BFH Beschluss v. - V B 26/05

Ermäßigter Steuersatz für Leistungen eines Party-Services bei Gestellung von Bedienungs- und/oder Kochpersonal

Leitsatz

Es ist ernstlich zweifelhaft i.S. des § 69 FGO, ob die Leistungen eines Party-Services - hier Abgabe von Speisen und Getränken sowie Zurverfügungstellung von Geschirr und Besteck - als mit dem Regelsteuersatz zu besteuernde Dienstleistungen anzusehen sind, wenn sie mit der Gestellung von Bedienungs- und/oder Kochpersonal einhergehen und sich dadurch von der bloßen Anlieferung der Speisen und Getränke unterscheiden.

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) betrieb in den Streitjahren (2000 und 2001) ein Restaurant, einen Imbissstand und einen Party-Service.

Im Rahmen des Party-Services wurde auch Geschirr und Besteck angeliefert. In einem Werbeblatt zu dem Party-Service hieß es hierzu:

„Alle Buffets liefern wir ab 10 Personen mit Geschirr und Besteck frei Haus. Alle Preise verstehen sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Zu allen Buffets liefern wir Teller und Bestecke kostenlos dazu, wenn sie dieses gespült zurück bringen. Gegen eine Gebühr von 26,00 € besteht auch die Möglichkeit das Geschirr von uns ungespült abholen zu lassen ...”

Zudem wurden noch weitere Leistungen angeboten, die in einzelnen Rechnungen mit „Koch/Bedienung”, „Zapfanlage”, „Köchin für 3 Stunden” und „Koch+ Kombi-Dämpfe” bezeichnet sind.

In seinen Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2000 und 2001 unterwarf der Antragsteller die Abgabe von Speisen und Getränken im Rahmen des Party-Services unter Berufung auf die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) dem ermäßigten Steuersatz.

Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung folgte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) dem nicht, sondern änderte die bisherigen Steuerfestsetzungen und versteuerte die Abgabe der Speisen und Getränke mit dem Regelsteuersatz, soweit die Getränke nicht zu den in der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG aufgeführten Getränken zählten, und soweit die Abgabe der Speisen und Getränke mit den vorgenannten Leistungen verbunden war.

Gegen die Änderungsbescheide legte der Antragsteller Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig beantragte er u.a. die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide, soweit die erhöhte Umsatzsteuerfestsetzung auf den Feststellungen des Prüfers zum Party-Service beruhte.

Wegen der versehentlichen Doppelerfassung von Umsätzen setzte das FA am die Vollziehung hinsichtlich der Umsatzsteuer 2001 in Höhe von 2 766,96 € aus und lehnte den Antrag im Übrigen ab.

Der Antragsteller beantragte daraufhin beim Finanzgericht (FG) die Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide in Höhe von 2 802,53 € für das Jahr 2000 und in weiterer Höhe von 4 520,37 € für das Jahr 2001.

Das FG gab dem Antrag statt, da es ernstliche Zweifel bejahte, ob es sich bei der streitigen Abgabe der Speisen und Getränke nicht um begünstigte Lieferungen, sondern um „Leistungen im Darreichungsbereich handele, die es rechtfertigen, die betroffenen Umsätze insgesamt dem Regelsteuersatz zu unterwerfen”.

Soweit das FA bereits die Anlieferung und Zurverfügungstellung von Geschirr und Besteck hierfür ausreichen lassen wolle, bestünden dagegen Bedenken. Denn unter Anwendung der Grundsätze des (BFHE 116, 294, BStBl II 1975, 796) handele es sich dabei um Nebenleistungen zur Hauptleistung der Essenslieferung; diese stellten deshalb keine besonderen Verzehrvorrichtungen i.S. des § 3 Abs. 9 Satz 5 UStG dar. Das FG verkenne dabei nicht, dass der Inhalt der Entscheidung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— (Urteil vom Rs. C-231/94, Faaborg-Gelting Linien, Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 282) zur Frage des Vorliegens eines Restaurationsumsatzes teilweise überholt sei. Das gelte insbesondere für die dort enthaltene Feststellung, dass Dienstleistungselemente anlässlich der Essenslieferung nicht geeignet seien, den Regelsteuersatz für die Leistung auszulösen. Andererseits sei die dort enthaltene Auffassung, es handele sich um eine Nebenleistung zu der Essenslieferung, nach wie vor bedeutsam für die Beurteilung der Frage, ob dieses Dienstleistungselement geeignet sei, der Gesamtleistung dergestalt das Gepräge zu geben, dass diese insgesamt dem Regelsteuersatz unterliege. Dass es sich bei dieser Leistung auch hier um eine Nebenleistung handele, ergebe sich daraus, dass ausweislich des Werbeblattes des Antragstellers diese Leistung ohne besonderes Entgelt erbracht werde, wenn der Leistungsempfänger das Geschirr/Besteck gereinigt zurückgebe. Ob etwas anderes gelte, wenn der Antragsteller zusätzlich die Reinigung des Geschirrs/Bestecks übernommen und hierfür gesondert ein Entgelt berechnet hätte, brauche nicht entschieden zu werden; denn dass dies der Fall gewesen sein solle, habe weder der Prüfer ermittelt noch ergäben sich hierzu aus den Rechnungen Anhaltspunkte.

Auch die übrigen Leistungen des Antragstellers im Darreichungsbereich rechtfertigten nicht zwingend die Annahme, diese gäben der Gesamtleistung das Gepräge eines Restaurationsumsatzes. Nach den Grundsätzen des Urteils in BFHE 116, 294, BStBl II 1975, 796 sei die Gestellung eines Kochs unschädlich. Es erscheine deswegen in rechtlicher Hinsicht nicht ausreichend geklärt, ob die Leistung der Kochgestellung nicht ebenfalls als Nebenleistung zur Essenslieferung zu qualifizieren sei. Das gelte ebenfalls für die Gestellung einer Zapfanlage und einer „Kombi-Dämpfe”, wobei der Senat davon ausgehe, dass es sich bei der letztgenannten um eine Vorrichtung für die Zubereitung/ Warmhaltung der Speisen handele.

Etwas anderes könnte allerdings gelten, falls der Antragsteller eine Bedienung gestellt haben sollte. Dies sei aber unklar. In Betracht komme, dass es sich hierbei lediglich um eine Sammelbezeichnung handele und der Antragsteller lediglich einen Koch, eine Bedienung oder beides gestellt habe.

Zu bedenken sei auch, dass alle genannten Leistungen außerhalb der eigentlichen Anlieferung des Essens vom Ausmaß her nur relativ geringfügiges Gewicht gehabt hätten. In den jeweiligen Rechnungen bewege sich der Entgeltanteil für diese Leistungen im Bereich zwischen 5 und 6 v.H. des jeweiligen Gesamtrechnungsbetrags. Auch deshalb sei es ernstlich zweifelhaft, ob diese Leistungen geeignet seien, eine über die Essenslieferung hinausgehende Prägung des Umsatzes dergestalt anzunehmen, dass die betroffenen Umsätze insgesamt dem Regelsteuersatz unterfielen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich das FA mit der vorliegenden —vom FG zugelassenen— Beschwerde. Das FA beantragt, den Beschluss des FG aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide für 2000 und 2001 zurückzuweisen.

Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Das FG hat im Ergebnis zu Recht ernstliche Zweifel i.S. des § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bejaht. Dabei liegen die Zweifel auf rechtlichem und auf tatsächlichem Gebiet.

2. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für die Lieferung der in der Anlage bezeichneten Gegenstände.

Nach § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen eines Unternehmers u.a. Leistungen, durch die er den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG). Dementsprechend gilt nach Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, als Lieferung eines Gegenstandes; als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstandes ist (Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG).

Darüber hinaus gilt nach § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle als eine sonstige Leistung. Speisen und Getränke werden zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben, wenn sie nach den Umständen der Abgabe dazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Abgabeort in einem räumlichen Zusammenhang steht, und insbesondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden.

3. Das FG hat zu Recht bezweifelt, dass im Streitfall „Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten” wurden. Der erkennende Senat hat diesen Tatbestand bislang verneint, wenn die Vorrichtungen —wie im Streitfall— vom Abnehmer der Speisen und Getränke zur Verfügung gestellt wurden (BFH-Urteile in BFHE 116, 294, BStBl II 1975, 796, und vom V R 20/98, BFHE 187, 340, BStBl II 1999, 326).

4. Zur Abgrenzung von Lieferungen und Dienstleistungen i.S. der Art. 5 und 6 der Richtlinie 77/388/EWG hat der EuGH im Urteil Faaborg-Gelting Linien (Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 284) wörtlich ausgeführt:

„12 Ob bestimmte Umsätze Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen sind, richtet sich nach ihrem Wesen. Dieses ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln.

13 Die Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr ist das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen. Dabei wird dem Gast zugleich eine organisatorische Gesamtheit zur Verfügung gestellt, die sowohl einen Speisesaal mit Nebenräumen (Garderoben u.a.) als auch das Mobiliar und das Geschirr umfasst. Gegebenenfalls werden Kellner das Gedeck auflegen, den Gast beraten, die angebotenen Speisen oder Getränke erläutern, diese auftragen und schließlich nach dem Verzehr die Tische abräumen.

14 Somit ist der Restaurationsumsatz durch eine Reihe von Vorgängen gekennzeichnet, von denen nur ein Teil in der Lieferung von Nahrungsmitteln besteht, während die Dienstleistungen bei weitem überwiegen. Er ist daher als Dienstleistung im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie zu betrachten. Etwas anderes gilt hingegen, wenn sich der Umsatz auf Nahrungsmittel 'zum Mitnehmen' bezieht und daneben keine Dienstleistungen erbracht werden, die den Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalten sollen.”

Hieran anschließend hat er im Urteil vom Rs. C-491/03, Hermann (Internationales Steuerrecht —IStR— 2005, 235) zur Frage, ob die Frankfurter Getränkesteuer verbrauchsteuerpflichtige Waren —i.S. von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (Richtlinie 92/12)— oder eher die Dienstleistungen betrifft, die im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren erbracht werden, folgendes ausgeführt:

„21 Um zu bestimmen, ob die mit der GetrStS erhobene Steuer verbrauchsteuerpflichtige Waren im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/12 oder eher die Dienstleistungen betrifft, die im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren im Sinne von Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie erbracht werden, ist das überwiegende Element des besteuerten Umsatzes zu berücksichtigen (vgl. analog Urteil Faaborg-Gelting Linien, Randnrn. 12 bis 14).

22 Da die Vermarktung eines Gegenstands immer mit einer minimalen Dienstleistung, wie dem Darbieten der Waren in Regalen, dem Ausstellen einer Rechnung usw., verbunden ist, können bei der Beurteilung des Dienstleistungsanteils an der Gesamtheit eines komplexen Geschäftes, zu dem auch die Lieferung eines Gegenstands gehört, nur die Dienstleistungen berücksichtigt werden, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung eines Gegenstands verbunden sind.

23 Auch wenn die aufgrund der GetrStS erhobene Steuer an den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle und damit an ein dienstleistungsbezogenes Element anknüpft, das sich von den Vorgängen unterscheidet, die notwendig mit der Vermarktung alkoholhaltiger Getränke verbunden sind, so lässt sich doch nicht allgemein sagen, dass bei allen in den Anwendungsbereich dieser Steuer fallenden Vorgängen das Dienstleistungselement immer überwiegen wird.

24 Demnach ist für jeden besteuerten Umsatz festzustellen, welches das überwiegende Element ist.

25 Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass die Volkswirt Weinschänken GmbH eine Gaststätte betreibt, in der sie Speisen und Getränke serviert.

26 Die Abgabe alkoholhaltiger Getränke an Kunden im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit geht mit einer Reihe von Dienstleistungen einher, die sich von den Vorgängen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung solcher Waren verbunden sind. Es handelt sich um die Zurverfügungstellung einer Infrastruktur, die einen möblierten Speisesaal mit Nebenräumen (Garderobe, Toiletten usw.) umfasst, um die Beratung und Information der Kunden hinsichtlich der servierten Getränke, um die Darbietung der Getränke in einem geeigneten Gefäß, um die Bedienung bei Tisch und schließlich um das Abdecken der Tische und die Reinigung nach dem Verzehr (vgl. in diesem Sinne Urteil Faaborg-Gelting Linien, RandNr. 13).

27 Die Abgabe alkoholhaltiger Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit ist durch ein Bündel von Elementen und Handlungen gekennzeichnet, von denen die Lieferung des Gegenstands selbst nur einen Bestandteil darstellt und bei denen die Dienstleistungen überwiegen.

28 Folglich ist eine Steuer, die in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens auf die Abgabe alkoholhaltiger Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit erhoben wird, als eine Steuer auf Dienstleistungen „im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren” im Sinne von Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie 92/12 anzusehen.”

5. Der Senat neigt dazu, dass bei der notwendigen Gesamtbetrachtung die Leistungen eines Party-Services als Dienstleistungen anzusehen sind, wenn sie mit der Gestellung von Bedienungs- und/oder Kochpersonal einhergehen und sich dadurch von der bloßen Anlieferung der Speisen und Getränke unterscheiden.

Was das Bedienungspersonal anbelangt, ist auch das FG hiervon ausgegangen, sah es aber als unklar an, ob eine Bedienung gestellt wurde.

Im Übrigen ist dem FG einzuräumen, dass nach den Grundsätzen des Urteils in BFHE 116, 294, BStBl II 1975, 796 die Gestellung eines Kochs unschädlich ist. Der Senat hat sich bislang von dieser Entscheidung noch nicht ausdrücklich distanziert. Das FG hat die Sache demnach zu Recht als zweifelhaft angesehen.

6. Das FG hat auch zu Recht bezweifelt, dass die Abgabe der Speisen und Getränke allein deshalb zur Dienstleistung wird, weil der Party-Service gleichzeitig Geschirr und Besteck zur Verfügung stellt. Nach dem BFH-Urteil in BFHE 187, 340, BStBl II 1999, 326 führt ein Unternehmer, der Speisen und Getränke an Tischen serviert, zwar eine sonstige Leistung zum allgemeinen Steuersatz aus, wenn er anschließend das ausgegebene Geschirr, das Besteck und die Gläser abräumt und reinigt. Nach den Feststellungen des FG ist im Streitfall jedoch zweifelhaft, ob der Kläger Geschirr und Besteck gereinigt hat.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 140 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 2/2006 S. 94
RAAAB-69114