Nachschieben von Revisionszulassungsgründen; Rüge mangelnder Sachaufklärung
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3
Instanzenzug:
Gründe
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war vor Verlegung seines Hauptwohnsitzes ins Ausland in Deutschland als Notar tätig. Wegen erheblicher Steuerrückstände leitete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn ein. Nachdem dem FA bekannt geworden war, dass der Kläger seinerseits gegen seine Schuldner die Vollstreckung betreibe, pfändete das FA beim Amtsgericht (AG) A die gegenwärtigen und künftigen Ansprüche, Forderungen und Rechte des Klägers gegen Dritte, die durch den Gerichtsvollzieher beigetrieben und auf ein Hinterlegungskonto eingezahlt würden. Einspruch und Klage gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die gepfändeten Beträge für das AG A eindeutig zu ermitteln gewesen seien. Denn auf dem Hinterlegungskonto sollten nur solche Beträge der Pfändung unterworfen werden, die durch Gerichtsvollzieher beigetrieben worden waren. Es handle sich um eine Kontopfändung vergleichbar mit der Pfändung eines Bankkontos. Entgegen der Auffassung des Klägers habe das FA auch keine Pfändung „ins Blaue hinein” vorgenommen. Hierzu habe das FA vorgetragen, im Rahmen eines anderen Vollstreckungsverfahrens davon Kenntnis erlangt zu haben, dass der Kläger die Vollstreckung gegen seine Schuldner aus seiner Notartätigkeit betreibe. Die Vorgehensweise des FA erweise sich auch nicht als unverhältnismäßig. Denn der Kläger habe vor der Vollstreckungsmaßnahme dem FA keinen Geldbetrag, sondern lediglich die Abtretung von Forderungen angeboten, deren Wert ungewiss und für das FA nicht überprüfbar gewesen sei.
Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, die er im Wesentlichen auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung —FGO—) stützt. Zur Begründung der Divergenzrüge beruft sich der Kläger auf einen (Der Deutsche Rechtspfleger 1981, 240), in dem ausgeführt wird, dass eine Pfändung in die nach den Vorschriften der Hinterlegungsordnung bestehende Rechtsposition eines Schuldners als Hinterlegungsbeteiligter nicht als hinreichend bestimmt angesehen werden kann, wenn keinerlei nähere Angaben gemacht werden, die eine sichere und zuverlässige Auffindung des betreffenden Vorgangs der Hinterlegungsstelle ermöglichen und dass eine solche Vollstreckung nicht in jeder Hinsicht mit der Vollstreckung in Ansprüche eines Bankkunden aus Giro- und Depotvertrag zu vergleichen sei. Von diesen Grundsätzen weiche das erstinstanzliche Urteil ab.
In mehreren nach Ablauf der Begründungsfrist des § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO nachgereichten Schriftsätzen hat der Kläger eine Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von zwei weiteren höchstrichterlichen Entscheidungen behauptet ( IXa ZB 229/03 und Senatsentscheidung vom VII R 19, 20/00, BFHE 195, 516, BStBl II 2002, 67) und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) sowie eine entsprechende Umdeutung seiner Beschwerde geltend gemacht.
Darüber hinaus habe das FG seine Überzeugung auf der Grundlage eines unvollständig ermittelten Sachverhalts gebildet und damit gegen seine Sachaufklärungspflicht aus § 76 FGO verstoßen. Da das FA lediglich unsubstantiierte Behauptungen und Vermutungen aufgestellt habe, hätte das FG der Frage nachgehen müssen, über welche konkreten Anhaltspunkte das FA hinsichtlich der Hinterlegung und der Herausgabeansprüche gegen das AG A verfügt habe.
Das FA tritt der Beschwerde entgegen und macht geltend, dass der Kläger die behauptete Divergenz nicht hinreichend dargelegt und auch die Entscheidung des Kammergerichts nicht ausreichend bezeichnet habe. Im Kern seines Vorbringens trage der Kläger Gründe vor, die sich gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung richtete. Auch der vom Kläger behauptete Verfahrensmangel sei nicht ordnungsgemäß dargelegt, im Übrigen liege er auch nicht vor.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg, denn der Kläger hat einen Grund, der zur Zulassung der Revision führen könnte, nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt. Im Übrigen liegt der behauptete Verfahrensmangel der mangelnden Sachverhaltsaufklärung nicht vor.
1. Die ordnungsmäßige Erhebung einer Divergenzrüge setzt voraus, dass der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeitet und einander gegenüberstellt, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom X B 103/02, BFH/NV 2004, 180, und vom II B 33/01, BFH/NV 2002, 1482).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Dem innerhalb der Begründungsfrist eingegangenen Schriftsatz sind solche abstrakten Rechtssätze nicht zu entnehmen. Unter Hinweis auf ein —das der Kläger entgegen der Auffassung des FA zumindest mit der Angabe der Fundstelle ausreichend bezeichnet hat (vgl. , BFH/NV 1995, 513)— wendet sich der Kläger im Kern seines Vorbringens gegen die seiner Ansicht nach unzutreffende rechtliche Würdigung durch das FG, das zu Unrecht angenommen habe, die Pfändung genüge den Erfordernissen des Bestimmtheitsgebots. Erst in einem mehrere Monate später eingereichten Schriftsatz hat der Kläger Rechtssätze des erstinstanzlichen Urteils und der Kammergerichtsentscheidung herausgearbeitet und einander gegenübergestellt. Selbst wenn dieses verspätete Vorbringen noch als zulässige Ergänzung der Beschwerdebegründung gewertet werden könnte, vermag es die behauptete Divergenz nicht zu belegen. Denn das FG hat den vom Kläger formulierten Rechtssatz, „dass es bei einer Pfändung eines Anderkontos ausreichend ist, wenn die unsubstantiierte Behauptung und Vermutung aufgestellt wird, dass eine Forderung gegenüber der Hinterlegungsstelle besteht ohne den Hinterleger und den Schuldgrund näher zu bezeichnen”, überhaupt nicht aufgestellt. Wie der Urteilsbegründung zu entnehmen ist, hat das FG die Erklärungen des FA nicht in Zweifel gezogen und auch nicht als bloße Vermutungen gewertet. Im Rahmen seiner Verfahrensrüge trägt der Kläger selbst zutreffend vor, dass das FG den Vortrag des FA als substantiiert angesehen habe.
Im Übrigen weist der beschließende Senat darauf hin, dass der Entscheidung des Kammergerichts ein vom Streitfall abweichender Sachverhalt zugrunde gelegen haben muss. Denn in der Entscheidung wird darauf abgestellt, dass eine Pfändung dann nicht dem Bestimmtheitserfordernis genügt, wenn keinerlei nähere Angaben gemacht werden, die der Hinterlegungsstelle eine sichere und zuverlässige Auffindung des betroffenen Vorgangs ermöglichen. Im Streitfall hingegen wurde insofern eine Eingrenzung der Forderungen vorgenommen, als das FA die Pfändung auf von Gerichtsvollziehern beigetriebene Forderungen beschränkt hat. Das FG hat daher die vom Kläger mit der Beschwerde nicht angegriffene Feststellung getroffen, dass diese Beträge für das AG eindeutig zu ermitteln gewesen seien.
Auch hinsichtlich der beiden —ebenfalls nach Ablauf der Begründungsfrist— angeführten Divergenzentscheidungen fehlt es an der erforderlichen Herausarbeitung und Gegenüberstellung von abstrakten Rechtssätzen, die eine Abweichung erkennen lassen.
2. Soweit sich der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache beruft, ist dieser Vortrag zurückzuweisen, da dieser Zulassungsgrund erst nach Ablauf der Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht worden ist. Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH dürfen nachgeschobene Zulassungsgründe nicht mehr berücksichtigt werden (vgl. , BFHE 168, 17, BStBl II 1992, 842, sowie Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Rz. 23, m.w.N.). Auch eine Umdeutung eines fristgerecht geltend gemachten Zulassungsgrundes in einen anderen Zulassungsgrund kommt grundsätzlich nicht in Betracht.
3. Eine Zulassung der Revision ist auch nicht deshalb geboten, weil die angefochtene Entscheidung nach Auffassung des Klägers als willkürlich anzusehen ist. Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nur dann betroffen, wenn dem FG bei der Auslegung und Anwendung des Rechts Fehler unterlaufen sind, die von so erheblichem Gewicht sind, dass sie, würden sie von einem Rechtsmittelgericht nicht korrigiert, geeignet wären, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen, etwa weil Verfahrensgrundrechte verletzt worden sind oder das aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitende Recht eines Beteiligten auf eine willkürfreie gerichtliche Entscheidung durch das Urteil des FG nicht befriedigt wird (Senatsbeschluss vom VII B 141/01, BFH/NV 2002, 798, m.w.N.). Der beschließende Senat vermag die behauptete Willkür nicht zu erkennen. Vielmehr hat das FG seine Entscheidung mit nachvollziehbaren Gründen versehen. Dass es dabei die zur Frage der Bestimmtheit einer gepfändeten Forderung ergangene finanz- und zivilgerichtliche Rechtsprechung nicht zitiert und dargestellt hat, kann nicht dahin gedeutet werden, dass es diese gänzlich außer Acht gelassen und sich mit der bestehenden Rechtslage überhaupt nicht auseinander gesetzt hätte. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht Parteivorbringen und darin enthaltene Hinweise auf gerichtliche Entscheidungen zur Kenntnis genommen hat.
4. Soweit der Kläger seine Beschwerde darauf stützt, dass das FG den Sachverhalt unzureichend ermittelt habe, genügen die Darlegungen nicht den Erfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Eine schlüssige Rüge, das FG habe den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen näher aufklären müssen, setzt u.a. den substantiierten Vortrag voraus, aus welchen (genau bezeichneten) Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung (Beweiserhebung) auch ohne entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen, welche (entscheidungserheblichen) Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. Senatsurteil vom VII R 72/99, BFHE 192, 390, und Senatsbeschluss vom VII B 51/03, BFH/NV 2004, 217, m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Insbesondere legt der Kläger nicht dar, aus welchen Gründen sich dem FG aus seiner Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen.
Tatsächlich liegt der behauptete Verfahrensmangel auch nicht vor. Denn das FG ist erkennbar von einem schlüssigen und substantiierten Sachvortrag des FA ausgegangen. In diesem Zusammenhang hat es ausgeführt, dass das FA die Behauptung des Klägers widerlegt habe, das FA habe eine Pfändung „ins Blaue hinein” vorgenommen. Entgegen dem Vorbringen des Klägers hat das FG die Einlassungen des FA nicht als bloße Vermutungen gedeutet, sondern hat sie als nachvollziehbare Erklärungen gewertet, die keiner weiteren Aufklärung bedurften. Deshalb hat sich aus seiner Sicht eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auch nicht aufgedrängt.
Fundstelle(n):
XAAAB-58621