BFH Beschluss v. - X B 66/04

Rüge des Übergehens eines Beweisantrags

Gesetze: FGO §§ 76, 115

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb in den Streitjahren 1994 bis 1996 eine Spielhalle, in der auch Getränke und Snacks verkauft wurden.

Im Rahmen einer bei ihm durchgeführten Außenprüfung führte die Prüferin anhand des Wareneinsatzes und der ausliegenden Getränke- und Speisekarte eine Nachkalkulation durch. Anhand dieser Nachkalkulation war auch unter Berücksichtigung des Eigenverbrauchs und des Verzehrs durch das Personal ein Fehlbetrag zu verzeichnen. Bei der Umsatzzuschätzung berücksichtigte die Prüferin den Einwand des Klägers, dass zum Teil Getränke unentgeltlich an Gäste abgegeben worden seien, mit einem Abschlag von 5 000 DM jährlich. Hierbei ging die Prüferin im Wege der Schätzung davon aus, dass monatlich 240 Getränke an Gäste kostenlos abgegeben worden sind.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—), änderte aufgrund der bei der Außenprüfung getroffenen Feststellungen die für die Streitjahre ergangenen Einkommensteuerbescheide und Gewerbesteuermessbescheide.

Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens machte der Kläger geltend, das FA sei zu einer Zuschätzung nicht berechtigt gewesen, weil alle Einnahmen ordnungsgemäß im Kassenbuch erfasst worden seien. Seinen zunächst erklärten Verzicht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung widerrief dieser mit Schriftsatz vom , nachdem das Finanzgericht (FG) einen in der Klageschrift gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte. In diesem Schriftsatz führte er aus, es werde eine mündliche Verhandlung mit Beweisaufnahme beantragt. Ein entsprechender Schriftsatz „mit Beweiserhebung, bzw. Antrag auf Zeugeneinvernahme” werde bis zum eingereicht. Im Schriftsatz vom führte der Kläger u.a. aus, die unentgeltliche Abgabe von Getränken an Stammkunden habe er gegenüber dem FA durch schriftliche Erklärungen des Barkeepers und eines Spielautomatenhändlers glaubhaft gemacht. Er wiederhole seinen Antrag auf eine mündliche Verhandlung.

Mit Schriftsatz vom übersandte der Kläger dem FG drei schriftliche Erklärungen, u.a. diejenige seines Barkeepers. Dieser führte u.a. aus, er sei im Gewerbetrieb des Klägers alleinverantwortlich für den Ausschank und die Theke. Er bestätige, dass ca. 20 bis 30 % der Getränke unentgeltlich abgegeben würden.

Das FG entschied ohne mündliche Verhandlung und wies die Klage ab. Es vertrat den Standpunkt, der Kläger habe nicht substantiiert den Umfang der unentgeltlichen Warenabgaben nachgewiesen. In den von ihm vorgelegten Bestätigungen seien keine konkreten Angaben enthalten. Auch wenn man die geschätzten Angaben des Barkeepers als zutreffend unterstelle, verbleibe eine erhebliche Abweichung vom Buchführungsergebnis. Das FA sei deshalb zu einer Zuschätzung berechtigt gewesen. Bei dieser Schätzung seien unentgeltliche Warenabgaben berücksichtigt worden.

Mit seiner gegen die Nichtzulassung der Revision gerichteten Beschwerde macht der Kläger im Wesentlichen geltend, das FG habe zu Unrecht von der Vernehmung der angebotenen Zeugen abgesehen.

Der Kläger beantragt,

die Revision gegen das Urteil der Vorinstanz zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Es macht vor allem geltend, der Kläger habe nicht schlüssig das Vorliegen eines Verfahrensfehlers gerügt. Nach den vom FG getroffenen Feststellungen ergebe sich auch dann, wenn man eine unentgeltliche Warenabgabe von 20 bis 30 % des Wareneinsatzes unterstelle, ein ungeklärter Fehlbetrag. Zudem gehe aus der Beschwerdebegründung nicht hervor, welche konkreten Tatsachen durch die Zeugenvernehmungen bewiesen werden sollten. Angesichts ihrer Tätigkeit und den bisherigen Erklärungen sei es nicht möglich, dass die bezeichneten Personen Kenntnis über den genauen Betrag der unentgeltlichen Warenabgaben haben konnten.

II. Die Beschwerde ist begründet. Der Kläger hat schlüssig das Vorliegen eines Verfahrensmangels i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gerügt. Ein solcher liegt hier vor.

1. Lehnt das FG zu Unrecht einen Beweisantrag ab, dann verletzt es seine Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO und den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG— (, juris).

Der Kläger hat im Streitfall beantragt, mehrere Zeugen zum Umfang der in seinem Betrieb erfolgten unentgeltlichen Warenabgaben zu vernehmen. Diesem Begehren hätte das FG insoweit entsprechen müssen, als es auf die Vernehmung des Barkeepers gerichtet war.

a) Aus der Gesamtwürdigung der an das FG gerichteten Schreiben des Klägers vom , vom und vom ergibt sich, dass der Kläger nicht lediglich beantragt hat, den Inhalt der mit dem zuletzt genannten Schreiben übersandten Erklärungen bei der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen. Der Kläger hat nämlich in seinem Schreiben vom eine Beweisaufnahme beantragt und die Benennung von Zeugen angekündigt. Auch in seinem Schreiben vom hat er auf sein Schreiben vom Bezug genommen. Seine erneute Bitte um Anberaumung einer mündlichen Verhandlung war deshalb in dem Sinne zu verstehen, in dieser die zu benennenden Zeugen zu vernehmen. Vor diesem Hintergrund dürfen die mit Schreiben vom übersandten schriftlichen Erklärungen nicht isoliert betrachtet werden.

b) Diesem Antrag auf Zeugenvernehmung musste das FG insoweit nicht entsprechen, als er die Vernehmung des Niederlassungsleiters einer Firma X und des Mitarbeiters eines Spielautomatenhändlers betraf.

aa) Soweit der Beweisantrag hinsichtlich dieser Zeugen darauf gerichtet war, die Tatsache zu belegen, dass es in Spielhallen und damit auch in derjenigen des Klägers üblich ist, Getränke an Stammkunden abzugeben, bedurfte es der Beweiserhebung nicht. Von dieser Tatsache ist das FG dem FA folgend ausgegangen, indem es solche unentgeltlichen Warenabgaben in geschätztem Umfang berücksichtigt hat. Es hat demgemäß diese Tatsache als wahr unterstellt, was die Beweiserhebung entbehrlich machte (, BFH/NV 1998, 174).

bb) Soweit der Beweisantrag darüber hinausgehend in dem Sinne zu verstehen sein sollte, dass die Zeugen unentgeltliche Warenabgaben im Betrieb des Klägers im Umfang von 20 bis 30 % des Wareneinsatzes bestätigen können, bedurfte es einer Beweiserhebung ebenfalls nicht.

Unsubstantiierten Beweisanträgen muss das FG nicht nachgehen (Senatsbeschluss vom X B 191/95, BFH/NV 1997, 50; , juris). Hiervon ist im Streitfall auszugehen. Der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen und es ist auch nicht offenkundig, dass und inwiefern die beiden Zeugen über Kenntnisse verfügten, welche die konkreten Verhältnisse im klägerischen Betrieb betrafen.

c) Das FG hat jedoch zu Unrecht davon abgesehen, den im Betrieb des Klägers beschäftigten Barkeeper als Zeugen zu vernehmen.

aa) Diese Vernehmung war nicht deshalb entbehrlich, weil das FG bei der Prüfung der Frage, ob die vom FA vorgenommene Nachkalkulation des zur Veräußerung bestimmten Wareneinsatzes eine erhebliche Abweichung von dem Buchführungsergebnis aufzeigt, zugunsten des Klägers als wahr unterstellt hat, dass unentgeltliche Warenabgaben von 20 bis 30 % des Wareneinsatzes stattgefunden haben. Mittels dieser Überlegung hat das FG zwar zutreffend geprüft, ob die Nachkalkulation geeignet war, die Unrichtigkeit des erklärten Warenumsatzes zu belegen und damit eine Zuschätzung zu rechtfertigen. Es ist in diesem Zusammenhang in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass sich auch im Falle unentgeltlicher Warenabgaben in dem behaupteten Umfang eine Abweichung vom Buchführungsergebnis ergab.

bb) Das FG hat aber nicht bedacht, dass die unter Beweis gestellte Tatsache auch im Falle einer grundsätzlich gegebenen Berechtigung zu einer solchen Zuschätzung entscheidungserheblich war. Denn bei einer solchen Zuschätzung sind, wovon das FG im Ansatz auch zutreffend ausgegangen ist, alle Umstände zu berücksichtigen, die für eine solche Schätzung von Bedeutung sind.

Trifft die behauptete Tatsache unentgeltlicher Warenabgaben in dem oben beschriebenen Umfang zu, dann hat dies zur Folge, dass im Rahmen der Zuschätzung ein Abschlag zu machen ist, der über den bisher berücksichtigten von jeweils 5 000 DM hinausgeht.

Das FG war auch nicht berechtigt, den Antrag auf Vernehmung des Barkeepers als unsubstantiiert zurückzuweisen. Es versteht sich von selbst und bedarf daher im Rahmen des Beweisantrags keiner besonderen Darlegungen, dass ein Barkeeper, der nach der schriftlichen Erklärung dieses Zeugen für die Theke und den Ausschank im Betrieb des Klägers allein verantwortlich ist, grundsätzlich als taugliches Beweismittel anzusehen ist, Art und Umfang der kostenlosen Warenabgaben nachvollziehbar zu schildern. Das FG konnte deshalb nicht von vornherein ausschließen, dass die Aussage des Zeugen geeignet sein kann, die Annahme der Prüferin zu widerlegen, dass (nur) 240 Getränke je Monat kostenlos an Gäste abgegeben worden sind und deshalb ein höherer Abschlag geboten war. Auch wenn der Zeuge im Zweifel nicht in der Lage sein dürfte, den Umfang der kostenlosen Warenabgaben exakt zu schildern, so ist dennoch nicht ausgeschlossen, dass aufgrund der Zeugenaussage im Wege der Schätzung ein über den Betrag von jeweils 5 000 DM hinausgehender Abschlag vorzunehmen ist.

2. Der Senat hält es für angezeigt, im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens gemäß § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren. Er hebt deshalb das Urteil der Vorinstanz auf und verweist die Sache an das FG zurück, damit dieses die erforderlichen Feststellungen nachholen kann.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1339 Nr. 8
NAAAB-52966