BFH Beschluss v. - VII B 125/04

Rüge eines Verfahrensfehlers

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt Urteil vom 2 K 1072/03

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrt von dem Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt —HZA—) die Vergütung von Mineralölsteuer wegen eines erlittenen Zahlungsausfalls. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren ging die Klageschrift des Klägers um einen Tag zu spät beim Finanzgericht (FG) ein. Nach den Feststellungen des FG ist die Klageschrift, die im Adressfeld (vor der Adresse des FG) den Vermerk „Vorab per Telefax” jedoch keine Empfänger-Faxnummer enthielt, zwar noch rechtzeitig in den Abendstunden des vom Faxgerät des Büros der Prozessbevollmächtigten des Klägers aus abgesandt worden. Dabei ist von dem mit dem Heraussuchen der Faxnummer und dem Absenden des Telefaxes beauftragten Auszubildenden die Faxnummer des Landgerichts D angewählt worden. Von dort ist die Klageschrift am nächsten Morgen an das FG (Sitz ebenfalls in D) weitergeleitet worden.

Nachdem das FG die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist nicht gewährt und die Klage deshalb als unzulässig abgewiesen hatte, hob der Senat auf die Revision des Klägers die finanzgerichtliche Entscheidung mit Urteil vom VII R 47/02 (BFHE 202, 44, BStBl II 2003, 665) auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Im zweiten Rechtszug versagte das FG erneut die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und wies die Klage als unzulässig ab. Zur Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrages führte das FG nunmehr aus, die im Büro der Prozessbevollmächtigten getroffenen organisatorischen Vorkehrungen hätten nicht ausgereicht, um ein Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten auszuschließen. Im Büro der Prozessbevollmächtigten seien keine ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen dafür getroffen worden, eine vom Auszubildenden ermittelte Empfänger-Faxnummer auf ihre Richtigkeit zu kontrollieren bzw. die Übermittlung des Faxes an den zutreffenden Empfänger sicher zu stellen. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers das Bestehen diesbezüglicher organisatorischer Anweisungen unterstelle, hätten die Prozessbevollmächtigten ihre Bürokräfte im Sinne der behaupteten Anweisungen zumindest nicht ausreichend instruiert und überwacht. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass der vom FG vernommenen Zeugin N als langjähriger Mitarbeiterin im Büro der Prozessbevollmächtigten die Existenz der vom Kläger behaupteten Anweisung, bei der Überprüfung des Telefax-Sendeberichts insbesondere auch die Richtigkeit der im Sendebericht angegebenen Faxnummer zu kontrollieren, unbekannt gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Er behauptet, dass die Bürokräfte der Prozessbevollmächtigten entgegen den Feststellungen des FG angewiesen seien, u.a. die Richtigkeit der Empfängerrufnummer im Telefax-Sendebericht zu prüfen, und rügt, dass das FG die Zeugin N nicht konkret zum Umfang der Prüfung der Telefax-Sendeberichte befragt habe. Ferner habe das FG eine beantragte Beweiserhebung zu Unrecht unterlassen, indem es zu der Frage, ob sich die Anweisung an die Vollkräfte zur Überprüfung des Telefax-Sendeberichts auch auf die Richtigkeit der Empfänger-Faxnummer bezogen habe, den in der mündlichen Verhandlung angebotenen Zeugenbeweis durch den Kanzlei-"Chef” Rechtsanwalt K nicht erhoben habe. Im Übrigen hätten die Prozessbevollmächtigten des Klägers ihre Bürokräfte auch ausreichend instruiert und überwacht.

Das HZA tritt der Nichtzulassungsbeschwerde entgegen.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil nicht alle tragenden Erwägungen des FG schlüssig mit Gründen für die Zulassung der Revision angegriffen worden sind.

1. Der Begründung der Beschwerde lässt sich entnehmen, dass der Kläger Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) —nämlich Verstöße gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO)— geltend machen will.

Die erfolgreiche Rüge eines Verfahrensfehlers gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO setzt nicht nur voraus, dass die Tatsachen genau bezeichnet werden, die den Mangel ergeben, sondern erfordert auch, dass das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Eine Entscheidung kann nur dann auf einem Verfahrensmangel beruhen, wenn unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des FG der Mangel nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die Vorentscheidung ihren Bestand verlöre (vgl. , BFH/NV 1988, 576, und Senatsbeschluss vom VII B 347/02, BFH/NV 2004, 511; vgl. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 97). Daran fehlt es, wenn das FG seine Entscheidung auch auf einen anderen als den vom Beschwerdeführer mit einer Verfahrensrüge angegriffenen Rechtsgrund gestützt hat, der die Entscheidung ebenfalls trägt und zu dem ein Zulassungsgrund für die Revision nicht gegeben ist. So liegt es hier.

Es kann dahinstehen, ob die Feststellung des FG, in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers sei offenbar keinerlei organisatorische Vorkehrung dafür getroffen worden, die vom Auszubildenden ermittelte Empfänger-Faxnummer auf ihre Richtigkeit zu kontrollieren bzw. die Übermittlung des Faxes an den zutreffenden Empfänger sicher zu stellen, verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist oder ob das FG gehalten war, den Kanzlei-"Chef” Rechtsanwalt K zu dieser Frage zu vernehmen, weil diese Feststellung nur eine von zwei tragenden Erwägungen des FG betrifft und zumindest hinsichtlich der zweiten Erwägung des FG schlüssige Verfahrensrügen nicht erhoben worden sind.

2. In der zweiten Erwägung hat das FG das Vorhandensein organisatorischer Anweisungen zur vollumfänglichen Kontrolle des Telefax-Sendeberichts im Büro der Prozessbevollmächtigten zu Gunsten des Klägers unterstellt. Aus dem Umstand, dass der langjährig im Büro der Prozessbevollmächtigten beschäftigten Zeugin N die Existenz einer derartigen Anweisung nicht bekannt war, hat das FG jedoch geschlossen, dass die Prozessbevollmächtigten ihre Bürokräfte im Sinne der behaupteten Anweisung zumindest nicht ausreichend instruiert und überwacht hätten.

a) Soweit der Kläger dieser Feststellung mit dem Hinweis entgegentritt, die Zeugin N hätte zum Umfang der Anweisung noch genauer befragt werden müssen, stellt dies keine zulässige Verfahrensrüge dar.

Bei der Rüge mangelnder Sachaufklärung wegen Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), wie sie im Streitfall erhoben wird, muss dargelegt werden, welche Tatfrage aufklärungsbedürftig ist, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen das FG nicht erhoben hat und weshalb sich eine weitere Sachaufklärung dem FG hätte aufdrängen müssen (vgl. , BFH/NV 2000, 174, m.w.N.) bzw. dass das Unterlassen der weiteren Sachaufklärung in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (vgl. , BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und Senatsbeschluss vom VII B 10/03, BFH/NV 2004, 529).

Im Streitfall fehlt es an einer Darlegung, weshalb sich dem FG eine weitere Befragung hätte aufdrängen sollen. Nach dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vom hat die Zeugin N auf Fragen des Beklagtenvertreters ausdrücklich ausgesagt, die vollumfängliche Prüfung des Sendeberichts bedeute keine erneute Überprüfung der Faxnummer, sondern beziehe sich im Wesentlichen auf die Vollständigkeit, d.h. die jeweils zu faxende Seitenzahl. Ohne über weitergehende Anhaltspunkte zu verfügen, durfte das FG damit die Frage nach dem Umfang der Überprüfung des Telefax-Sendeberichts für beantwortet halten. Jedenfalls hat der Kläger nicht dargelegt, weshalb es ihm über seine Prozessbevollmächtigten nicht möglich gewesen ist, die von ihm vermissten Fragen selbst an die Zeugin zu richten bzw. das Unterlassen einer entsprechenden Fragestellung zu rügen, nachdem erkennbar wurde, dass sich das FG mit der Antwort der Zeugin zufrieden gab.

b) Soweit der Kläger in der Beschwerdebegründung behauptet, die Prozessbevollmächtigten hätten ihre Bürokräfte ausreichend instruiert und überwacht, wendet er sich gegen die Beweiswürdigung durch das FG und damit gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung. Dieser Einwand kann nicht zur Zulassung der Revision führen, weil insoweit kein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (vgl. z.B. , BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).

c) Sollte der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde auch rügen wollen, dass das FG den Kanzlei-"Chef” Rechtsanwalt K verfahrensfehlerhaft nicht zu der Frage vernommen habe, wie die Bürokräfte instruiert und überwacht wurden, so genügen die Ausführungen in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Darlegungspflicht (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die in der mündlichen Verhandlung gegebene Beweisanregung bezog sich lediglich auf die in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten bestehenden Anweisungen —die das FG als bestehend unterstellt hat, und die daher nicht des Beweises bedurften—, nicht aber auf die Art und Weise, in der die Bürokräfte instruiert und überwacht wurden. Daher wäre in der Beschwerdebegründung darzulegen gewesen, warum sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung aufdrängen musste, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei der weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom VII B 71/03, BFH/NV 2004, 493, 494, m.w.N.). Über die Art und Weise, wie die Bürokräfte instruiert und überwacht wurden, finden sich in der Beschwerdebegründung jedoch keine Ausführungen.

Da nicht alle tragenden Erwägungen des finanzgerichtlichen Urteils mit einer zulässigen Verfahrensrüge angegriffen wurden und weitere Revisionszulassungsgründe nicht geltend gemacht sind, ist die Beschwerde zu verwerfen.

Fundstelle(n):
IAAAB-52813