Abgrenzung von Leistungen und Teilleistungen in der Bauwirtschaft
Eine zutreffende Abgrenzung von Leistungen und Teilleistungen in der Bauwirtschaft ist insbesondere bei Steuersatzerhöhungen unverzichtbar. Ergänzend zu Abschn. 177 bis 180 UStR und zum Merkblatt USt M 2 (BStBl 2004 I S. 628) gilt hierzu Folgendes:
1. Werklieferungen
Bei Werklieferungen ist die Leistung ausgeführt, wenn dem Auftraggeber (Bauherrn) die Verfügungsmacht an dem erstellten Werk verschafft worden ist. Das ist dann der Fall, wenn der Auftraggeber befähigt ist, im eigenen Namen über das auftragsgemäß fertiggestellte Werk zu verfügen. Nach ständiger Rechtsprechung wird die Verfügungsmacht bei Werklieferungen grundsätzlich mit der Übergabe und Abnahme des fertigen Werks verschafft. Unter Abnahme ist die Billigung der ordnungsgemäßen vertraglichen Leistungserfüllung i.S. des § 640 BGB durch den Auftraggeber zu verstehen. Nicht maßgebend ist die baubehördliche Abnahme.
Soweit ein Vertrag nach VOB abgeschlossen wurde, hat die Abnahme nach § 12 VOB/B binnen 12 Tagen nach Fertigstellung zu erfolgen. Der Abnahmebefund ist in gemeinsamer Verhandlung schriftlich niederzulegen. Nach Abnahme des fertigen Werks beginnt die Verjährungsfrist für die Gewährleistungsansprüche gem. § 13 VOB/B.
Soweit keine besonderen Formvorschriften für die Abnahme vereinbart wurden, kann die Abnahme in jeder möglichen Form erfolgen, mit der der Auftraggeber die vertragsgemäßen Erfüllung anerkennt (u.a. auch durch stillschweigendes Handeln des Auftraggebers, z.B. durch Benutzung des Werkes).
Erfolgt trotz schriftlicher Vereinbarung keine Abnahmeverhandlung durch schriftliche Niederlegung, gilt das Werk durch stillschweigende Billigung als abgenommen. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn das Werk durch den Auftraggeber bereits bestimmungsgemäß genutzt wird.
Fehlende Restarbeiten oder Nachbesserungen schließen eine wirksame Abnahme nicht aus, wenn das Werk ohne diese Arbeiten seinen bestimmungsgemäßen Zwecken dienen kann.
2. Werkleistungen
Werkleistungen sind mit der Fertigstellung, d.h. mit der Vollendung des Werkes ausgeführt. Die Vollendung des Werks wird zwar im Regelfall mit der Abnahme der Werkleistung zusammenfallen, diese ist hier aber nicht Voraussetzung.
3. Teilleistungen im Baugewerbe
Teilleistungen sind wirtschaftlich abgrenzbare Teile einheitlicher Werklieferungen oder Werkleistungen, für die das Entgelt gesondert vereinbart wird und die statt der Gesamtleistung geschuldet werden (vgl. Abschn. 180 UStR). Der Leistende als auch der Leistungsempfänger müssen sich darüber einig sein, dass eine bestimmte Gesamtleistung wirtschaftlich, rechtlich und tatsächlich in Teilleistungen aufgespaltet werden soll. Danach muss dann auch verfahren werden.
Bei der Sollbesteuerung entsteht die Steuer für Teilleistungen gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 3 UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Teilleistung ausgeführt worden ist.
Teilleistungen liegen unter folgenden Voraussetzungen vor:
wirtschaftliche Teilbarkeit der Leistung
gesonderte Abnahme bei einer Werklieferung/Vollendung bei einer Werkleistung
gesonderte Vereinbarung
gesonderte Abrechnung
3.1. Wirtschaftliche Teilbarkeit
Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung kann eine Werklieferung bzw. eine Werkleistung nicht in Lieferelemente und in sonstige Leistungen aufgeteilt werden (vgl. Abschn. 180 Beispiele 4 und 5 i.V.m. Abschn. 27 UStR). Die wirtschaftliche Teilbarkeit einer Werklieferung bzw. Werkleistung setzt somit voraus, dass die Teilleistung selbst eine Werklieferung bzw. Werkleistung ist.
Zur wirtschaftlichen Teilbarkeit von Bauleistungen vgl. BdF-Schreiben vom – IV A 12 – S 7440 – 8/70
3.2. Gesonderte Abnahme
Die Annahme von Teilleistungen erfordert die tatsächliche Durchführung der vertraglichen Vereinbarungen, d.h. wenn für die Abnahme Schriftform vereinbart worden ist, so ist auch die Abnahme der Teilleistung gesondert schriftlich festzuhalten. Darüber hinaus sind die Rechtsfolgen der Abnahme zu beachten (vgl. z. B. § 13 VOB/B = Beginn der Gewährleistungsfrist). Eine nur aus steuerlichen Gründen vorgenommene Abnahme ist nicht anzuerkennen (z. B. die Gewährleistungsfrist beginnt erst mit Abnahme des Gesamtwerks).
Bei einer Steuersatzerhöhung muss die Teilleistung vor dem In-Kraft-Treten der Erhöhung abgenommen werden bzw. bei einer Werkleistung muss diese vorher vollendet oder beendet sein.
3.3. Gesonderte Vereinbarung
Aus dem Werkvertrag muss hervorgehen, dass für Teile der Gesamtleistung ein gesondertes Entgelt vereinbart wurde. Regelmäßig enthält der Werkvertrag ein Leistungsverzeichnis, das eine Leistungsbeschreibung, Mengen und Preise enthält. Nur wenn im Leistungsverzeichnis derartige Einzelpositionen enthalten sind, können Teilleistungen angenommen werden. Wird lediglich ein Festpreis für das Gesamtwerk vereinbart, scheiden Teilleistungen aus.
Bei einer Steuersatzerhöhung muss die Vereinbarung vor dem In-Kraft-Treten der Erhöhung erfolgen.
3.4. Gesonderte Abrechnung
Die Teilleistung muss durch eine entsprechende Rechnungslegung gesondert abgerechnet werden. Die Abrechnung muss den vertraglichen Vereinbarungen entsprechen.
3.5. Nachprüfbare Unterlagen
Bei der Beurteilung der Frage, ob Teilleistungen vorliegen, sind folgende Unterlagen einzusehen:
Werkvertrag und Leistungsverzeichnis,
Bauakte,
Stundenlohnzettel der Arbeitnehmer,
Besprechungsprotokolle zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer.
Teilleistungen in der Bauwirtschaft beim In-Kraft-Treten des UStG 1967; BdF-Schreiben vom - IV A/2 - S 7440 - 8/70
Nach dem Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Behandlung der Teilleistungen in der Bauwirtschaft beim In-Kraft-Treten des UStG 1967 Folgendes:
In dem Erlass vom - IV A/2 - S 7440 - 3/67 - (BStBl 1967 I S. 461) wurde zu der Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen in der Bauwirtschaft beim Übergang zum UStG 1967 Teilleistungen angenommen werden können, die nach § 27 Abs. 2 UStG 1967 noch der Bruttoumsatzsteuer unterliegen.
Den Bedürfnissen der Praxis entsprechend ist eine Zusammenstellung von Teilungsmaßstäben für Bauleistungen ausgearbeitet worden, die in Zweifelsfällen als Richtlinie für die Übergangszeitpunkte und herangezogen werden kann (s. Anlage). Zu Position 2 der Übersicht (Maurer- und Betonarbeiten) wird darauf hingewiesen, dass eine geschossweise Aufteilung grundsätzlich nicht zugelassen werden kann.
Zusammenstellung von Teilungsmaßstäben für Bauleistungen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Art der Arbeit | Teilungsmaßstäbe |
1. Erdarbeiten | Gegen eine haus- oder blockweise Aufteilung bestehen keine Bedenken. |
2. Maurer- und Betonarbeiten | Bei Neubauten können Teilleistungen im allgemeinen nur haus- oder blockweise bewirkt werden. Insbesondere bei herkömmlicher Bauweise und bei Skelettbauweise erscheint eine geschossweise Aufteilung grundsätzlich nicht zulässig. |
3. Naturwerkstein- und Betonwerksteinarbeiten | Bei Objekten, die miteinander nicht verbunden sind,
kann eine stückweise Aufteilung vorgenommen werden. |
4. Außenputzarbeiten | Es bestehen keine Bedenken
gegen eine haus- oder blockweise Aufteilung bis zur Dehnungsfuge. |
5. Zimmererarbeiten | Aufteilung haus- oder blockweise zulässig. |
6. Dachdeckerarbeiten | Aufteilung haus- oder blockweise zulässig. |
7. Klempnerarbeiten | Aufteilung ist je nach Art
der Arbeit haus- oder
stückweise zulässig (z. B. Regenrinne mit Abfallrohr hausweise, Fensterabdeckungen (außen) stückweise). |
8. Putz- und Stuckarbeiten (innen) | Gegen eine Aufteilung nach
Wohnungen oder Geschosse bestehen keine Bedenken. |
9. Fliesen- und Plattenlegerarbeiten | Vgl. BdF-Erlass vom 23.
November 1967 - IV A/2 - S 7440 - 3/67
- Abschn. 2 Nr. 2 Beispiel 4 (BStBl 1967 I S. 461). |
10. Tischlerarbeiten | Aufteilung erscheint je nach Art der
Arbeit im Regelfall stückweise zulässig (z. B. bei Tischlerarbeiten je Tür und Fenster, bei Schlosserarbeiten je Balkongitter). |
11. Schlosserarbeiten | |
12. Glaserarbeiten | |
13. Maler- und Tapezierarbeiten | Die Aufteilung nach Wohnungen ist im Regelfall zulässig. Eine raumweise Aufteilung erscheint nicht vertretbar, wenn die Arbeiten untrennbar ineinander fließen. |
14. Bodenbelagarbeiten | Im allgemeinen bestehen gegen eine Aufteilung je Wohnung oder Geschoss keine Bedenken. (Vgl. auch BdF-Erlass vom 23. November 1967 - IV A/2 - S 7440 - 3/67 - Abschn. 2 Abs. 2 Beispiel 1, BStBl 1968 I S. 461). |
15. Ofen- und Herdarbeiten | Gegen eine stück- oder wohnungsweise Aufteilung bestehen keine Bedenken. |
16. Gas, Wasser- und Abwasserinstallation | Aufteilung der Installationsanlagen ist haus- oder
blockweise zulässig. Bei der Installation z. B. von Waschbecken, Badewannen und WC-Becken bestehen im allgemeinen auch gegen eine stückweise Aufteilung keine Bedenken. |
17. Elektrische Anlagen | Eine Aufteilung ist bei Gesamtanlagen im allgemeinen
blockweise vorzunehmen. |
18. Anschlüsse an Entwässerungs- und Versorgungsanlagen | Aufteilung erfolgt je
Anlage. |
19. Gartenanlagen | Aufteilung erfolgt je nach
der Arbeit. |
20. Straßenbau | Fertige Straßenbauabschnitte
stellen Teilleistungen dar. Der BdF
ist damit einverstanden, dass auch der bis auf die Feinschicht fertiggestellte Straßenoberbau einerseits und die Feinschicht andererseits als Teilleistungen angenommen werden. Ebenfalls kann es sich bei größeren Erdarbeiten um Teilleistungen handeln. |
21. Kanalbau | Eine abschnittsweise Aufteilung (z.
B. von Schacht zu
Schacht) ist zulässig. |
22. Heizungsanlagen | Die Aufteilung kann haus-
oder blockweise je Anlage
vorgenommen werden. Bei selbständigen Etagenheizungen kann nach Wohnungen aufgeteilt werden. |
Oberfinanzdirektion Karlsruhe v. - S 7270
Fundstelle(n):
DAAAB-61178