Erlass der Rückforderung unberechtigt gewährter Investitionszulage; Umfang der Ermittlungspflicht der FinanzbehördeS. 6
Gesetze: AO §§ 227, 88, 90; InvZulG §§ 7, 8
Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt Urteil vom 1 K 336/02
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ab.
Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Beantwortung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtsfrage abhängig ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinander setzen.
Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinander gesetzt hat. Ferner ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen (, BFH/NV 2005, 46, m.w.N.).
Insbesondere ist auszuführen, dass in einem nachfolgenden Revisionsverfahren die aufgeworfene Rechtsfrage geklärt werden kann (BFH-Beschlüsse vom I B 46/99, BFH/NV 2000, 955; vom III B 21/00, BFH/NV 2001, 921).
Die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen, ob die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zum Grundsatz der Billigkeit prinzipiell Vorrang gegenüber dem Grundsatz der Einzelfallgerechtigkeit im Sinne einer Einzelfallprüfung besitze und die Anwendung nationalen Verfahrensrechts ausschließe, welche Anforderungen an einen Erlass gemäß § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) zu stellen seien und ob zollrechtliche Verfahrensbestimmungen (Art. 239 Abs. 1 des Zollkodexes —ZK—) auch in anderen Rechtsgebieten entsprechend anzuwenden seien, wären in einem künftigen Revisionsverfahren mangels Rechtserheblichkeit nicht klärbar.
Die Rückforderung unberechtigt gewährter Investitionszulage richtet sich ausschließlich nach den Verfahrensbestimmungen der AO 1977 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1991 (, BFHE 146, 322, BStBl II 1986, 467) und die Verzinsung des Rückforderungsanspruchs nach § 8 InvZulG 1991.
Die AO 1977 ist zwar nur vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Gemeinschaft anzuwenden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Investitionszulage um eine besondere Form der Steuervergütung handelt (so z.B. Vorbem. zum BFH-Schreiben vom , BStBl I, 768; offen gelassen im , BFHE 157, 270, BStBl II 1989, 805) oder um eine Subvention (so , Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1985, 1972; ebenfalls Selder in Blümich, Einkommensteuergesetz und Nebengesetze, Vor § 1 InvZulG 1996 Rz. 4). Jedenfalls beruht die Investitionszulage auf einer nationalen und nicht einer gemeinschaftsrechtlichen materiell-rechtlichen Rechtsgrundlage.
Die Frage, ob bei der Durchführung des InvZulG nationales Verfahrensrecht oder gemeinschaftsrechtliche Grundsätze anzuwenden ist, ist deshalb nicht rechtserheblich und somit nicht klärbar.
2. Die behauptete Abweichung des angefochtenen Urteils von früheren Entscheidungen des BFH oder internationalem Recht (EuGH) legt der Kläger ebenfalls nicht schlüssig dar. Unter dem Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO (Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherheit einer einheitlichen Rechtsprechung) fallen sowohl die Divergenz im engeren Sinne als auch sog. qualifizierte Rechtsanwendungsfehler (, BFH/NV 2002, 1616).
a) Der Kläger hat keinen dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden abstrakten, tragenden Rechtsgrundsatz herausgearbeitet, der von einem ebensolchen Grundsatz des BFH oder des EuGH abwiche.
b) Ebenso wenig hat der Kläger schlüssig vorgetragen, dass die Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts durch das Finanzgericht (FG) Fehler von einigem Gewicht erkennen ließen, die geeignet wären, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen oder dass es sich gar um eine willkürliche, jeder gesetzlichen Grundlage entbehrenden Entscheidung handelte, d.h. dass ein sog. qualifizierter Rechtsanwendungsfehler vorläge.
3. Der Kläger hat schließlich auch keine Verfahrensverstöße bezeichnet, auf denen das angefochtene Urteil beruhen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
a) Die gerichtliche Überprüfung von Ermessensentscheidungen der Finanzverwaltung, zu denen auch der Erlass von Rückforderungsansprüchen und darauf angefallener Nachforderungszinsen gehört, ist gemäß § 102 FGO auf die Frage beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht beachtet worden sind oder ob das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden ist.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1991 kann zwar Investitionszulage nicht aus Billigkeitserwägungen gewährt werden, jedoch kann von der Rückforderung zu Unrecht gewährter Investitionszulage aus Billigkeitsgründen abgesehen werden (, BFHE 125, 481, BStBl II 1978, 657).
Maßgebend für die Überprüfung von Ermessensentscheidungen ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, d.h. der Einspruchsentscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—). Deshalb kann nicht neues tatsächliches Vorbringen im Klageverfahren zur Aufhebung der ablehnenden Entscheidung des FA führen; denn nachgeschobene Gründe gegen eine Ermessensentscheidung sind unbeachtlich.
Allerdings setzt eine fehlerfreie Ermessensentscheidung voraus, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt einwandfrei und erschöpfend ermittelt worden ist. Auch insoweit ist jedoch der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend.
Der Umfang der Ermittlungspflichten der Finanzbehörde richtet sich nach § 88 AO 1977. Diese Vorschrift gilt auch in Billigkeitsverfahren. Insbesondere wird die Ermittlungspflicht aber durch die dem Steuerpflichtigen gemäß § 90 AO 1977 auferlegten Mitwirkungspflichten begrenzt (vgl. , BFH/NV 2001, 882; BFH-Beschlüsse vom VII B 312/00, BFH/NV 2002, 889; vom V B 117/99, BFH/NV 2000, 973; ferner , BFH/NV 1989, 80).
Das FA hat die Erlassbedürftigkeit des Klägers im Rahmen der Einspruchsentscheidung umfassend geprüft und entscheidend darauf abgestellt, dass der Kläger über ein unbelastetes Grundstück verfüge sowie nach seinen eigenen Angaben über eine in diesem Haus zur Vermietung hergerichtete zweite Wohnung und dieser Umstand den Verkehrswert des Hauses noch gesteigert habe. Die Erklärung zu den angeblich vorgenommenen Modernisierungsmaßnahmen, die in absehbarer Zeit auch die Zahlungsfähigkeit des Klägers herstellen und eine Ratenzahlung gewährleisten sollten, hatte der Kläger selbst im Klageverfahren 1 K 317/97 zur —schließlich erfolgreichen— Durchsetzung seines Stundungsbegehrens vor dem FG abgegeben. Diesen Erklärungen des Klägers ist das FA bei der Prüfung der Erlassbedürftigkeit gefolgt. Das FG hat es ebenfalls als ermessensfehlerfrei beurteilt, dass die Finanzbehörde im maßgebenden Zeitpunkt von diesem Sachverhalt ausgegangen ist, dass der Kläger nämlich aus der bevorstehenden Vermietung Mieteinkünfte zu erwarten habe und seine Kreditmöglichkeiten angesichts der unbelasteten Vermögenswerte auch noch nicht ausgeschöpft gewesen seien.
Ging das FA nach diesen Gesamtumständen von einer jedenfalls nicht dauernden Leistungsunfähigkeit des Klägers aus, so ist weder ersichtlich, dass sich dem FA im Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung nach Lage des Falles —entgegen den eigenen Angaben des Klägers— weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen noch hat der Kläger derartige Umstände aufgezeigt.
b) Entgegen der Behauptung des Klägers, nach deutschem Prozessrecht müsse der Verfahrensgegner auf Sachausführungen auch in gleicher Weise erwidern, war es dem beklagten FA völlig unbenommen, sich auf Rechtsausführungen zu beschränken. Insbesondere läge darin kein Verstoß des FG gegen für die im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen.
c) Mit der Rüge, dem FG seien bei der Anwendung und Auslegung revisiblen Rechts schwerwiegende Fehler unterlaufen, das angefochtene Urteil sei weder nachvollziehbar noch „begründet”, weil es nicht auf einem einwandfrei und erschöpfend ermittelten Sachverhalt beruhe, wird allenfalls die materiell-rechtliche Unrichtigkeit behauptet, die indes keinen zur Zulassung der Revision führenden Grund darstellt (vgl. , BFH/NV 2002, 1474).
Wie ausgeführt, hat das FG keine eigenständigen Ermittlungen hinsichtlich einer Ermessensentscheidung anzustellen, sondern ist auf die Überprüfung der allein der Verwaltung zukommenden Ermessensentscheidung auf Ermessensfehler hin beschränkt.
Ebenso stellen Fragen der Beweiswürdigung, des Beweismaßstabs sowie die Angabe der hierfür leitenden Gesichtspunkte Fragen des materiellen Rechts dar (, BFH/NV 2003, 810).
Die Nichtberücksichtigung von Umständen, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätten einfließen müssen, kann zwar ausnahmsweise verfahrensfehlerhaft sein, wenn das FG Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt lässt (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Für eine schlüssige Verfahrensrüge muss indes, was nicht geschehen ist, dargetan werden, welche konkreten Aktenteile bzw. welche bestimmten Ausführungen nicht berücksichtigt worden sein sollen und inwiefern die angefochtene Entscheidung des FG auf der Nichtberücksichtigung beruhen kann (, BFH/NV 2005, 339).
Überdies hat das FG —wie ebenfalls ausgeführt— die angefochtene Verwaltungsentscheidung auf Ermessensfehler hin zu überprüfen und nicht zu entscheiden, ob auf der Grundlage neuen Vorbringens des Klägers ggf. eine andere Ermessensentscheidung möglich oder sogar nunmehr geboten wäre.
Fundstelle(n):
BAAAB-55630