Progressionsvorbehalt bei Lohnersatzleistungen verfassungsgemäß
Leitsatz
Steuerpflichtige, die im Kalenderjahr neben eigenen Einkünften Lohnersatzleistungen bezogen haben, sind wirtschaftlich leistungsfähiger als Steuerpflichtige, die gleich hohe Einkünfte ohne Lohnersatzleistungen erzielt haben. Es ist daher verfassungsrechtlich unbedenklich, dass Steuerpflichtige, die neben steuerpflichtigen Einkünften Lohnersatzleistungen bezogen haben, bei gleichem zu versteuernden Einkommen eine höhere Einkommensteuer zu leisten haben als Steuerpflichtige, die keine derartigen Leistungen bezogen haben.
Gesetze: EStG § 32b
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Es liegen weder die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch ein Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) vor.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Frage, ob der Progressionsvorbehalt für Lohnersatzleistungen verfassungsgemäß ist, nicht klärungsbedürftig ist (vgl. zu diesem Erfordernis: Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 28). Es kann offen bleiben, ob der behauptete Verfassungsverstoß überhaupt in einer den gesetzlichen Anforderungen erforderlichen Weise gerügt worden ist (vgl. dazu § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Liegen nämlich zu einer Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Entscheidungen, insbesondere solche des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vor, genügt die bloße Behauptung eines Verfassungsverstoßes ohne Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht den Darlegungsanforderungen an die Klärungsbedürftigkeit der Rechtssache (, BFH/NV 2004, 1664).
Das BVerfG hat bereits entschieden, dass der Progressionsvorbehalt bei Lohnersatzleistungen (§ 32b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes —EStG— a.F.; jetzt § 32 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 i.V.m. § 32a Abs. 1 EStG) verfassungsgemäß ist (Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 1 BvR 1176/88, BStBl II 1995, 758 —Bestätigung des , BFHE 153, 363, BStBl II 1988, 674—, sowie , Betriebs-Berater —BB— 1995, 1624). Es hat darauf hingewiesen, dass der Steuergesetzgeber von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht gehindert ist, Einkommenssurrogate in die Besteuerung oder auch nur in den Tarif einzubeziehen, sofern hierbei die Grundsätze der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beachtet werden. Außerdem hat das BVerfG betont, dass Steuerpflichtige, die im Kalenderjahr neben eigenen Einkünften Lohnersatzleistungen bezogen haben, wirtschaftlich leistungsfähiger sind als Steuerpflichtige, die gleich hohe Einkünfte ohne Lohnersatzleistungen erzielt haben. Es ist daher verfassungsrechtlich unbedenklich, dass Steuerpflichtige, die neben steuerpflichtigen Einkünften Lohnersatzleistungen bezogen haben, bei gleichem zu versteuernden Einkommen eine höhere Einkommensteuer zu leisten haben als Steuerpflichtige, die keine derartigen Leistungen bezogen haben (ebenso , BFHE 196, 185, BStBl II 2001, 778). Das Finanzgericht (FG) hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass entgegen dem Vorbringen der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch nur 60 v.H. des Bruttogehalts erhalten zu haben und mit diesem Nettobetrag noch zusätzlich dem Progressionsvorbehalt zu unterliegen, die Lohnersatzleistungen durch die Vorschrift des § 32b EStG nicht doppelt besteuert werden. Im Rahmen des Progressionsvorbehalts werden nämlich die steuerfreien Leistungen gerade nicht dem zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet, es erhöht sich lediglich der auf das zu versteuernde Einkommen anzuwendende Steuersatz. Das gesetzgeberische Ziel, Empfänger von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe im Ergebnis nicht besser zu stellen als mit dem in (damals) § 111 Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes genannten Teilbeträgen der letzten Nettobezüge, begegnet —wie bereits ausgeführt— keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG-Beschluss in BStBl II 1995, 758, re. Sp.).
Ein Verfahrensverstoß wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs im Hinblick auf eine unzureichende Würdigung des klägerischen Vortrags (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist nicht ausreichend dargelegt worden (siehe § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Im Übrigen hat das FG den Vortrag der Kläger im Tatbestand berücksichtigt und ist auf den Kern des klägerischen Vorbringens, nämlich die vermeintliche doppelte Besteuerung aufgrund einer Anwendung des § 32b EStG eingegangen (vgl. auch , BFH/NV 2005, 1121).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 2002 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 20/2006 S. 1698
OAAAB-66079