Instanzenzug:
Gründe
I. Die Antragstellerin, Klägerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) bezog im Jahr 1999 Kindergeld in Höhe von 1 115 DM monatlich von der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Familienkasse). Am teilte sie der Familienkasse mit, sie habe den am abgesandten Scheck über das ihr zustehende Kindergeld noch nicht erhalten und fragte an, wann sie das Geld abholen könne. Die Antragstellerin erhielt daraufhin nach einer entsprechenden Verfügung der Familienkasse das Kindergeld für Juni am bar ausgezahlt.
Im Zuge entsprechender Ermittlungen teilte die Postbank mit, das Kindergeld für Juni sei bereits am um 9.15 Uhr bei der Postfiliale in H im Stadtteil L nach Vorlage des am von der Postbank ausgestellten Verrechnungsschecks ordnungsgemäß ausgezahlt worden. Der Scheckeinreicher habe sich mit dem Reisepass der Antragstellerin ausgewiesen. Eine Kopie des Verrechnungsschecks mit der auf der Rückseite durch eine Unterschrift der Antragstellerin bestätigten Barauszahlung war der Mitteilung der Postbank beigefügt.
Die Familienkasse forderte die Antragstellerin daraufhin mit Bescheid vom auf, das für den Monat Juni 1999 einmal zuviel gezahlte Kindergeld auf der Grundlage von § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zurückzuerstatten.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führt in seiner Entscheidung im Wesentlichen aus, die Echtheit der Unterschrift der Antragstellerin auf der Bestätigung betreffend den Erhalt des Bargeldes am sei durch das eingeholte graphologische Gutachten bestätigt worden. Hiernach habe die Antragstellerin mit „sehr hoher Wahrscheinlichkeit” —mithin dem zweithöchsten Wahrscheinlichkeitsgrad— selbst ihre Unterschrift auf der Bestätigung angebracht. Auch die gesamten Umstände des Sachverhalts sprächen dafür, dass sie es gewesen sei, die bereits am das ihr für den Monat Juni 1999 zustehende Kindergeld abgeholt habe. Gegen den von der Antragstellerin vorgetragenen möglichen Geschehensablauf, ein Dritter habe die Unterschrift gefälscht und die Seriennummer ihres Reisepasses missbräuchlich verwendet, spreche mitentscheidend auch der Umstand, dass die Antragstellerin es unterlassen habe, eine entsprechende Strafanzeige zu stellen.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Antragstellerin im Wesentlichen die Verletzung der Sachaufklärungspflicht des Gerichts nach § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch das Übergehen von Beweisanträgen als Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.
Die Antragstellerin begehrt unter Beifügung des ausgefüllten Vordrucks zur Darstellung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die bereits eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde.
II. Der Antrag auf Gewährung von PKH wird abgelehnt, weil die von der Antragstellerin eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
1. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
2. Im Streitfall hat die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde bei der gebotenen überschlägigen Prüfung keine Aussicht auf Erfolg, weil sie bereits unzulässig ist.
Die fachkundig vertretene Antragstellerin hat die gerügten Verfahrensmängel schon nicht hinreichend dargelegt (§§ 115 Abs. 2 Nr. 3, 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
a) Wird eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG in Form eines Verstoßes gegen den Grundsatz der unmittelbaren Beweisaufnahme geltend gemacht, gehört zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Verfahrensmangels auch der Vortrag, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608, und vom VII B 51/03, BFH/NV 2004, 217). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz nach § 76 Abs. 1 FGO einschließlich des Prinzips der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter —ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge— verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust zur Folge.
Das Übergehen von Beweisanträgen kann nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen mündlichen Verhandlung anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem die Nichtbefolgung seiner Beweisanträge erkennbar war, den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat. Der Rügeberechtigte muss die Rüge sowie die übergangenen Beweisanträge zu Protokoll erklären (vgl. , BFH/NV 2000, 597; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 49; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 81 FGO Tz. 34, § 115 FGO Tz. 92).
b) Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.
Die Antragstellerin hat weder substantiiert dargelegt noch ist es aus dem Sitzungsprotokoll des FG ersichtlich, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem FG Beweisanträge zu Protokoll erklärt und die unterlassene Beweisaufnahme gerügt hat. Ausweislich des Sitzungsprotokolls sind außer den Sachanträgen keine weiteren Anträge —also auch keine Beweisanträge— gestellt worden.
Soweit die Antragstellerin mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung geltend macht, das FG hätte auch unabhängig von einem entsprechenden Beweisantrag von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) eine Beweisaufnahme durchführen müssen, so wären für eine schlüssige Verfahrensrüge Ausführungen dazu erforderlich gewesen, welche Tatsachen das FG hätte aufklären müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten, inwiefern eine weitere Aufklärung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einem anderen Ergebnis hätte führen können und aus welchen Gründen sich dem FG unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunkts die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom VII B 53/03, BFH/NV 2004, 978; vom IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43, jeweils m.w.N.). Ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht ist in diesem Zusammenhang nur gegeben, wenn das FG eine konkrete Möglichkeit, den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären, nicht genutzt hat (Tipke/Kruse, a.a.O., § 115 FGO Tz. 91).
Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Antragstellerin in der Beschwerdeschrift nicht.
Vielmehr wird aus ihrem Vortrag deutlich, dass aus maßgeblicher Sicht des FG gerade keine weitere Beweisaufnahme geboten war. Das FG ist bei der Würdigung der zur Verfügung stehenden Beweismittel —insbesondere dem Sachverständigengutachten und den schriftlichen Mitteilungen der Postbank— zu dem Ergebnis gelangt, die Antragstellerin habe das ihr zustehende Kindergeld für Juni 1999 bereits am bei der Postfiliale L bar entgegengenommen. Da der Sachverhalt mithin aus Sicht des FG hinreichend geklärt war, war eine weitere Beweiserhebung entbehrlich.
c) Soweit sich die Beschwerde sinngemäß auch gegen die vom FG vorgenommene Beweiswürdigung als möglichen Verfahrensfehler nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. § 96 Abs. 1 FGO richtet, hat sie gleichfalls keine Aussicht auf Erfolg.
Die Beschwerde enthält keinen Hinweis darauf, dass die Schlussfolgerungen des FG nicht den allgemeinen Grundsätzen der Beweiswürdigung entsprechen und mit den allgemeinen Erfahrungs- und Denkgesetzen nicht in Einklang zu bringen sind (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 115 FGO Tz. 108). Insbesondere durfte das FG die Aussage der Deutschen Post, bei der Antragstellerin werde „in der Regel zwischen 9 und 10 Uhr” zugestellt, nach dem Wortsinn auch dahin gehend auslegen, dass es von dieser Regel Ausnahmen gab. Demgegenüber widerspricht die von der Antragstellerin vorgenommene Auslegung, dass „in der Regel” mit dem Begriff „ausschließlich” gleichzusetzen sei, dem Wortlaut der schriftlichen Aussage der Post und darüber hinaus der Lebenswirklichkeit, wonach atypische Geschehensabläufe bei der Postzustellung als gerichtsbekannt gelten.
d) Auch die Verfahrensrüge der Antragstellerin, das FG habe durch den Erlass einer Überraschungsentscheidung den Grundsatz auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, hat keine Erfolgsaussicht.
Insoweit ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass das FG sein Urteil entgegen § 96 Abs. 2 FGO auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt hätte, zu denen die Beteiligten sich zuvor nicht äußern konnten. Vielmehr ergibt sich aus den Akten, dass beide Beteiligte noch vor der mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit hatten, zu allen der Entscheidung des FG zugrunde liegenden schriftlichen Unterlagen Stellung zu nehmen.
3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen.
Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 FGO, § 1 Nr. 3 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. dem Kostenverzeichnis).
Fundstelle(n):
ZAAAB-57310