Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Mit seiner Klage gegen den Einkommensteuerbescheid für 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung begehrte der Kläger und Revisionskläger (Kläger) die Berücksichtigung eines Auflösungsverlusts nach § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von ... DM sowie von Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wegen der Inanspruchnahme als Haftungsschuldner für Steuerschulden und Sozialversicherungsabgaben.
Der Kläger war ab 1984 in finanzielle Schwierigkeiten geraten und gab in den Jahren 1985 und 1986 eidesstattliche Versicherungen ab. Er erwarb im Juli 1990 die Geschäftsanteile an einer GmbH zum Kaufpreis von 1 DM. Seit dem war er Geschäftsführer dieser GmbH, über deren Vermögen am das Konkursverfahren eröffnet wurde. Der Kläger wurde vom Konkursverwalter auf Zahlung von 135 000 DM und 8 414,97 DM verklagt.
Mit Haftungsbescheid vom hatte das zuständige Finanzamt den Kläger wegen rückständiger Lohn- und Kirchenlohnsteuer der GmbH für März bis Juli 1997 in Höhe von insgesamt 62 051,01 DM in Anspruch genommen. Der Kläger zahlte die Haftungsschuld in den Jahren 2001 und 2002.
Der Kläger hatte eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Eigentumswohnung erworben. Nachdem er in Vermögensverfall geraten war, ersteigerte seine Mutter diese Wohnung und stellte sie ihm unentgeltlich zur Verfügung. Im April 1996 bestellte die Mutter an der Eigentumswohnung eine Grundschuld über 300 000 DM zur Absicherung eines Darlehens der X-Bank an die GmbH. Im August 1996 starb die Mutter. Der Kläger erbte die Eigentumswohnung. Die X-Bank betrieb die Zwangsversteigerung in die Eigentumswohnung. Im Jahre 1999 vereinbarte der Kläger mit der X-Bank gegen eine einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung eine Ratenzahlung. Er zahlte seitdem monatlich 1 000 DM an die X-Bank. Er hatte bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) insgesamt 42 000 DM bezahlt.
Zur Begründung der Klage hatte der Kläger vorgetragen, es habe bereits bei Eröffnung des Konkursverfahrens im Jahr 1997 festgestanden, dass er mit Zuteilungen oder Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsverhältnis nicht habe rechnen können. Ihm seien nachträgliche Anschaffungskosten für die GmbH entstanden, weil er selbstschuldnerische Bürgschaften für Verbindlichkeiten der GmbH in Höhe von insgesamt 2 050 000 DM übernommen habe. Er habe mit Vertrag vom mit der X-Bank vereinbart, dass er anstelle der Grundschuld und der Bürgschaften einen Betrag in Höhe von 220 000 € in monatlichen Raten von 1 250 €, erstmals am , zahlen solle. Er habe ein Schuldanerkenntnis über 220 000 € abgegeben und der X-Bank eine notarielle Verkaufsvollmacht für die Eigentumswohnung erteilt.
Der Kläger regte an zu prüfen, ob das finanzgerichtliche Verfahren wegen der vom Konkursverwalter erhobenen Klagen, die noch beim Landgericht (LG) anhängig seien, ausgesetzt werden könne. Denn sollte er, der Kläger, dort verurteilt werden, wären die nach Maßgabe des zivilgerichtlichen Urteils geleisteten Zahlungen Anschaffungskosten nach § 17 EStG.
Das FG gab der Klage nur in geringem Umfang statt. Es erkannte für das Streitjahr 1997 einen Auflösungsverlust in Höhe von insgesamt 16 841,60 DM wegen der vom Kläger geleisteten Zahlungen an Sozialversicherungsträger an und wies die Klage im Übrigen ab. Es entschied, dass die Bürgschaftsverpflichtungen wegen Zahlungsunfähigkeit des Klägers im Jahr 1997 keine gegenwärtige Belastung darstellten und deshalb bei der Ermittlung der Einkünfte nach § 17 EStG nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden könnten. Soweit der Kläger tatsächlich Zahlungen in Höhe von 42 000 DM geleistet habe, sei dies nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen. Denn diese Beträge seien auf die Grundschuld geleistet worden, die die Mutter des Klägers aus familiären Gründen an ihrer Eigentumswohnung zugunsten der GmbH bestellt habe. Die in den Jahren 2001 und 2002 geleisteten Zahlungen des Klägers wegen seiner Inanspruchnahme als Haftungsschuldner gemäß § 69 der Abgabenordnung (AO 1977) könnten wegen des Abflussprinzips des § 11 Abs. 2 EStG nicht im Jahr 1997 als Werbungskosten abgezogen werden. Die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen der beim LG anhängigen Klagen des Konkursverwalters sei nicht geboten, da nachträgliche Anschaffungskosten auf die GmbH-Beteiligung, die sich aufgrund einer späteren zivilrechtlichen Verurteilung ergeben könnten, als rückwirkendes Ereignis gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 berücksichtigt werden könnten.
Der Kläger rügt mit seiner Revision Verfahrensfehler und die Verletzung materiellen Rechts.
Er beantragt,
die Vorentscheidung wegen der Einkommensteuer für 1997 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1997 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer auf null € festgesetzt werde.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision des Klägers ist im Ergebnis unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Ein Verlust des Klägers aus der Auflösung der GmbH gemäß § 17 Abs. 4 EStG kann nicht im Streitjahr 1997 berücksichtigt werden, weil nach dem eigenen Vorbringen des Klägers die Voraussetzungen für die Entstehung eines Auflösungsverlustes in diesem Jahr noch nicht erfüllt waren.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats ist im Konkursverfahren über das Vermögen einer GmbH der Auflösungsverlust i.S. von § 17 Abs. 4 EStG regelmäßig erst mit Abschluss des Konkursverfahrens realisiert. Die Entstehung des Verlustes zu einem früheren Zeitpunkt setzt voraus, dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht mehr zu rechnen ist; ferner muss feststehen, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen werden (, BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162; vom VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344; vom VIII R 50/98, BFHE 188, 295, BStBl II 1999, 559; vom VIII R 46/98, BFH/NV 2000, 561; vom VIII R 63/98, BFHE 191, 115, BStBl II 2000, 343; vom VIII R 34/94, BFH/NV 2001, 757; vom VIII R 36/00, BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731; vom VIII R 24/02, BFH/NV 2003, 1305; vom VIII R 8/02, BFH/NV 2004, 947).
Im Streitfall ist die GmbH zwar mit der Konkurseröffnung aufgelöst worden (§§ 60 Abs. 1 Nr. 4, 63 f. des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung —GmbHG—; vgl. dazu , BFH/NV 1994, 364).
Das Konkursverfahren war aber im Jahr 1997 noch nicht abgeschlossen. Dies ergibt sich aus dem Antrag des Klägers auf Aussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens und seinem Vorbringen, dass die Klagen des Konkursverwalters gegen ihn noch beim LG anhängig seien.
2. Es liegen auch nicht die Voraussetzungen vor, unter denen ein Auflösungsverlust i.S. des § 17 Abs. 4 EStG ausnahmsweise bereits vor Beendigung des Konkursverfahrens entstanden ist.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Behauptung des Klägers, es sei mit Zuteilungen und Rückzahlungen gemäß § 17 Abs. 4 EStG nicht mehr zu rechnen gewesen, einer Überprüfung standhalten würde. Denn nach der oben zitierten Rechtsprechung des Senats setzt die Entstehung eines Auflösungsverlusts weiter voraus, dass absehbar ist, ob und in welcher Höhe dem Gesellschafter noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG berücksichtigungsfähige Veräußerungs- oder Aufgabekosten entstehen. Diese Voraussetzung war im Streitfall im Jahr 1997 noch nicht erfüllt. Der Kläger hat zur Begründung seines Antrags auf Aussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens bis zur Entscheidung des LG über die vom Konkursverwalter erhobenen Klagen selbst vorgetragen, dass ihm weitere nachträgliche Anschaffungskosten entstünden, wenn er in diesen Verfahren unterliegen würde. Danach war im Jahr 1997 noch nicht absehbar, ob und ggf. in welcher Höhe noch weitere nachträgliche Anschaffungskosten anfallen würden. Somit kann ein Auflösungsverlust des Klägers jedenfalls nicht entstanden sein, solange über diese Klagen des Konkursverwalters nicht entschieden ist (vgl. auch das Senatsurteil in BFH/NV 2004, 947, zur Verlustentstehung bei einem Einspruch gegen einen Haftungsbescheid).
3. Die Revision hat auch keinen Erfolg wegen der Aufwendungen des Klägers aus seiner Inanspruchnahme als Haftungsschuldner gemäß § 69 AO 1977.
Der Senat kann —wie bereits in dem Verfahren in BFH/NV 1994, 947— offen lassen, ob die Inanspruchnahme eines beherrschenden GmbH-Gesellschafters als Haftungsschuldner gemäß § 69 AO 1977 zu nachträglichen Anschaffungskosten i.S. des § 17 EStG führt oder ob die Zahlungen darauf Werbungskosten (§ 9 EStG) sind. Denn wie das FG zutreffend ausgeführt hat, scheidet ein Werbungskostenabzug im Streitjahr 1997 aus, weil Werbungskosten gemäß § 11 Abs. 2 EStG in dem Kalenderjahr abzuziehen sind, in dem sie geleistet worden sind. Der Kläger hat seine Zahlungen aber erst in den Jahren 2001 und 2002 geleistet.
Sollte es sich bei den Zahlungen auf die Haftungsschuld um nachträgliche Anschaffungskosten handeln, so können diese erst im Jahr der Entstehung des Auflösungsverlusts gemäß § 17 Abs. 4 EStG und mithin noch nicht im Streitjahr 1997 berücksichtigt werden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 2171 Nr. 12
HFR 2005 S. 1216 Nr. 12
NWB-Eilnachricht Nr. 20/2006 S. 50
OAAAB-66990