Durch Umschuldung eines zum Erwerb eines Einfamilienhauses geschlossenen Darlehensvertrags entstandene Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig
Leitsatz
Schuldzinsen und andere mit einem Kredit in Zusammenhang stehende Aufwendungen können grundsätzlich nur dann eine außergewöhnliche Belastung bilden, wenn die Schuldaufnahme durch Ausgaben veranlasst ist, die ihrerseits eine außergewöhnliche Belastung darstellen. Da Aufwendungen für den Erwerb eines Einfamilienhauses weder als außergewöhnlich noch als zwangsläufig anzusehen sind, stellen auch die durch Umschuldung des zum Erwerb geschlossenen Darlehensvertrags entstandenen Aufwendungen (insbesondere Vorfälligkeitsentschädigung) keine außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG dar.
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute, erwarben im Jahr 1994 ein Einfamilienhaus. Zur Finanzierung nahmen sie einen Kredit über 200 000 DM bei der Lebensversicherungs-AG A und ein Darlehen über ein Volumen von 60 000 DM bei der Sparkasse auf, das Anfang des Streitjahres 1999 zur Rückzahlung fällig wurde. Da A diesen Kredit nicht zusätzlich übernehmen wollte und es wegen der nachrangigen Besicherung schwierig wurde, einen anderen Darlehensgeber zu finden, entschieden sich die Kläger für die Durchführung einer Umschuldung.
Sie stellten die Zahlungen an A zum ein. Dies führte zur Kündigung des entsprechenden Kreditvertrages zum mit Inrechnungstellung der vereinbarten Vorfälligkeitsentschädigung, Zinsen und weiterer Kosten in Höhe von insgesamt 25 663 DM.
Parallel dazu schlossen die Kläger am einen Kreditvertrag mit der B-Bank über ein Volumen von 300 000 DM. Diesen Betrag verwendeten die Kläger dazu, die Darlehen an die Sparkasse und an A zurückzuzahlen.
Zum wurde die Klägerin arbeitslos, der Kläger ebenfalls Ende des Jahres 1999.
Die Kläger machten in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1999 den genannten Betrag von 25 663 DM als außergewöhnliche Belastung geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte die beantragten Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 348 veröffentlicht ist, führte im Wesentlichen aus: Schuldzinsen und andere mit einem Kredit in Zusammenhang stehende Aufwendungen könnten nur dann eine außergewöhnliche Belastung bilden, wenn die Schuldaufnahme durch Ausgaben veranlasst sei, die ihrerseits eine außergewöhnliche Belastung darstellten. Dies bedeute, dass hinsichtlich der Zwangsläufigkeit und der Außergewöhnlichkeit bei der Aufnahme von Schulden immer die Vorgänge als maßgebend anzusehen seien, die ursächlich die spätere Verpflichtung aus den Schulden ausgelöst hätten. Der Maßstab der Zwangsläufigkeit müsse deshalb an die Ursache des Ereignisses angelegt werden, das zur Eingehung der Schuld geführt habe, weil andernfalls Aufwendungen, die weder außergewöhnlich noch zwangsläufig seien, auf dem Umweg über die Begründung einer Schuldverpflichtung unter § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) fielen. Nach diesen Grundsätzen könnten die Kläger die wegen der vorzeitigen Kündigung des Kredites geleisteten Zahlungen nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend machen, da die Aufnahme des Darlehens nicht zwangsläufig gewesen sei.
Zur Begründung der Revision tragen die Kläger im Wesentlichen vor: Der Kredit sei ihnen gekündigt worden, weil sie unter dem Druck der anstehenden Arbeitslosigkeit ihre Zahlungen eingestellt hätten. Die Versteigerung des Hauses habe nur deshalb vermieden werden können, weil sie anschließend doch noch eine Bank gefunden hätten, die die gesamte Finanzierung übernommen habe. Die Klage sei mit der Begründung abgewiesen worden, die ursprüngliche Kreditaufnahme sei nicht durch Ausgaben veranlasst gewesen, die ihrerseits eine außergewöhnliche Belastung darstellten. Diese Beurteilung übersehe, dass sie, die Kläger, die strittigen Aufwendungen wegen der Arbeitslosigkeit zweimal hätten bezahlen müssen, nämlich einmal als vorweggenommene Zinsen (Vorfälligkeitsentschädigung) und zum anderen als Zinsen an die übernehmende Bank. Diese Doppelzahlung sei direkt durch die Arbeitslosigkeit verursacht und nicht durch die ursprüngliche Kreditaufnahme. Diesem Umstand messe die Urteilsbegründung ausdrücklich keine Bedeutung zu.
Sie hätten sich aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen den Aufwendungen nicht entziehen können. Sie hätten zur Vermeidung der Versteigerung ihres Eigenheims alles getan, um eine Neufinanzierung nach der Kündigung der Altfinanzierung „auf die Beine zu stellen”. Die Aufwendungen gegenüber der erstfinanzierenden Bank stellten für sie eine unausweichliche finanzielle Belastung im Sinne des (BFHE 132, 55, BStBl II 1981, 130) dar. Es sei somit unzutreffend, auf eine früher freiwillig eingegangene Verpflichtung abzustellen. Vielmehr sei die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen im Jahr der Zahlung zu untersuchen.
Die Kläger beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung 25 663 DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Im Ergebnis zu Recht hat das FG die Aufwendungen im Zusammenhang mit der vorzeitigen Kündigung des Hauskredits nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt.
1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommmensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen sind in diesem Sinne zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit sie den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Entlastungsbeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich der außergewöhnlichen Belastungen ausgeschlossen sind die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sowie die durch § 10 EStG und Freibeträge für Kinder oder Kindergeld abgegoltenen weiteren zwangsläufigen Aufwendungen (vgl. , BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774, und vom III R 24/01, BFHE 199, 296, BStBl II 2002, 567).
Nicht unter § 33 EStG fallen auch Kosten, die einem Steuerpflichtigen als Folge seiner frei getroffenen Entscheidungen zur Lebensgestaltung und Lebensführung erwachsen (§ 12 EStG). Diese sind grundsätzlich von ihm selbst —ohne eine steuerliche Entlastung— zu tragen. Anspruch auf Solidarität der Gemeinschaft hat der Einzelne in der Regel nur, wenn ihn entweder die Steuerzahlung überfordert —für diese Fälle sehen die §§ 163, 227, 222 der Abgabenordnung (AO 1977) die Möglichkeit von Billigkeitsmaßnahmen vor— oder wenn die Aufwendungen einen Bereich der Lebensführung betreffen, welcher der individuellen Gestaltungsmöglichkeit des Einzelnen entzogen ist. Nur diese Fälle werden, sofern es sich nicht um Aufwendungen handelt, die durch allgemeine Entlastungsbeträge abgegolten werden, durch § 33 EStG erfasst, der ohne Überprüfung der Vermögensverhältnisse zu einer Steuerminderung führt (vgl. , BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240, und vom III R 31/02, BFHE 205, 274, BStBl II 2004, 867).
Schuldzinsen und andere mit einem Kredit in Zusammenhang stehende Aufwendungen können grundsätzlich nur dann eine außergewöhnliche Belastung bilden, wenn die Schuldaufnahme durch Ausgaben veranlasst ist, die ihrerseits eine außergewöhnliche Belastung darstellen (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 124, 39, BStBl II 1978, 147; vom III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745, m.w.N.; vom III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vgl. auch Blümich/Heger, Einkommensteuergesetz, § 33 Rz. 252; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 33 Rz. 35). Umstände, die sich erst nach Aufnahme des Kredits ergeben, wie etwa ein späterer Vermögensverfall, sind grundsätzlich unbeachtlich (vgl. , BFHE 65, 399, BStBl III 1957, 385; Stöcker in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 33 Rz. 838; Blümich/Heger, a.a.O., § 33 Rz. 253). Zwangsläufigkeit kann in derartigen Fällen nur bejaht werden, wenn zusätzlich zu der selbst begründeten Rechtspflicht eine weitere rechtliche oder eine sittliche Verpflichtung bzw. eine tatsächliche Zwangslage zur Leistung der Aufwendungen besteht, oder wenn die Übernahme der Rechtspflicht ihrerseits auf rechtlichen oder sittlichen Verpflichtungen bzw. einer tatsächlichen Zwangslage beruht (BFH-Urteile in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745, und in BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774; vgl. auch Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 33 Rz. 35; Blümich/Heger, a.a.O., § 33 Rz. 253).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen fehlt es im Streitfall an der Außergewöhnlichkeit und der Zwangsläufigkeit der entstandenen Aufwendungen.
a) Maßgebend ist zunächst, dass die geltend gemachten Kosten im Zusammenhang mit der Umschuldung eines Darlehensvertrages zum Erwerb eines Einfamilienhauses entstanden sind. Nach der Rechtsprechung des Senats sind Aufwendungen für den Erwerb eines Einfamilienhauses weder als außergewöhnlich noch als zwangsläufig anzusehen. Die Anschaffung eines Einfamilienhauses berührt typischerweise das Existenzminimum nicht und ist deshalb ein Vorgang der normalen Lebensführung (BFH-Urteil in BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774; vgl. auch Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 33 Rz. 14; Blümich/Heger, a.a.O., § 33 Rz. 270; Stöcker in Lademann, a.a.O., § 33 Rz. 116).
Die von den Klägern vorgenommene Umschuldung war damit dem Grunde nach schon nicht durch Ausgaben veranlasst, die ihrerseits eine außergewöhnliche Belastung darstellen.
b) In diesem Zusammenhang ist darüber hinaus zu beachten, dass der Steuerpflichtige bei einem Vertrag, den er selbst abgeschlossen hat, etwaige aus dem Vertrag geltend gemachte Ansprüche durch eine entsprechende Gestaltung seiner zivilrechtlichen Beziehungen von vornherein ausschließen kann. Hat er dies versäumt, hat er die entscheidende Ursache für die ihm später entstandenen Aufwendungen selbst gesetzt und kann sich grundsätzlich nicht darauf berufen, er habe sich in einer Zwangslage befunden (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und vom III R 33/99, BFH/NV 2001, 1391).
Da eine Vorfälligkeitsentschädigung —die im Streitfall den Hauptkostenfaktor bildet— Bestandteil der auf die (verkürzte) Gesamtlaufzeit des Kredits bezogenen Gegenleistung des Darlehensnehmers für die Inanspruchnahme des Fremdkapitals ist, bleibt der Rechtsgrund für die Zahlung weiterhin der ursprüngliche Darlehensvertrag, wenn auch in seiner geänderten Fassung (, BFHE 188, 406, BStBl II 1999, 473). Mithin haben die Kläger bei der Ausgestaltung der Kreditverträge seinerzeit selbst die Ursache für die im Streitjahr entstandenen Aufwendungen gesetzt, so dass diese auch nicht als zwangsläufig i.S. von § 33 EStG anzusehen sind.
c) Demgegenüber ist die von den Klägern aufgeworfene Frage, inwieweit Aufwendungen infolge von Finanzierungsschwierigkeiten aufgrund eingetretener Arbeitslosigkeit als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können, nicht entscheidungserheblich. Die Zahlungen waren im Streitfall tatsächlich im Hinblick auf die geplante Umschuldung eingestellt worden. Dies ergibt sich schon aus dem zeitlichen Ablauf der Geschehnisse, wonach die Kläger die Zinsen auf den Kredit des A schon lange vor Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht mehr bezahlt hatten. Ferner löste auch der nachfolgend vereinbarte Darlehensvertrag mit der B-Bank eine fortdauernde Verpflichtung zur Entrichtung von Schuldzinsen bei den Klägern aus, die diese trotz eingetretener Arbeitslosigkeit zu tilgen vermochten. Insofern ist ihr Vortrag, sie seien aufgrund der eingetretenen Arbeitslosigkeit hinsichtlich der Schuldzinsen zahlungsunfähig geworden, auch aus diesem Grund unschlüssig.
d) Das FG hat zwar zu Unrecht bei der Beurteilung der Zwangsläufigkeit ausschließlich auf die Umstände bei der ursprünglichen Darlehensaufnahme abgestellt. Insofern hat sich die Rechtsprechung —wie eingangs dargestellt— dahin gehend geändert, dass ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände auch nach einer selbst begründeten Rechtspflicht eine außergewöhnliche Belastung vorliegen kann (vgl. BFH-Urteile in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745, und in BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774; vgl. auch Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 33 Rz. 35; Blümich/Heger, a.a.O., § 33 Rz. 253). Derartige besondere Umstände sind im Streitfall nicht gegeben.
Anhaltspunkte für eine rechtliche oder sittliche Zwangslage der Kläger zur Durchführung der Umschuldung sind nicht ersichtlich.
Tatsächliche Gründe ergeben aber nur dann eine Zwangsläufigkeit, wenn der Steuerpflichtige aufgrund eines unausweichlichen Ereignisses zu den Aufwendungen gezwungen wird. Hierzu zählen insbesondere Aufwendungen aus Anlass von Krankheiten, Geburt, Tod, Naturkatastrophen, Brand, nicht selbst verschuldetem Unfall, Erpressung und anderen unzumutbaren Beschränkungen der Freiheit (vgl. Blümich/Heger, a.a.O., § 33 Rz. 110; Stöcker in Lademann, a.a.O., § 33 Rz. 162).
Der dem Streitfall zugrunde liegende Sachverhalt ist nicht vergleichbar mit den genannten Fallgruppen, da die Aufwendungen —wie bereits aufgezeigt— unmittelbar auf der von den Klägern freiwillig durchgeführten Umschuldung beruhen. Deshalb handelt es sich bei den angefallenen Kosten im Ergebnis um Aufwendungen, die den Klägern als Folge ihrer frei getroffenen Entscheidungen zur Lebensgestaltung erwachsen (§ 12 EStG) und daher von diesen selbst zu tragen sind (BFH-Urteil in BFHE 205, 274, BStBl II 2004, 867).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1529 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 39/2005 S. 3276
EAAAB-56935