Gewerbesteuerpflicht eines kommunalen Krematoriums
Gesetze: GewStG § 2 Abs. 1
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) —eine Kommune— betreibt ein Krematorium und erzielt durch die Einäscherungen und den Versand der Urnen Einnahmen. Der Antrags- und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) beurteilt diese Tätigkeiten als Betrieb gewerblicher Art (BgA) i.S. des § 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes —GewStG— i.V.m. § 2 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung —GewStDV—). Er setzte deshalb für den BgA „Einäscherung und Urnenversand” einen Gewerbesteuermessbetrag für den Erhebungszeitraum 2002 (Streitjahr) fest (Bescheid vom ). Dabei ging er von den Besteuerungsgrundlagen aus, die die Antragstellerin erklärt hatte.
Die Antragstellerin legte gegen den Bescheid fristgerecht Einspruch ein und beantragte gleichzeitig, die Vollziehung des Bescheides auszusetzen. Über den Einspruch wurde bisher noch nicht entschieden. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das FA ab (Verwaltungsakt vom ).
Auch der von der Antragstellerin beim Finanzgericht (FG) gestellte Antrag, die Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheides auszusetzen, war erfolglos (). Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde begehrt die Antragstellerin sinngemäß, den FG-Beschluss aufzuheben und die Vollziehung des Bescheides auszusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde war als unbegründet zurückzuweisen. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gewerbesteuermessbescheides ist nicht ernstlich zweifelhaft.
1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn —was im Streitfall offenkundig nicht der Fall ist— die Vollziehung des Verwaltungsaktes für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, des unstreitigen Sachverhalts und der gerichtsbekannten Tatsachen erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bestehen und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (s. Bundesfinanzhof —BFH—, Beschlüsse vom I B 241/93, BFH/NV 1995, 334; vom I B 40/01, BFH/NV 2001, 1536).
2. Die summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel und des unstreitigen Sachverhalts ergibt, dass die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht ernstlich zweifelhaft ist.
a) Gemäß § 2 Abs. 1 GewStDV sind Unternehmen von Personen des öffentlichen Rechts gewerbesteuerpflichtig, wenn sie als stehende Gewerbebetriebe anzusehen sind und soweit sie im Inland betrieben werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Gewerbebetriebe sind gewerbliche Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Gewerbesteuerpflicht eines von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts betriebenen Unternehmens setzt daher —anders als die Körperschaftsteuerpflicht einer juristischen Person des öffentlichen Rechts hinsichtlich eines BgA (s. § 4 Abs. 1 Satz 2 KStG)— die Absicht voraus, durch das Unternehmen einen Gewinn zu erzielen (§ 15 Abs. 2 EStG; Senatsentscheidungen vom I R 79-80/86, BFHE 159, 331, BStBl II 1990, 452; vom I R 264/83, BFH/NV 1989, 388; vom I R 166/85, BFH/NV 1991, 628; vom I B 52/02, BFH/NV 2002, 1341).
Nicht zu den Gewerbebetrieben gehören gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStDV grundsätzlich (zu den Ausnahmen s. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStDV) die Unternehmen juristischer Personen des öffentlichen Rechts, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen —sog. Hoheitsbetriebe (zum Begriff s. § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG)—. Ein Unternehmen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts dient der Ausübung öffentlicher Gewalt, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts durch das Unternehmen Aufgaben erfüllt, die ihr als Träger öffentlicher Gewalt eigentümlich und vorbehalten sind (, BFH/NV 1987, 810; vom I R 1-2/94, BFHE 181, 322, BStBl II 1997, 139, m.w.N.; Gosch/ Heger, Körperschaftsteuergesetz, § 4, Rz. 108 f.; Blümich/ Erhard, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 4 KStG, Rz. 92 f.). Erfüllt eine juristische Person des öffentlichen Rechts durch das Unternehmen Aufgaben, die so auch von Personen des Privatrechts erfüllt werden, und tritt sie dadurch —und sei es auch ungewollt— in tatsächlichen oder potentiellen Wettbewerb zu privatwirtschaftlichen Unternehmen, dient die Tätigkeit des Unternehmens nicht mehr der Ausübung öffentlicher Gewalt (, BFHE 154, 192, BStBl II 1988, 910; vom V R 89/85, BFHE 158, 177, BStBl II 1990, 95; vom I R 156/87, BFHE 161, 46, BStBl II 1990, 866; in BFHE 181, 322, BStBl II 1997, 139). Sind Tätigkeiten, die der Ausübung öffentlicher Gewalt dienen, mit Tätigkeiten, die nicht der Ausübung öffentlicher Gewalt dienen, derart eng verflochten, dass eine Trennung nicht möglich oder zumutbar ist, liegt ein einheitlich zu beurteilender Hoheitsbetrieb nur vor, wenn die Ausübung öffentlicher Gewalt überwiegt (, BFHE 123, 70, BStBl II 1977, 813).
b) Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist bisher nur streitig, ob das Krematorium der Antragstellerin nebst Urnenversand ein Hoheitsbetrieb ist. Die Antragstellerin bejaht dies. Sie ist der Auffassung, die Einäscherungen und der Versand der Urnen seien Teil der Bestattung, sie dienten der Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht und damit der Ausübung öffentlicher Gewalt. Da das Krematorium der Antragstellerin mehr als 100 km vom nächsten Krematorium eines privatwirtschaftlichen Unternehmers entfernt ist, beeinträchtigt eine Nichtbesteuerung der Antragstellerin hinsichtlich des Krematoriums nach Auffassung der Antragstellerin auch nicht den Wettbewerb mit privatwirtschaftlich betriebenen Krematorien.
Der beschließende Senat ist anderer Auffassung.
Es ist zwar richtig, dass die Einäscherung der Verstorbenen und der Urnenversand Teil der Bestattung sind und für diese öffentlich-rechtlichen Bestimmungen gelten. So besteht in Bayern gemäß Art. 1 Abs. 1 des Bestattungsgesetzes in der ab geltenden Fassung —BestG n.F.— (s. Bayerische Rechtssammlung —BayRS— 2127-1-I und Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1994, 770) eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Bestattung von Leichen, entweder durch Beisetzung in einer Grabstätte (Erdbestattung) oder durch Einäscherung in einer Feuerbestattungsanlage und Beisetzung der in einer festen Urne verschlossenen Aschenreste in einer Grabstätte (Feuerbestattung) oder durch Einäscherung in einer Feuerbestattungsanlage und Beisetzung der Urne von einem Schiff aus auf hoher See (Seebestattung).
Einäscherungen nebst Urnenversand waren im Streitjahr aber keine Aufgaben mehr, die juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Träger öffentlicher Gewalt eigentümlich und vorbehalten sind. Seit dürfen in Bayern nicht nur juristische Personen des öffentlichen Rechts, sondern auch privatwirtschaftliche Unternehmen Feuerbestattungsanlagen betreiben (s. Art. 13 Abs. 1 und 3 i.V.m. Art. 8 Abs. 3 BestG n.F.; Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom Vf. 16 - VII - 94 u.a., Bayerische Verwaltungsblätter 1996, 590, 626).
Die Einäscherung und der Urnenversand sind entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch bei einer Beisetzung der Urne auf einem Friedhof der Antragstellerin nicht derart eng mit der Beisetzung verflochten, dass eine Trennung der verschiedenen Abschnitte des Bestattungsvorgangs nicht möglich oder zumutbar ist. Sowohl die Bereitstellung der Trauerhalle für die Aufbahrung des Verstorbenen und die Trauerfeier als auch die Überlassung einer Urnengrabstätte auf dem Friedhof, die der Ausübung öffentlicher Gewalt dienen (s. Senatsurteil in BFH/NV 1987, 810), lassen sich von der Einäscherung nebst Urnenversand trennen. Dies ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass weder eine Trauerfeier in der Trauerhalle der Antragstellerin noch die Urnenbeisetzung auf einem Friedhof der Antragstellerin eine Einäscherung im Krematorium der Antragsteller voraussetzen. Im Krematorium der Antragstellerin werden, wie der Urnenversand der Antragstellerin zeigt, auch Verstorbene eingeäschert, deren Urnen auf auswärtigen Friedhöfen beigesetzt werden. Auch die Zulässigkeit von Seebestattungen zeigt, dass die Einäscherung und der Versand der Urnen mit den Aschenresten in keinem untrennbaren Zusammenhang mit den übrigen Abschnitten der Bestattung stehen.
Dass das nächste privatwirtschaftlich betriebene Krematorium über 100 km vom Krematorium der Antragstellerin entfernt ist, schließt zwar möglicherweise einen tatsächlichen Wettbewerb der Antragstellerin mit privatwirtschaftlich betriebenen Krematorien aus. Ein potentieller Wettbewerb wird dadurch aber nicht ausgeschlossen.
c) Der beschließende Senat geht aufgrund des Akteninhalts davon aus, dass die Antragstellerin das Krematorium nebst Urnenversand im Streitjahr mit Gewinnerzielungsabsicht betrieb.
Weder die Verfahrensbeteiligten noch das FG haben sich bisher mit der Frage befasst, ob die Antragstellerin mit Gewinnerzielungsabsicht tätig wurde oder ob sie durch die Gebühren für die Leistungen des Krematoriums nur ihre Selbstkosten decken wollte. Tatsächlich erlitt die Antragstellerin im Streitjahr durch das Krematorium nach ihrer Gewinnermittlung einen Verlust. Ein positiver Gewerbeertrag ergibt sich für das Streitjahr nur durch die Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 1 GewStG.
Bei summarischer Prüfung besteht dennoch hinsichtlich der Gewinnerzielungsabsicht keine Unklarheit tatsächlicher Art, die sich im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung zu Gunsten der Antragstellerin auswirkt. Der für das Streitjahr erklärte Verlust beträgt nur ca. 2,74 % der durch die Einäscherungen und den Versand der Urnen nach der Gewinn- und Verlustrechnung der Antragstellerin erzielten Erlöse. Aus dieser geringen Kostenunterdeckung in einem Jahr lässt sich nicht der Schluss ziehen, die Antragstellerin habe ohne Gewinnerzielungsabsicht gehandelt. Die in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Kosten sind weit überwiegend Fixkosten. Somit können bereits geringfügig höhere Erlöse zu einem Gewinn führen. Dass durch das Krematorium in anderen Jahren weit höhere Erlöse als im Streitjahr erzielt wurden, ergibt sich aus einer in der Gewerbesteuerakte enthaltenen Aufstellung über den Haushaltsunterabschnitt „Bestattungs- und Friedhofsverwaltung” der Antragstellerin für das Jahr 1999. Danach waren die Erlöse der Kostenstelle „Einäscherung und Urnenversand” im Jahr 1999 um…Euro höher als im Streitjahr.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1135 Nr. 7
KAAAB-52792