine Aufrechnungslage bestand. Die Klägerin hätte daher erkennen müssen, dass das FA von einer bestehenden Aufrechnungslage ausging und dementsprechend mit der Umbuchungsmitteilung die Aufrechnung erklären wollte.
e) Schließlich hat der Senat —entgegen der Auffassung der Revision— keinen Zweifel daran, dass die maschinell erstellte Umbuchungsmitteilung eine willensgetragene Erklärung zum Inhalt hatte. Auch wenn die Mitteilung in einem automatisierten Verfahren erstellt und versendet worden sein sollte, läge der Mitteilung eine Willensentscheidung des FA zugrunde, die sich in der Einrichtung des betreffenden elektronischen Verfahrens niederschlägt. Eine rechtsverbindliche Erklärung kann auch elektronisch erstellt und abgegeben werden (vgl. nur § 119 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 bzw. zur Abgabe einer Willenserklärung in elektronischer Form § 126 Abs. 3, § 126a BGB).
2. Die Aufrechnung des FA ist auch nicht wegen § 7 Abs. 5 der Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) unzulässig. Nach dieser Vorschrift kann ein Gläubiger auch noch im Gesamtvollstreckungsverfahren die Aufrechnung erklären, wenn zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens eine Aufrechnungslage bestand. Im Streitfall kommt es nicht darauf an, inwieweit § 7 Abs. 5 GesO erweiternd ausgelegt werden kann (vgl. dazu Senatsurteil vom VII R 28/03, BFHE 206, 321, BStBl II 2005, 10), da zum Zeitpunkt der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens () eine Aufrechnungslage gegeben war. Zu diesem Zeitpunkt war die Forderung, mit der das FA die Aufrechnung erklärte (Lohnsteuer für Mai und Juli 1995), fällig. Die Forderung der Schuldnerin (Körperschaftsteuer-Erstattungsanspruch für 1993) war zwar nach den Feststellungen des FG erst am fällig. Dies ist jedoch unerheblich, da sie zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits bestand und damit der fälligen Gegenforderung eine erfüllbare Hauptforderung gegenüberstand. Der auf einem Verlustrücktrag nach § 10d des Einkommensteuergesetzes beruhende Erstattungsanspruch entsteht mit Ablauf des Veranlagungszeitraums, in dem der Verlust entstanden ist (Senatsurteil vom VII R 104/98, BFHE 192, 21, BStBl II 2000, 491, m.w.N.). Das war vorliegend mit Ablauf des Veranlagungszeitraums 1995 der Fall, d.h. die Forderung, gegen die das FA aufgerechnet hat, war vor Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens entstanden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
AO-StB 2006 S. 5 Nr. 1
BFH/NV 2006 S. 5 Nr. 1
HFR 2006 S. 232 Nr. 3
WAAAB-69763