Schätzung des Ausfuhrwarengewichts; Pflichtverletzungen der Behörde bei der Ausfuhrabfertigung schließen Rückforderung der Ausfuhrerstattung nicht aus
Gesetze: ZK Art. 68; AO § 162
Instanzenzug:
Gründe
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat 1992 zwei Partien Schlachtrinder zur Ausfuhr in Drittländer abfertigen lassen. Sie hatte die Rinder von einem Viehhändler (im Folgenden: H) gekauft. Dieser ist inzwischen wegen Subventionsbetrugs verurteilt worden, weil er in zahlreichen Fällen das Gewicht der von ihm verkauften Rinder unzutreffend zu hoch angegeben und dadurch bewirkt habe, dass Ausfuhrerstattungen zu Unrecht gewährt worden sind. Hinsichtlich der in diesem Verfahren streitigen Ausfuhrsendungen hat das Landgericht (LG) von den Angaben der Klägerin in der Ausfuhranmeldung abweichende Gewichte festgestellt.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) hat die der Klägerin nach Maßgabe ihrer Gewichtsangaben gewährte Ausfuhrerstattung, die auf die nach diesen Feststellungen sich ergebende Gewichtsdifferenz entfällt, zurückgefordert. Die hiergegen erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die an sich nach § 17 Abs. 2 des Zollgesetzes bestehende Vermutung, dass die Menge der ausgeführten Waren den Angaben in der Zollanmeldung entspricht, sei in Anbetracht der Feststellungen des LG widerlegt, weil die ernstliche Möglichkeit ihrer Unrichtigkeit bestehe. Es obliege folglich der Klägerin, die zutreffenden Gewichte der von ihr ausgeführten Rinder nachzuweisen. Das gelte selbst dann, wenn es zuträfe, dass Kontrollen der von H erstellten Wiegelisten seitens der Zollbeamten angezeigt gewesen wären.
Das HZA habe zu Recht die im Strafverfahren vom Gericht festgestellten Gewichte seinem Rückforderungsbescheid zugrunde gelegt. Auch das FG könne sich diese Feststellungen zu Eigen machen, die letztendlich auf den Angaben des H beruhten. Selbst wenn aber Zweifel verbleiben sollten, ob die den Verkaufsrechnungen entnommenen Gewichte der Rinder jeweils dem tatsächlichen Gewicht der Rinder am Tage der Ausfuhr entsprachen, sei es gerechtfertigt, die fraglichen Gewichtsdifferenzen in entsprechender Höhe zu schätzen.
Die Klägerin könne sich gegenüber der Rückforderung auch nicht auf Vertrauensschutz nach § 48 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) berufen. Denn sie habe unrichtige Angaben gemacht; ob sie dies wusste oder hätte wissen müssen, sei ohne Bedeutung.
Die Klägerin könne sich schließlich auch nicht gemäß § 49a Abs. 2 VwVfG auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Denn sie müsse sich die Kenntnis oder die infolge grober Fahrlässigkeit fehlende Kenntnis derjenigen Personen zurechnen lassen, deren sie sich bei Erfüllung ihrer Obliegenheiten gegenüber dem HZA bedient hat. Sie müsse sich also die Gewichtsmanipulationen des H zurechnen lassen, was nach vorgenannter Vorschrift die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung ausschließe.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde, mit der geltend gemacht wird, der Rechtsstreit betreffe grundsätzliche Fragen des Ausfuhrerstattungsrechts, nämlich
- „ob ein unlauteres Verhalten eines Dritten bei der Gewichtsermittlung dem Exporteur zuzurechnen ist und er daher schon aus diesem Grunde als bösgläubig zu bezeichnen ist, oder ob ihm eine Bösgläubigkeit nur dann vorgeworfen werden kann, wenn ihm eine grobe Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, insbesondere aufgrund konkreter Umstände eine Veranlassung bestanden hätte, die Gewichtsermittlungen des Lieferanten zu überprüfen,
- welche Pflichten der Zollbehörde bei der Gewichtsfeststellung obliegen, und zu welchen Konsequenzen eine Verletzung dieser Pflicht führt, insbesondere ob hierdurch eine grobe Fahrlässigkeit und damit eine Bösgläubigkeit des Exporteurs bzw. eine Rückforderung der Ausfuhrerstattung ausgeschlossen ist und
- wem die Beweislast für etwaige Manipulationen des Lieferanten bei der Gewichtsermittlung obliegt, speziell wenn der Zollbehörde bei der Gewichtsfeststellung bzw. -kontrolle ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist, sowie
- ob eine Schätzung der Gewichtsmanipulationen zulässig ist, speziell dann, wenn die Manipulationen durch ein pflichtwidriges Verhalten der Zollbehörden erst ermöglicht wurden bzw. bei einem pflichtgemäßen Verhalten hätten entdeckt werden können?”
Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Denn die in der Beschwerdebegründung aufgeführten Rechtsfragen sind, soweit über ihre richtige Beantwortung überhaupt Zweifel bestehen können, durch die Rechtsprechung bereits geklärt.
Im Einzelnen:
1. Der Senat hat —in Kenntnis des von der Beschwerde angeführten Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom Rs. C-366/95 (EuGHE 1998, I-2661)— bereits entschieden, dass sich ein Ausführer das Verhalten eines Dritten grundsätzlich zurechnen lassen muss, wenn er sich dessen zur Erfüllung der ihm auferlegten marktordnungsrechtlichen Pflichten —hier: der Ermittlung des Gewichts der von der Klägerin ausgeführten Rinder— bedient (Beschluss des Senats vom VII B 113/94, BFHE 175, 478; vgl. auch allgemein Urteil des Senats vom VII R 27/03, BFH/NV 2004, 1205). Anderenfalls könnte sich, was nicht Sinn des Ausfuhrerstattungsrechts sein kann, ein Ausführer seiner Verantwortlichkeit dadurch weitgehend entziehen, dass er die an sich ihm abverlangten Handlungen mehr oder weniger vollständig auf Dritte überträgt.
Die weitere von der Beschwerde aufgeworfene Frage, wann einem Ausführer eigene Bösgläubigkeit vorgeworfen werden kann, stellt sich mithin nicht.
2. Es bedarf auch nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass die der Zollbehörde auferlegte Pflicht, die Angaben eines Ausführers —stichprobenweise— zu überprüfen (hier: seine Gewichtsangaben), wenn nicht ausschließlich, so doch jedenfalls in allererster Linie im öffentlichen Interesse besteht und nicht den Sinn hat, den Ausführer vor Schaden zu bewahren und die Folgen eines betrügerischen Verhaltens seiner Lieferanten von ihm abzuwenden. Dementsprechend kann ein Ausführer gegen die Rückforderung ihm zu Unrecht gewährter Ausfuhrerstattung schwerlich einwenden, die Zollbehörde habe vorgenannte Pflicht verletzt und müsse daher —ggf. im Wege eines Anlastungsverfahrens— den Schaden der unrechtmäßigen Erstattungsgewährung selbst tragen.
3. Die Beweislast für die Erstattungsvoraussetzungen trägt —auch im Falle einer zunächst erfolgten Gewährung der Erstattung bis zum Ablauf des vierten Jahres— der Ausführer. Das ergibt sich aus dem Beschluss des Senats vom VII B 213/99 (BFH/NV 2000, 1374). Die Vorstellung der Beschwerde, Pflichtverletzungen der Zollbehörden bei der Ausfuhrabfertigung könnten an dieser Beweislastverteilung etwas ändern, teilt der Senat nicht.
Es kann schließlich auch nicht zweifelhaft sein und verleiht der Rechtssache daher keine grundsätzliche Bedeutung, dass eine Schätzung des Gewichts der Ausfuhrware nach den allgemein für eine Schätzung maßgeblichen Kriterien zulässig ist (vgl. u.a. Beschluss des Senats vom VII B 139/02, BFH/NV 2003, 670). Auch daran kann nichts ändern, wenn die Zollbehörde den ihr im öffentlichen Interesse auferlegten Pflichten zur Überprüfung der Ausfuhranmeldung nicht gehörig nachgekommen ist, was die Beschwerde hier behauptet.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1887 Nr. 10
HAAAB-58943