Notwendige Beiladung im Anteilsbewertungsverfahren
Gesetze: FGO § 123 Abs. 1 Satz 2; AntBewV §§ 4, 5
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt eine Druckerei und einen Verlag. Sie hält 50 % des Stammkapitals der P-GmbH; ihr stehen jedoch 65 % der von der P-GmbH ausgeschütteten Dividenden zu.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die gesonderte und einheitliche Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an der Klägerin zum und 1993. Dabei ist zwischen den Beteiligten streitig, ob bei der Ermittlung des gemeinen Werts der Anteile der Wert der Beteiligung an der P-GmbH und die daraus zugeflossenen Erträge außer Ansatz zu lassen sind.
An der Klägerin war der im Jahr 1993 verstorbene W mit einem Geschäftsanteil von 10,82 % beteiligt. W, der Testamentsvollstreckung angeordnet hatte, wurde von seinen vier Enkelkindern, zu denen auch der nunmehr Beizuladende gehört, beerbt. Durch notarielle Auseinandersetzungsvereinbarung vom schied der Beizuladende aus der Erbengemeinschaft —die unter den übrigen Miterben fortgesetzt wird— aus.
Das Finanzgericht (FG) lud alle Personen zum Verfahren bei, die zu den maßgebenden Stichtagen zu mindestens 5 % an der Klägerin beteiligt waren. Soweit zwischenzeitlich eine Rechtsnachfolge eingetreten war, lud es die Rechtsnachfolger —hinsichtlich des zuvor von W gehaltenen Anteils die Testamentsvollstreckerin— bei. Bei Erlass seines Urteils am war ihm die Auseinandersetzungsvereinbarung vom nicht bekannt.
II. Der Beizuladende ist notwendig zum Verfahren beizuladen.
Die Beiladung beruht auf § 60 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 123 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung zur gesonderten Feststellung des gemeinen Werts nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften (AntBewV) sind am Feststellungsverfahren auch diejenigen Anteilsinhaber beteiligt, die dem Betriebsfinanzamt nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AntBewV von der Kapitalgesellschaft namhaft gemacht worden sind. Dabei handelt es sich um Personen, denen Rechte an mindestens 5 % des Nennkapitals zustehen. Der Feststellungsbescheid ist allen am Verfahren Beteiligten bekannt zu geben (§ 5 Abs. 2 Satz 1 AntBewV). Klagebefugt sind neben der Gesellschaft auch diejenigen Anteilsinhaber, denen der Feststellungsbescheid bekannt gegeben wurde (§ 7 Nr. 1 AntBewV); ist der Feststellungsbescheid mehreren Beteiligten bekannt zu geben, die —wie im vorliegenden Fall— keinen Empfangsbevollmächtigten bestellt haben, gilt die Kapitalgesellschaft als Empfangsbevollmächtigte (§ 5 Abs. 3 AntBewV). Entsprechend sind hier die angefochtenen Bescheide der Gesellschaft bekannt gegeben worden. Erhebt die Gesellschaft Klage gegen einen entsprechenden Feststellungsbescheid, sind zum Verfahren alle klagebefugten Gesellschafter notwendig beizuladen (, BFHE 141, 209, BStBl II 1984, 670).
2. Für den ergibt sich das Erfordernis einer notwendigen Beiladung schon daraus, dass zu diesem Zeitpunkt noch W (mit 10,82 %) an der Klägerin beteiligt war. Der Beizuladende ist als Gesamtrechtsnachfolger in vollem Umfang in diese Rechtsstellung des W einschließlich dessen verfahrensrechtlicher Position als eines zu mindestens 5 % am Nennkapital Beteiligten eingetreten.
3. Auch für den ist eine notwendige Beiladung vorzunehmen. Dies folgt daraus, dass der Beizuladende zu diesem Stichtag in ungeteilter Erbengemeinschaft an der Klägerin beteiligt war und den Mitgliedern der Erbengemeinschaft insgesamt ein Anteil von 10,82 % zuzurechnen war. Maßgeblich für die Betrachtung ist nicht der Anteil des einzelnen Miterben, sondern die Beteiligung der gesamten Erbengemeinschaft, weil nach § 18 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) Rechte aus einem Geschäftsanteil, der mehreren Mitberechtigten ungeteilt zusteht, nur gemeinschaftlich ausgeübt werden können. Diese Bestimmung umfasst —wie sich aus § 18 Abs. 3 Satz 2 GmbHG ergibt— auch Erbengemeinschaften.
Da kein Gesichtspunkt ersichtlich ist, der es gebieten würde, für die Auslegung der verfahrensrechtlichen Vorschriften der AntBewV von der Bestimmung des § 18 Abs. 1 GmbHG abzuweichen, können die Miterben auch ihre Rechte im Rahmen der AntBewV nur einheitlich ausüben. Dann muss aber auf die Gesamtbeteiligung aller Mitglieder der Erbengemeinschaft abzustellen sein. Dies gilt im vorliegenden Verfahren umso mehr, als zu allen streitigen Stichtagen Testamentsvollstreckung bestand.
4. Der Senat macht von seiner Möglichkeit Gebrauch, die Beiladung selbst vorzunehmen, obwohl objektiv schon das FG —dem das Ausscheiden des Beizuladenden aus der Erbengemeinschaft allerdings nicht bekannt war— die Beiladung hätte anordnen müssen. Eine Zurückverweisung an das FG ist im Streitfall nicht angezeigt, da weder nach Lage der Akten noch nach dem Vorbringen der Beteiligten damit zu rechnen ist, dass aufgrund der Beiladung weitere tatsächliche Feststellungen durch das FG getroffen werden müssen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 123 Rn. 5).
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1360 Nr. 8
VAAAB-54861