Beiladung der Erben eines Mitgesellschafters; Anfechtbarkeit einzelner Besteuerungsgrundlagen bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung
Gesetze: FGO § 60 Abs. 3; AO §§ 179, 180
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gerügte Verstoß des Finanzgerichts (FG) gegen die Grundordnung des Verfahrens durch die unterlassene Beiladung der Erben seines früheren Mitgesellschafters zu dem Verfahren wegen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung liegt nicht vor. Das FG hat seine Entscheidung, die Erben des früheren Mitgesellschafters seien nicht nach § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) notwendig zum Verfahren beizuladen, damit begründet, dass Streitgegenstand des Klageverfahrens ausschließlich der Aufgabegewinn des Klägers und nicht der laufende Gewinn der Gesellschaft sei. Diese Auffassung ist nicht zu beanstanden.
Bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung nach den §§ 179, 180 der Abgabenordnung (AO 1977) sind die einzelnen Besteuerungsgrundlagen selbst Regelungsgegenstand des Steuerverwaltungsakts und können auch selbständiger Gegenstand eines Klageverfahrens sein (vgl. , BFHE 152, 414, BStBl II 1988, 544). Einzelne Feststellungen sind allerdings nur insoweit gesondert anfechtbar, als sie eine rechtlich selbständige Würdigung beinhalten und eines rechtlich selbständigen Schicksals fähig sind. Soweit dagegen die Änderung einer gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlage zwangsläufig Auswirkungen auf andere Besteuerungsgrundlagen hat, z.B. indem die beantragte Herabsetzung eines Veräußerungsgewinns zur Erhöhung des laufenden Gewinns führt, erstreckt sich die Anfechtung des Feststellungsbescheides auch auf die materiell-rechtlich hiervon ebenfalls betroffene Besteuerungsgrundlage (vgl. , BFH/NV 2000, 1517, unter 2.b der Gründe). Im Streitfall steht die Auffassung des FG, Gegenstand des Klageverfahrens sei ausschließlich der Aufgabegewinn des Klägers i.S. des § 18 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewesen, im Einklang mit dem Antrag, der im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegeben und der in der mündlichen Verhandlung gestellt worden ist. Danach beschränkte sich das Klagebegehren darauf, den angefochtenen Feststellungsbescheid dahin zu ändern, dass kein Veräußerungsgewinn festgestellt wird. Es ist weder im Klageverfahren für das FG erkennbar gewesen noch der nunmehr in der Beschwerdebegründung des Klägers vorgenommenen Berechnung des Veräußerungsgewinns zu entnehmen, dass im Streitfall eine —ggf. auch nur teilweise— Stattgabe der Klage zwangsläufig zu einer Veränderung des laufenden Gewinns geführt hätte. Da der Veräußerungsgewinn auch ausschließlich dem Kläger zugerechnet worden war, konnte der frühere Mitgesellschafter bzw. konnten dessen Erben nach der nicht zu beanstandenden Auffassung des FG vom Ausgang des Verfahrens unter keinem denkbaren Gesichtspunkt betroffen sein (vgl. dazu z.B. , BFHE 167, 5, BStBl II 1992, 559, unter 2.a der Entscheidungsgründe, m.w.N.).
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers des FG zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH liegt eine verfahrensfehlerhafte, weil gegen das Recht auf Gehör (§§ 96 Abs. 2, 119 Nr. 3 FGO) verstoßende sog. Überraschungsentscheidung vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der alle oder einzelne Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen mussten (vgl. z.B. , BFHE 186, 29, BStBl II 1998, 505, m.w.N., unter II.A. der Gründe). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
Der Berichterstatter hatte in dem Erörterungstermin am angekündigt, dass wegen des unklaren Sachverhalts Beweise erhoben werden würden. Er hat in der Folgezeit am ein Aufklärungsschreiben an den Unternehmensberater H. mit dem ausdrücklichen Hinweis gerichtet, dass sich die Streitfrage vielleicht auf schriftlichem Wege aufklären lasse, ohne dass H. als Zeuge gehört werden müsse. Nachdem H. dieses Schreiben im Oktober 2002 beantwortet hatte, hat der Senat in der Folgezeit keinen Beweisbeschluss (vgl. § 82 FGO i.V.m. § 358 der Zivilprozessordnung) erlassen und auch keine Zeugen zur mündlichen Verhandlung am geladen. Bei diesem Verfahrensablauf war für den Kläger in der mündlichen Verhandlung erkennbar und mithin nicht überraschend, dass das FG ohne weitere Beweiserhebung eine Sachentscheidung treffen würde. Der vom Kläger zitierte Fall, dass ein Gericht einen erlassenen Beweisbeschluss ohne ausdrückliche Ankündigung oder Aufhebung nicht mehr ausführt (vgl. , BFHE 103, 137, BStBl II 1972, 20), ist mit dem Sachverhalt des Streitfalles nicht vergleichbar.
Entgegen der Behauptung des Klägers hat das FG seine Entscheidung auch nicht ausschließlich auf die im Erörterungstermin bereits vorliegenden schriftlichen Unterlagen gestützt. Es hat vielmehr seine Überzeugung, die Abfindung in Höhe von 310 000 DM sei für alle Ansprüche aus beiden Gesellschaftsverhältnissen gezahlt worden, u.a. auch mit dem Inhalt des Schreibens des H. vom begründet (vgl. unter II.1.a der Entscheidungsgründe).
3. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Das FG hat nicht die Rechtsprechung des BFH in Frage gestellt, wonach die Gesellschaft dann, wenn sie ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, zur Feststellung der für die Berechnung des Veräußerungsgewinns erforderlichen Buchwerte so zu behandeln ist, als wäre sie im Augenblick der Veräußerung zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG übergegangen (, BFHE 184, 518, BStBl II 1998, 290). Es liegen entgegen der Auffassung des Klägers auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das FG konkludent von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der vom Kläger in der Beschwerdebegründung errechnete Aufgabegewinn niedriger war als der vom FG ermittelte Betrag. Denn der Kläger ist ebenso wie das FG von einem Buchwert des Praxiswertes von 34 000 DM ausgegangen. Die unterschiedliche Höhe des Aufgabegewinns beruht im Wesentlichen darauf, dass der Kläger eine Gesamtabfindung von lediglich 150 000 DM zugrunde gelegt hat, während das FG im Einzelnen dargelegt hat, dass dieser Betrag insgesamt 310 000 DM betragen habe.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 2034 Nr. 11
NAAAB-63551