Höhe des Veräußerungserlöses
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine von den Kapitalquoten der Gesellschafter abweichende Gewinnverteilung in einer Familienkapitalgesellschaft einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) darstellt, wenn sie allein der Steuerersparnis dient, ist im Streitfall nicht klärungsfähig; dasselbe gilt für die Frage, ob die „Grundsätze der inkongruenten Gewinnverteilung” auf den Streitfall übertragbar sind.
Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur, wenn sie sich im Streitfall auch stellt, so dass sie in einem künftigen Revisionsverfahren für die Entscheidung rechtserheblich ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rn. 30, m.w.N.). Daran fehlt es. Zwar stützt sich die Begründung der Vorentscheidung im Ausgangspunkt auf das Senatsurteil vom VIII R 8/77 (BFHE 135, 31, BStBl II 1982, 248). In dieser Entscheidung ist der Senat davon ausgegangen, dass ein Rechtsmissbrauch i.S. des § 6 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes —StAnpG— (§ 42 AO 1977) vorliegen könne, wenn die Gewinnverteilung in einer Kapitalgesellschaft, an der nahe Angehörige beteiligt sind, entgegen der gesetzlichen Regel (§ 29 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung —GmbHG—; jetzt: § 29 Abs. 3 Satz 1 GmbHG) in einem deutlichen Missverhältnis zur Höhe der Geschäftsanteile steht. Dem folgend hat das (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1989, 302) einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 AO 1977 bejaht, wenn die Gesellschafter einer Familien-GmbH den gesamten Gewinn einem Gesellschafter zuweisen, um diesem die Ausnutzung eines Verlustvortrags zu ermöglichen. Auch auf dieses Urteil hat sich das FG in der Ausgangsentscheidung bezogen.
Der vom FG festgestellte —und von den Klägern nicht mit Verfahrensrügen angegriffene— Sachverhalt bietet jedoch keine Veranlassung, auf die steuerrechtliche Zulässigkeit inkongruenter Gewinnverteilungen in Familienkapitalgesellschaften einzugehen, weil es im Streitfall nicht um die Verteilung des Gewinns geht, sondern um die Höhe des Veräußerungserlöses, den die Klägerin als einzige i.S. des § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wesentlich beteiligte Gesellschafterin bei der Veräußerung ihres Geschäftsanteils im Zuge der Veräußerung des gesamten Unternehmens erzielt hat. Das FG hat zwar formuliert, für die Aufteilung des von den Gesellschaftern einer Familien-GmbH aus der Veräußerung sämtlicher Geschäftsanteile (in einem einheitlichen Übertragungsakt zu einem Gesamtkaufpreis) erzielten Erlöses könne nichts anderes gelten als für die Verteilung des laufenden Gewinns in der Gesellschaft. Ersichtlich beruht das Urteil aber nicht auf dieser Aussage. Das FG hat den Gedanken nicht ausgeführt und etwa begründet, inwiefern die beiden Fallgruppen miteinander vergleichbar sind. Es hat vielmehr die Besonderheiten des Streitfalles eingehend gewürdigt und —ohne Rückgriff auf Parallelwertungen— einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten bejaht. Es hat sich dabei von der normativen Aussage leiten lassen, dass der dem wesentlich beteiligten Gesellschafter aus der Veräußerung seines Geschäftsanteils zurechenbare Erlös durch die Vereinbarung eines unangemessen niedrigen Teilkaufpreises nicht gemindert werden kann, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass sämtliche Geschäftsanteile der Familien-GmbH in einem einheitlichen Vorgang und zu einem Gesamtkaufpreis veräußert worden sind. Der ergänzende Hinweis des FG auf die von ihm zitierte Rechtsprechung zu inkongruenten Gewinnausschüttungen in Familienkapitalgesellschaften trägt zur Begründung des Urteils nichts bei.
2. Bei diesem Verständnis der Vorentscheidung ist das FG auch nicht von der Rechtsprechung des I. Senats (, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43) abgewichen, wonach eine inkongruente Gewinnausschüttung selbst dann keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten darstellt, wenn sie dazu dient, das Verlustausgleichspotential eines Anteilseigners auszuschöpfen. Denn das FG hat —unabhängig davon, ob die Aussage des I. Senats auch für Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen Geltung beanspruchen kann (vgl. Gosch, Die steuerliche Betriebsprüfung 2000, 339)— einen hiervon abweichenden und seine Entscheidung tragenden Rechtssatz nicht aufgestellt. Eine lediglich beiläufig geäußerte abweichende Rechtsansicht begründet keine Divergenz (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rn. 54 a.E.).
3. Soweit die Kläger am Rande auch die Frage aufwerfen, ob die Beteiligung eines fremden Dritten an der zu beurteilenden rechtlichen Gestaltung die Anwendung des § 42 AO 1977 nicht stets ausschließe, fehlt es jedenfalls an der Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage.
In der Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass einvernehmliches Handeln unter fremden Dritten ohne Hinzutreten besonderer Umstände ein missbräuchliches Verhalten i.S. des § 42 AO 1977 nicht begründet (vgl. , BFHE 196, 128, und vom VIII R 44/01, BFH/NV 2004, 925). Solche besonderen Umstände hat das FG im Streitfall darin gesehen, dass die Erwerberin hinsichtlich der „Aufteilung” des Gesamtkaufpreises auf die einzelnen Anteilsverkäufe —entgegen der allgemeinen Vermutung— keine eigenen Interessen verfolgt habe, da sie lediglich am Erwerb sämtlicher Geschäftsanteile zu einem Gesamtkaufpreis interessiert gewesen sei. Mit dieser Würdigung hat sich das FG auch nicht in Widerspruch gesetzt zu seiner Feststellung, dass die Erwerberin der Geschäftsanteile anfänglich nur mit der damaligen Mitgesellschafterin der Klägerin verhandelt habe. Die Würdigung des FG, das die Absicht der Erwerberin, nur sämtliche Geschäftsanteile der GmbH erwerben zu wollen, bei der gebotenen Gesamtschau vor allem aus dem Inhalt der Verträge abgeleitet hat, ist zumindest möglich. Wann die Erwerberin diesen Entschluss gefasst hatte, war nicht zu entscheiden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1258
BFH/NV 2005 S. 1258 Nr. 8
HAAAB-54883