BFH Urteil v. - I R 61/03

Bemessung des angemessenen Gehalts bei Mehrfach-GeschäftsführernS. 38

Gesetze: KStG § 8 Abs. 3 Satz 2

Instanzenzug: FG des Landes Brandenburg Urteil vom 2 K 151/00 (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Angemessenheit der Gesamtausstattung eines Gesellschafter-Geschäftsführers, der gleichzeitig für mehrere Gesellschaften tätig ist.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin der X-GmbH, die in den Streitjahren (1994 bis 1996) ein Dentallabor betrieb. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der X-GmbH war zunächst A, der am einen Geschäftsanteil von 40 v.H. an seine Ehefrau abgetreten hat.

A war zugleich alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der B-GmbH und bezog von dieser ein Jahresgehalt von 350 000 DM. Die Umsätze der X-GmbH beliefen sich in den Streitjahren auf ca. 5,6 Mio. DM (1994), 5,0 Mio. DM (1995) und 6,8 Mio. DM (1996), diejenigen der B-GmbH auf ca. 6,0 Mio. DM (1994), 6,8 Mio. DM (1995) und 8,0 Mio. DM (1996). Die wöchentliche Arbeitszeit des A entfiel zu zwei Fünfteln auf die Tätigkeit bei der X-GmbH und zu drei Fünfteln auf diejenige bei der B-GmbH.

Mit Vertrag vom vereinbarte die X-GmbH mit A, der bis dahin unentgeltlich für sie tätig geworden war, die Zahlung eines Monatsgehalts von 15 000 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) hielt dieses Gehalt für überhöht; da A zugleich für die B-GmbH tätig gewesen sei, könne nur ein Gehalt von 10 000 DM monatlich als angemessen angesehen werden. Die jeweiligen Mehrbeträge behandelte das FA als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA).

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage gegen die entsprechenden Steuerbescheide abgewiesen. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1405 abgedruckt.

Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Sie beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die angefochtenen Bescheide in der Weise zu ändern, dass die Gehaltszahlungen an A nicht als vGA behandelt werden.

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat die angefochtenen Bescheide zu Recht bestätigt.

1. Im Streitfall geht es um die Besteuerung der X-GmbH, also einer Kapitalgesellschaft. Bei diesen dürfen vGA das Einkommen nicht mindern (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats ist deshalb das Einkommen der Gesellschaft außerhalb der Bilanz um den Betrag der vGA zu erhöhen, wenn der (Steuer-)Bilanzgewinn einer Kapitalgesellschaft durch eine vGA gemindert worden ist (Senatsurteil vom I R 21/03, BFHE 205, 186, m.w.N.).

2. Zu den vGA in diesem Sinne gehören nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Senats u.a. durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vermögensminderungen, die nicht auf einer offenen Gewinnausschüttung beruhen und sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auswirken (z.B. , BFHE 191, 107, BStBl II 2000, 545; vom I R 40/99, BFHE 191, 330, BStBl II 2000, 504; vom I R 12/99, BFHE 193, 274, BStBl II 2001, 140). Dazu zählen insbesondere einem Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlte Vergütungen, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (§ 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung —GmbHG—) einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer unter ansonsten vergleichbaren Verhältnissen nicht gewährt hätte (, BFHE 195, 228, BStBl II 2002, 111; vom I R 85/01, BFH/NV 2003, 822).

3. Ob und inwieweit eine im konkreten Einzelfall zu beurteilende Vergütung in diesem Sinne einem Fremdvergleich standhält, muss das FG im Wege der Schätzung (§ 96 Abs. 1 FGO i.V.m. § 162 der AbgabenordnungAO 1977—) ermitteln. Diese Schätzung kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob das FG verfahrensfehlerfrei vorgegangen ist und ob es die maßgeblichen Umstände ohne Denkfehler oder Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze ausgewertet hat. Ist dies geschehen, so muss sie auch dann Bestand haben, wenn sich aus den vorhandenen Schätzungsgrundlagen gleichermaßen andere Beträge hätten ableiten lassen (, BFHE 202, 241, BStBl II 2004, 132; vom I R 24/02, BFHE 202, 494, BStBl II 2004, 136; vom I R 38/02, BFHE 202, 500, BStBl II 2004, 139).

4. Im Streitfall hat das FG durch Auswertung von Gehaltsstrukturuntersuchungen festgestellt, dass die X-GmbH einem ausschließlich für sie tätigen Fremdgeschäftsführer 250 000 DM pro Jahr gezahlt hätte. Diese Würdigung greift die Klägerin nicht an. Sodann hat das FG angenommen, dass die gleichzeitige Tätigkeit des A für die B-GmbH unter fremden Dritten gehaltsmindernd berücksichtigt worden wäre und dass der gebotene Abschlag nach dem Verhältnis der Arbeitszeiten in der X-GmbH einerseits und der B-GmbH andererseits zu berechnen sei. Schließlich hat es den sich so ergebenden Betrag von 100 000 DM, um die „gebotene Großzügigkeit des Fremdvergleichs” zu gewährleisten und den mit einer Schätzung verbundenen Unsicherheiten Rechnung zu tragen, um einen Zuschlag von 20 v.H. erhöht. Diese Vorgehensweise beanstandet die Revision ohne Erfolg.

a) Wie der Senat inzwischen wiederholt entschieden hat, ist es bei der Bestimmung des steuerlich anzuerkennenden Gehalts in der Regel mindernd zu berücksichtigen, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer zusätzlich für weitere Unternehmen arbeitet. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur dann in Betracht, wenn gerade die anderweitige Tätigkeit des Geschäftsführers für die zu beurteilende Kapitalgesellschaft von Vorteil ist (Senatsurteile in BFHE 202, 241, BStBl II 2004, 132; vom I R 80, 81/01, BFH/NV 2003, 1346). Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest. Die von der Klägerin erhobenen Einwendungen gegen die gehaltsmindernde Berücksichtigung anderweitiger Tätigkeiten sind in den genannten Entscheidungen bereits berücksichtigt und geben deshalb keine Veranlassung, diese Frage im Grundsatz erneut aufzugreifen.

b) Mit ihrem Vortrag, dass im Streitfall die X-GmbH aus der Tätigkeit des A für die B-GmbH Vorteile gezogen habe und dass unter diesem Gesichtspunkt die vom FG vorgenommene Kappung verfehlt sei, kann die Klägerin keinen Erfolg haben. Denn damit wendet sie sich letztlich in revisionsrechtlich unbeachtlicher Weise gegen die Sachverhaltswürdigung durch das FG.

Der Senat hat allerdings in zwei anderen Verfahren, in denen erstmals in der Revisionsinstanz ein vergleichbarer Vortrag erfolgt war, diesen für erheblich erachtet und deshalb die Sachen an das FG zurückverwiesen (Urteile vom I R 92/03, BFH/NV 2005, 77; I R 101/03, BFH/NV 2004, 1672). Die seinerzeit zu beurteilenden Gestaltungen unterschieden sich jedoch von dem Streitfall dadurch, dass dort die jeweilige Vorinstanz zwar ebenfalls anderweitige Tätigkeiten des Gesellschafters in die Angemessenheitsprüfung einbezogen, bei der Bemessung des sich daraus ergebenden konkreten Minderungsbetrags aber allein auf die zeitliche Beanspruchung abgestellt und die Berücksichtigung anderer Faktoren nicht erkennbar in Erwägung gezogen hatte. Damit war die Überlegung, dass in Fällen der Mehrfach-Geschäftsführung die zeitliche Begrenzung des Arbeitseinsatzes durch wirtschaftliche Gesichtspunkte ausgeglichen werden kann, bei der tatrichterlichen Würdigung außer Betracht geblieben. Dagegen hat im Streitfall das FG ausdrücklich eine Abweichung von der rein zeitlichen Aufteilung für den Fall erwogen, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer z.B. mit einem verhältnismäßig geringen Arbeitseinsatz einen hohen Geschäftserfolg herbeiführt, und eine solche Situation bei der X-GmbH für nicht gegeben erachtet. Damit ist der Gedanke der wirtschaftlichen Gewichtung des Zeitfaktors, der auch die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Vorteilen aus anderweitigen Tätigkeiten des Gesellschafter-Geschäftsführers trägt, in dem angefochtenen Urteil berücksichtigt. Einer erneuten Befassung des FG mit diesem Gesichtspunkt bedarf es deshalb nicht.

c) Schließlich rügt die Klägerin zu Unrecht, dass das FG im Rahmen seiner Schätzung gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstoßen habe. Diese Rüge bezieht sich vor allem auf die im FG-Urteil enthaltene Aussage, die X-GmbH sei in den Streitjahren ein am Markt eingeführtes und ertragsstarkes Unternehmen gewesen, weshalb ihre Leitung „keine besonderen Leistungen des Geschäftsführers erforderte”. Damit hat das FG jedoch entgegen der Lesart der Klägerin ersichtlich nicht ausdrücken wollen, dass die besondere Ertragsstärke einer Gesellschaft den Ansatz eines verhältnismäßig niedrigen Geschäftsführergehalts rechtfertige. Im Zusammenhang mit dem sonstigen Entscheidungstext beinhaltet die zitierte Formulierung vielmehr nur die Aussage, dass die aus Gehaltsstrukturuntersuchungen abgeleitete angemessene Vergütung nicht deshalb zu erhöhen sei, weil sich die X-GmbH in den Streitjahren noch in einer Anlaufphase befunden habe. Diese Aussage verstößt jedenfalls dann weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze, wenn sie sich auf ein Unternehmen bezieht, das —wie nach dem Vortrag der Klägerin die X-GmbH— langjährige Marktkenntnisse und geschäftliche Kontakte seines Geschäftsführers mit Erfolg genutzt hat. Soweit die Klägerin die genannte Einschätzung für inhaltlich verfehlt hält, setzt sie lediglich ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des FG, womit sie im Revisionsverfahren nicht gehört werden kann.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1146 Nr. 7
EAAAB-52794