BFH Beschluss v. - VII B 144/04

Instanzenzug:

Gründe

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) belieferte die Firma M-OHG im August 2000 mit Kraftstoffen. Die letzte Zahlung der M-OHG erfolgte am . Mit Beschluss vom eröffnete das Amtsgericht (AG) das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der M-OHG. Zugleich erließ das AG nach § 21 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) ein allgemeines Veräußerungsverbot gemäß §§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), ein Vollstreckungsverbot gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO und ordnete gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO an, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sein sollten. Am wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, worauf die Klägerin am ihre Forderungen gegenüber der M-OHG zur Tabelle anmeldete. Einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides stellte die Klägerin nicht. Für die Mineralöllieferungen vom 8. bis zum beantragte sie beim Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt —HZA—) gemäß § 53 Abs. 1 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStV) die Erstattung von Mineralölsteuer. Das HZA lehnte die begehrte Erstattung mit der Begründung ab, dass die Klägerin die Forderungen nicht gerichtlich verfolgt habe.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der Klägerin ein Vergütungsanspruch nicht zustehe, weil sie es unterlassen habe, ihren Anspruch rechtzeitig gerichtlich zu verfolgen, wie dies § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV vorschreibe. Im Streitfall wäre die Klägerin gehalten gewesen, noch vor der Eröffnung des „endgültigen” Insolvenzverfahrens gerichtliche Schritte einzuleiten. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) mache der Insolvenzantrag des Schuldners eine gerichtliche Geltendmachung der Forderungen nicht entbehrlich. Wer untätig bleibe, verliere seinen Vergütungsanspruch, selbst wenn später das Insolvenzverfahren tatsächlich eröffnet werde und es zur Anmeldung der Forderungen zur Tabelle komme. Dies gelte auch für den Fall, dass das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellen und ein allgemeines Veräußerungsverbot erlassen würde. Insbesondere stehe § 240 der Zivilprozessordnung (ZPO) dem Erlass eines Mahnbescheides nicht entgegen. Denn das AG habe der M-OHG kein absolutes Verfügungsverbot i.S. von § 21 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative InsO, sondern lediglich ein allgemeines Veräußerungsverbot auferlegt. Der Beschluss des AG sei in diesem Punkt eindeutig, so dass das FG keinen Anlass gehabt habe, dem Hilfsbeweisantrag der Klägerin auf Vernehmung der Amtsrichterin nachzugehen. Schließlich könne sich die Klägerin nicht auf die Unzumutbarkeit der Einleitung eines Mahnverfahrens berufen. Denn auf subjektive Zumutbarkeitserwägungen komme es ebenso wenig an, wie auf die Erfolgsaussichten einer Vollstreckung bei nachträglicher Betrachtungsweise. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass der BFH Mineralölhändlern grundsätzlich einen Zeitraum von zwei Monaten für die Einleitung der gerichtlichen Verfolgung ihrer Ansprüche eingeräumt habe.

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—), aus dem Gesichtspunkt der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) sowie wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob die im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Zwei-Monats-Frist für die gerichtliche Geltendmachung auch im Falle der vorläufigen Insolvenz gemäß § 21 Abs. 2 InsO gelte, sofern gleichzeitig ein allgemeines Veräußerungsverbot gemäß §§ 135, 136 BGB auferlegt und gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO angeordnet werde, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien oder Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO untersagt werden. Die Klärung dieser Frage sei für den gesamten Mineralölhandel von Bedeutung, denn dieser müsse wissen, ob noch die völlig unnötigen Kosten der Einleitung eines Mahnverfahrens im Zeitpunkt der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung aufzuwenden seien. Der BFH sei gehalten, in Fortbildung des Rechts und auch seiner eigenen bisherigen Rechtsprechung die Sache grundsätzlich neu aufzugreifen und zu überdenken. Hierfür gebe die Einführung des neuen Insolvenzrechts zum i.V.m. der Änderung von § 240 ZPO hinreichend Anlass.

Von grundsätzlicher Bedeutung sei auch die Rechtsfrage, ob ein Mineralölhändler, der seine Ansprüche nicht innerhalb von zwei Monaten gerichtlich verfolge, auch dann seinen Vergütungsanspruch verliere, wenn er in Kenntnis einer vorläufigen Insolvenz mit allgemeinem Veräußerungsverbot und Zustimmungsvorbehalt sowie Zwangsvollstreckungseinstellung im Hinblick auf den Wortlaut des § 240 ZPO seine Ansprüche aufgrund einer Verfahrensunterbrechung für zur Zeit nicht durchsetzbar halte. Denn wenn dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt werde, trete nach dem Wortlaut von § 240 Satz 2 ZPO eine Verfahrensunterbrechung ein. Im Streitfall hätte die Klägerin von einer solchen Unterbrechung ausgehen können.

Im Übrigen habe das FG bei der Annahme der Zwei-Monats-Frist für die gerichtliche Geltendmachung gravierende Fehler begangen, so dass die Entscheidung des FG willkürlich und unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheine. Falsch sei die Rechtsansicht des FG, dass die Anordnung eines allgemeinen Veräußerungsverbots nicht identisch mit dem in § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO angesprochenen allgemeinen Verfügungsverbot sei. Bei richtiger Auslegung von § 240 Satz 2 ZPO sei davon auszugehen, dass auch dann eine Verfahrensunterbrechung eintrete, wenn ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt werde. Denn der Insolvenzverwalter solle ausreichend Bedenkzeit haben, über die Fortführung des Prozesses zu entscheiden.

Im Streitfall könne die Klägerin ausnahmsweise nicht verpflichtet werden, die gerichtliche Verfolgung in Kenntnis des Beschlusses des AG fortzuführen. Denn sie sei nicht untätig geblieben und sei lediglich aufgrund des Gesetzestextes und der Kommentierung davon ausgegangen, dass eine Verfahrensunterbrechung eingetreten sei.

Die Rechtsprechung des BFH zur Auslegung von § 53 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 MinöStV bedürfe dringend der Überprüfung, da sie auf einer falschen Prämisse beruhe und in verfassungsrechtlich geschützte Positionen der Mineralölhändler eingreife. Die Vorschrift sollte für den Bereich der Mineralölsteuer die bis dahin geltenden Billigkeitsregelungen ersetzen. Der Gesetzesbegründung sei zu entnehmen, dass eine Entlastung nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift dann erfolgen solle, wenn dies der Billigkeit entspreche. Deshalb müsse aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung und nicht aufgrund einer schematischen Anwendung des in § 53 Abs. 1 MinöStV festgelegten Anforderungskatalogs entschieden werden. Entscheidend sei, dass der Mineralölhändler das ihm Zumutbare getan habe.

Schließlich habe das FG einen Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begangen, indem es trotz ausdrücklichen Beweisantritts die Amtsrichterin nicht zum Inhalt des von ihr verfassten Beschlusses vernommen habe. Entgegen dem gewählten Wortlaut habe sie nicht ein allgemeines Veräußerungsverbot, sondern ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen wollen.

Das HZA tritt der Beschwerde entgegen und schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des FG an.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Dabei kann der Senat offen lassen, ob die Klägerin die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO hinreichend i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt hat. Die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen von angeblich grundsätzlicher Bedeutung sind jedenfalls nicht klärungsbedürftig. Der gerügte Verfahrensmangel ist bereits nicht hinreichend dargelegt.

1. Die von der Klägerin formulierte Rechtsfrage, ob die Zwei-Monats-Frist zur gerichtlichen Geltendmachung des Kaufpreisanspruchs auch im Falle der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt und Untersagung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gelte, ist nur so zu beantworten, wie es das FG getan hat. Daher fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage.

a) Gemäß § 53 Abs. 1 MinöStV ist eine Voraussetzung des Vergütungsanspruchs des Lieferanten von nachweislich voll versteuertem Mineralöl hinsichtlich der im Verkaufspreis enthaltenen und beim Warenempfänger wegen dessen Zahlungsunfähigkeit ausgefallenen Steuer, dass „der Zahlungsausfall trotz vereinbarten Eigentumsvorbehalts, laufender Überwachung der Außenstände, rechtzeitiger Mahnung bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung und gerichtlicher Verfolgung des Anspruchs nicht zu vermeiden war”. Nach der Rechtsprechung des Senats sind diese vom Verkäufer des Mineralöls zur Erhaltung seines späteren möglichen Anspruchs gegen den Fiskus zu treffenden Maßnahmen darauf angelegt, einen Forderungsausfall zu verhindern oder zumindest in Grenzen zu halten (Senatsentscheidung vom VII B 269/99, BFHE 191, 179).

Da der Vorschrift kein schuldnerschützender Charakter zukommt, sondern sie vielmehr zur Erhaltung des dem Gläubiger evtl. zustehenden Vergütungsanspruchs dient, bleibt es dem Gläubiger überlassen, ob er den in der Vorschrift aufgezeigten typischen Weg (letzte Mahnung unter Fristsetzung und Androhung gerichtlicher Verfolgung) einschlägt oder unter Verzicht dieser Zwischenschritte den Anspruch unmittelbar gerichtlich verfolgt. Entscheidend kann letztlich nur sein, dass die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs „rechtzeitig” i.S. von § 53 Abs. 1 MinöStV erfolgt.

Zu der Frage in welchem zeitlichen Rahmen sich die gerichtliche Geltendmachung zu bewegen hat, hat der Senat in seiner Entscheidung vom VII B 247/98 (BFHE 188, 217) „am Rande bemerkt, ohne sich im Detail festzulegen”, dass ein Mahnsystem hinzunehmen wäre, bei dem sichergestellt sei, dass im Falle der Nichtbegleichung einer Forderung spätestens etwa zwei Monate nach der Belieferung die gerichtliche Verfolgung in die Wege geleitet werde. Aus diesem obiter dictum und auch aus den Senatsentscheidungen vom VII B 53/00 (BFH/NV 2001, 1304) und vom VII R 7/02 (BFH/NV 2003, 575) lässt sich indes keine starre Frist von zwei Monaten ableiten, die der Gläubiger unabhängig vom Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und unabhängig von seinem Kenntnisstand über dessen finanzielle Situation verstreichen lassen könnte, ohne die gerichtliche Verfolgung einzuleiten. Vielmehr lässt sich dem Senatsbeschluss vom VII B 64/02 (BFH/NV 2003, 84) entnehmen, dass eine Situation eintreten kann, in der vom Gläubiger ein unverzügliches Handeln gefordert wird. Hat nämlich der Schuldner einen Insolvenzantrag gestellt, darf der Gläubiger nicht untätig abwarten, ob das Insolvenzverfahren auch eröffnet wird, sondern muss, zumal die Vermögenssituation eines sich für zahlungsunfähig erklärenden Schuldners von vornherein nicht zuverlässig abzuschätzen ist, auch jetzt noch die ihm rechtlich möglichen und zumutbaren gerichtlichen Maßnahmen (z.B. die Erwirkung eines Mahnbescheides) ergreifen, um im Falle einer Ablehnung des Insolvenzantrags unverzüglich auf die weitere Durchsetzung seiner Ansprüche hinwirken zu können. Wer dennoch in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners untätig bleibt, verliert seinen Vergütungsanspruch, auch wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird. Denn wie der Senat entschieden hat, kommt es auf Zumutbarkeits- oder Verschuldenserwägungen sowie auf eine Kausalitätsbetrachtung ex-post bei der gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV zu ergreifenden Maßnahme der gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche nicht an (Senatsbeschluss vom VII B 40/01, BFH/NV 2002, 373).

b) Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist die Entscheidung des FG nicht zu beanstanden, dass von einer Rechtzeitigkeit der gerichtlichen Geltendmachung nicht mehr ausgegangen werden kann, wenn der Gläubiger sich nach Kenntniserlangung von der Zahlungsunfähigkeit seines Abnehmers darauf beschränkt, den Schuldner auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen einschließlich der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts hinzuweisen und danach untätig die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abwartet, um die Forderungen zur Tabelle anmelden zu können. Auch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt und die Anordnung eines Vollstreckungsverbots sowie eines allgemeinen Veräußerungsverbots gemäß §§ 135, 136 BGB machen den Erlass eines Mahnbescheides oder die Erhebung einer Klage nicht von vornherein entbehrlich.

Im Streitfall steht insbesondere § 240 ZPO dem Erlass eines Mahnbescheides nicht entgegen. Denn nach den Feststellungen des FG hat das AG der M-OHG kein allgemeines Verfügungsverbot, sondern lediglich ein den Schutz bestimmter Personen bezweckendes Veräußerungsverbot auferlegt. Hätte das AG der M-OHG die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über ihr Vermögen entziehen wollen, hätte es der Anordnung des Zustimmungsvorbehalts nicht bedurft. Denn nach § 22 Abs. 1 InsO geht im Falle der Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners kraft Gesetzes auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. Gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO kann das Insolvenzgericht lediglich alternativ ein umfassendes Verfügungsverbot oder einen Zustimmungsvorbehalt anordnen. Im Falle der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots verbleibt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, wie auch die Prozessführungsbefugnis, beim Schuldner (Haarmeyer in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Bd. 1, § 22 Rdnr. 133, 184; Maus in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 22 Rdnr. 185, m.w.N.). Dies gilt auch für den Fall, dass das Insolvenzgericht ein allgemeines Veräußerungsverbot i.S. von § 21 Abs. 1 InsO verhängt (Wienberg in Hess/Weiss/Wienberg, Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. § 21 Rdnr. 59).

Die Erhaltung der Prozessführungsbefugnis steht auch der Anwendung von § 240 Satz 2 ZPO entgegen. Infolgedessen werden bei der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 22 Abs. 2 InsO die in diesem Zeitpunkt anhängigen Prozesse auch nicht unterbrochen (vgl. Gerhardt in Jaeger, Insolvenzordnung, § 22 Rdnr. 142). Denn die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts führt zwar zu einem relativen Veräußerungsverbot, nicht jedoch zu einem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis unter Eintritt der in § 240 Satz 2 ZPO angeordneten Rechtsfolgen (vgl. Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 26. Aufl., § 240 Rdnr. 2; Stadler in Musielak, Zivilprozessordnung, 3. Aufl., § 240 Rdnr. 3, sowie Freiber, Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2. Aufl., § 240 Rdnr. 12). Somit ist auch bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt die gerichtliche Verfolgung des Anspruchs nicht ausgeschlossen und bleibt damit unverzichtbare Voraussetzung für den Vergütungsanspruch nach § 53 Abs. 1 MinöStV, selbst wenn sich die Einleitung dieser Maßnahme in einer ex-post Betrachtung als erfolglos erweisen sollte.

Eine andere rechtliche Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil das Insolvenzgericht ein Vollstreckungsverbot verhängt hat. Denn § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO bezieht sich nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut nur auf „nicht unbewegliche Gegenstände” und lässt die Vollstreckung in Immobilien unberührt. Daher bleiben Vollstreckungsmaßnahmen in Bezug auf das unbewegliche Vermögen, wie z.B. die Eintragung einer Zwangshypothek, weiterhin möglich. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es im Zeitpunkt der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen noch nicht feststeht, ob es überhaupt zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommen wird. Weist das Insolvenzgericht den Antrag auf Eröffnung des Verfahrens zurück (vgl. § 26 Abs. 1 InsO), erlangen die von den Gläubigern bereits vor der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters getroffenen Maßnahmen wieder an Bedeutung. Ein untätig gebliebener Gläubiger kann dann in eine ungünstigere Ausgangsposition geraten. Es kann nicht Sinn und Zweck von § 53 MinöStV sein, die in einem solchen Fall durch die Untätigkeit entstandenen Nachteile zu kompensieren.

c) Auch auf Zumutbarkeits- oder Verschuldenserwägungen kommt es nach der Rechtsprechung des BFH nicht an (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2002, 373). Deshalb ist die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob die Frist von zwei Monaten auch dann gilt, wenn der Mineralölhändler aufgrund des Wortlauts von § 240 ZPO lediglich in der —rechtsirrigen— Annahme ist, seine Ansprüche seien zur Zeit nicht durchsetzbar, nicht klärungsbedürftig. Auch ein möglicherweise entschuldbarer Irrtum über die wahre Rechtslage vermag das Erfordernis einer gerichtlichen Verfolgung des Anspruchs nicht entbehrlich zu machen. Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen waren deshalb so zu beantworten, wie es das FG bereits getan hat.

Im Streitfall hat die Klägerin nach der letzten Belieferung am trotz Kenntnis der Sachlage bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am keine Maßnahmen zur gerichtlichen Verfolgung ihrer Forderungen getroffen, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung eines Vergütungsanspruches nach § 53 Abs. 1 MinöStV nicht als erfüllt angesehen werden können.

2. Die Klägerin hat auch keine schwerwiegenden Rechtsfehler des erstinstanzlichen Erkenntnisses aufgezeigt, die eine Zulassung der Revision aus diesem Gesichtspunkt geboten erscheinen ließen. Der BFH hat das Vorliegen solcher Fehler dann bejaht, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom IV B 85/02, BFHE 203, 404, 405, BStBl II 2004, 25, und vom IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837). Diese besonderen Umstände sind in der Beschwerdeschrift anzuführen. Die Formulierung von Rechtsfragen von angeblich grundsätzlicher Bedeutung und der bloße Hinweis auf erhebliche Rechtsfehler reichen nicht aus, um eine greifbare Gesetzeswidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung darzulegen (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 216/01, BFH/NV 2002, 923).

3. Auch die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn zur ordnungsgemäßen Darlegung des Verfahrensfehlers mangelhafter Sachaufklärung durch Unterlassen einer beantragten Zeugenvernehmung gehört nach ständiger Rechtsprechung auch der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (vgl. , BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und Senatsbeschluss vom VII B 10/03, BFH/NV 2004, 529). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO), hat die Unterlassung der rechtzeitigen Rüge den endgültigen Rügeverlust —z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde— zur Folge. Das Übergehen eines Beweisantrages kann deshalb im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen Verhandlung selbst anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem die Nichtbefolgung eines Beweisantrages oder die mangelhafte Sachaufklärung während der Zeugenbefragung erkennbar war, den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597).

Im Streitfall lässt sich eine entsprechende Rüge vor dem FG weder der Beschwerdeschrift noch dem Sitzungsprotokoll entnehmen. Im Übrigen hat das FG ausführlich und nachvollziehbar begründet, warum es von der Vernehmung der von der Klägerin benannten Zeugin abgesehen hat. Aus der materiell-rechtlichen Sicht des FG kam es auf das Ergebnis der beantragten Beweiserhebung nicht an.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1384
BFH/NV 2005 S. 1384 Nr. 8
MAAAB-54877