OFD Magdeburg - S 2861 - 2 - St 215 S 2830 - 10 - St 215

Nachsteuer nach § 37 Abs. 3 KStG n. F.;
Bescheinigungsverfahren, Besonderheiten bei einer sog. Mehrfachverwendung

1 Allgemeines

Für Gewinnausschüttungen, die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss beruhen, kann die ausschüttende Gesellschaft nach § 37 Abs. 2 KStG eine KSt-Minderung beanspruchen, sofern sie über ein entsprechendes KSt-Guthaben verfügt (§ 37 Abs. 2 KStG).

Ist der Empfänger der Dividende eine „Ausschüttungskörperschaft” i. S. d. § 37 Abs. 3 KStG, so erhöht sich bei dieser die zu zahlende Körperschaftsteuer (sog. Nachsteuer) und gleichzeitig das eigene KSt-Guthaben um den KSt-Minderungsbetrag der ausschüttenden Gesellschaft. Zu den sog. Ausschüttungskörperschaften gehören unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften bzw. Personenvereinigungen, deren Leistungen bei den Empfängern zu Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG führen.

Die Rechtsfolgen des § 37 Abs. 3 KStG treten auch dann ein, wenn die Ausschüttung einer Körperschaft nur mittelbar über eine zwischengeschaltete Personengesellschaft zufließt oder wenn der Ausschüttungsempfänger ein negatives Einkommen hat. Die Nachsteuerpflicht ist nicht an eine bestimmte Beteiligungsquote geknüpft. Die Rechtsfolgen treten auch dann ein, wenn eine Organgesellschaft Bezüge i. S. d. § 8b Abs. 1 KStG empfängt. In diesem Fall wird die Nachsteuer vom Organträger erhoben, sofern dieser eine Körperschaft ist (vgl. BStBl 2003 I S. 437, KSt-Kartei § 14 Karte 7, Tz. 39).

2 Steuerbescheinigung der ausschüttenden Körperschaft (Bescheinigungsverfahren)

Die ausschüttende Körperschaft hat nach § 37 Abs. 3 S. 4 KStG der Empfängerkörperschaft eine Steuerbescheinigung zu erteilen, in der u. a. auch die in Anspruch genommene KSt-Minderung anzugeben ist.

Die Steuerbescheinigung wird damit zum Bindeglied zwischen der ausschüttenden und der die Ausschüttung empfangenden Körperschaft. Es entsteht eine gesetzlich verankerte Wechselwirkung. Diese tritt aber nur dann ein, wenn die in der ausgestellten Steuerbescheinigung enthaltenen Angaben zutreffend sind.

Beispiel:

An der A-GmbH ist zu 100 v. H. die B-GmbH beteiligt. Die A-GmbH schüttet an die B-GmbH 60.000 € aus. Dabei mindert ein KSt-Guthaben von 10.000 € die festzusetzende Körperschaftsteuer der A-GmbH.

Bei der B-GmbH erhöht sich die festzusetzende Körperschaftsteuer um das von der A-GmbH in Anspruch genommene KSt-Guthaben nur dann, wenn die A-GmbH den KSt-Minderungsbetrag ordnungsgemäß bescheinigt (§ 37 Abs. 3 S. 4 KStG). Ansonsten kommt es zu einer ungewollten sofortigen und endgültigen Realisierung von KSt-Guthaben.

3 Überprüfung durch die Finanzämter

Da nicht alle Körperschaften über ein KSt-Guthaben verfügen, welches den Ausweis der KSt-Minderung in der Steuerbescheinigung zur Folge hat, können die für die Besteuerung der Dividendenempfänger zuständigen Arbeitsbereiche mögliche Fehler im Bescheinigungsverfahren nicht erkennen. Zur Sicherstellung des Verfahrens sind daher Kontrollmitteilungen zu fertigen.

3.1 Finanzamt der ausschüttenden Körperschaft

Ist der Empfänger der Ausschüttung

  • selbst eine „Ausschüttungskörperschaft” oder

  • eine Personengesellschaft, an der eine oder mehrere „Ausschüttungskörperschaften” beteiligt sind,

so sind im Rahmen der laufenden Veranlagungen Kontrollmitteilungen zu versenden, wenn eine KSt-Minderung durch die ausschüttende Körperschaft in Anspruch genommen wird.

Zur Vereinfachung wird im maschinellen Veranlagungsverfahren bei dem ausschüttenden Körperschaften der Prüfhinweis K1-5012 ausgegeben. Wird der Hinweis ausgegeben, hat der Bearbeiter zu prüfen, ob der Empfänger der Ausschüttung eine „Ausschüttungskörperschaft” ist. Trifft dies zu, so ist die Kontrollmitteilung KSt GU/KM „Mitteilung von Besteuerungsgrundlagen für Gesellschafter-Halbeinkünfteverfahren” zu fertigen und dem Finanzamt des Ausschüttungsempfängers zu übersenden (vgl. DA-AVB Teil 2 – Mitteilung von Besteuerungsgrundlagen für Gesellschafter).

Kontrollmitteilungen sind grundsätzlich nur dann zu fertigen, wenn das von der ausschüttenden Körperschaft in Anspruch genommene KSt-Guthaben 2.500 € überschreitet. Liegen konkrete Anhaltspunkte vor, die auf eine fehlerhafte Steuerbescheinigung schließen lassen, sind Kontrollmitteilungen aber auch bei Beträgen unter 2.500 € zu fertigen.

Derartige Anhaltspunkte sind insbesondere dann gegeben, wenn die Besteuerungsgrundlagen der ausschüttenden Körperschaft wiederholt geschätzt werden mussten oder die Steuerpflichtige in der Vergangenheit Steuerbescheinigungen ausgestellt hat, in denen der aus dem EK 45 bzw. EK 40 stammende Teil einer Ausschüttung zu niedrig angegeben worden ist.

3.2 Finanzamt des Ausschüttungsempfängers

Ist der Empfänger der Gewinnausschüttung eine Kapitalgesellschaft, so ist für die Erhebung der Nachsteuer und der gleichzeitigen Erhöhung des KSt-Guthabens in der Anlage WA eine Eintragung zur Kennzahl 19.84 vorzunehmen.

Hierbei ist zu beachten, dass die Kontrollmitteilung die von der ausschüttenden Gesellschaft zu erstellende Steuerbescheinigung nicht ersetzt. Ohne diese Steuerbescheinigung darf bei dem Ausschüttungsempfänger weder KapSt noch SolZ zur KapSt angerechnet werden. Die aufgrund einer Kontrollmitteilung bei der Veranlagung angesetzte Nachsteuer erhöht das KSt-Guthaben der Empfängerkörperschaft.

Sofern die empfangene Körperschaft keine oder eine von den Angaben in der Kontrollmitteilung abweichende Steuerbescheinigung vorlegt, ist mit dem Finanzamt der ausschüttenden Gesellschaft Kontakt aufzunehmen. Dort ist zu prüfen, ob eine Inanspruchnahme im Haftungswege in Betracht kommt (§ 37 Abs. 3 S. 5 KStG i. V. m. § 27 Abs. 5 KStG) und ob der Sachverhalt bußgeld- bzw. strafrechtlich zu würdigen ist.

4 Sonderfälle

4.1 Mittelbare Ausschüttung über eine zwischengeschaltete Personengesellschaft

Fließt die Ausschüttung der Empfängerkörperschaft mittelbar über eine zwischengeschaltete Personengesellschaft zu, ist eine Kontrollmitteilung zu fertigen, wenn an der Personengesellschaft wiederum eine „Ausschüttungskörperschaft” beteiligt ist. Die Kontrollmitteilung ist dann, dem zuständigen Bearbeiter für Personengesellschaften zu übersenden. Die Kontrollmitteilung ist im Rahmen des Feststellungsverfahrens auszuwerten.

4.2 Publikumsgesellschaften

In Fällen, in denen die Gewinnausschüttung von der Vorlage eines Dividendenscheins abhängig ist und für Rechnung der unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft von einem inländischen Kreditinstitut vorgenommen wird, geht die Pflicht der ausschüttenden Körperschaft zur Ausstellung der Steuerbescheinigung nach § 37 Abs. 3 S. 4 KStG i. V. m. § 27 Abs. 4 KStG auf das Kreditinstitut über.

Entsprechendes gilt, wenn die Ausschüttung über die inländische Zweigstelle eines der in § 53b Abs. 1 und 7 KWG genannten Institute oder Unternehmen ausgezahlt wird. Darüber hinaus können auch inländische Zweigstellen ausländischer Kreditinstitute, die ihren Sitz nicht in der EU haben, Steuerbescheinigungen ausstellen, wenn dem ausländischen Unternehmen die Erlaubnis zum Betrieb von Bankgeschäften im Inland erteilt ist (ESt-Kartei Teil 1 § 45a EStG Karte 6).

Von der Vorlage eines Dividendenscheins sind in der Regel Ausschüttungen (börsennotierter) Publikumsgesellschaften in der Rechtsform der AG betroffen.

Die Anteilseigner der (börsennotierten) Publikumsgesellschaften sind der Körperschaftsteuerstelle in der Regel nicht bekannt. Die Erstellung von Kontrollmitteilungen ist daher praktisch nicht durchführbar. In diesen Fällen ist es Aufgabe der Betriebsprüfung, festzustellen, ob die Publikumsgesellschaft die Angaben über eine in Anspruch genommene KSt-Minderung an die Kreditinstitute zutreffend weitergeleitet hat.

5 Nebeneinander von Einlagenrückgewähr und KSt-Minderung

Eine Leistung, die nach § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG den Bestand des steuerlichen Einlagekontos verringert, kann gleichzeitig zu einer Körperschaftsteuer-Minderung nach § 37 Abs. 2 Satz 1 KStG und/oder zu einer Körperschaftsteuer-Erhöhung nach § 38 Abs. 2 KStG führen. Dies ist darin begründet, dass das Gesetz keine gegenseitige Anrechnung vorsieht. Es sind daher stets parallele Berechnungen durchzuführen, d. h., die gesamte Leistung der Gesellschaft ist ohne Minderung der jeweiligen Berechnung des Verbrauchs des steuerlichen Einlagekontos, der KSt-Minderung und der KSt-Erhöhung zugrunde zu legen.

Soweit eine Leistung, die bei der ausschüttenden Körperschaft zu einer Minderung der Körperschaftsteuer führt, zugleich eine Einlagerückgewähr nach § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG darstellt, ist lediglich eine Steuerbescheinigung nach § 27 Abs. 3 KStG auszustellen. Ein Körperschaftsteuer-Minderungsbetrag ist entgegen § 37 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 KStG insoweit nicht auszuweisen (vgl. Rz. 25 des BStBl 2003 I S. 366, KSt-Kartei § 27 Karte 1). Nach einem Beschluss der Körperschaftsteuer-Referatsleiter soll für Zwecke der Steuerbescheinigung sowie für die Besteuerung des Anteilseigners die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos Vorrang vor der Verwendung zur Realisierung eines KSt-Guthabens haben; ansonsten gilt weiterhin, dass die Gesamtleistung der Gesellschaft parallel den Berechnungen nach den §§ 27, 37 und 38 KStG zugrunde gelegt wird.

Eine gleichzeitige Verwendung der Leistung zur Realisierung eines KSt-Guthabens und zum Verbrauch des steuerlichen Einlagekontos liegt vor, wenn die Summe aus dem 6fachen des KSt-Minderungsbetrags und der Verwendung des Einlagekontos höher ist als die tatsächliche Leistung der Gesellschaft im Wirtschaftsjahr.

Der Betrag des noch nach § 37 Abs. 3 KStG zu bescheinigenden KSt-Minderungsbetrags errechnet sich dann wie folgt:

Gesamtbetrag der KSt-Minderung –  1/6 der Mehrfachverwendung.

Dieser Betrag wird maschinell ermittelt und dem Bearbeiter durch Ausgabe eines Bearbeitungshinweises zum Zweck der Fertigung einer Kontrollmitteilung an das Betriebsstätten-Finanzamt des Anteilseigners mitgeteilt.

Beispiel 1

Zum sind in der Steuerbilanz folgende Eigenkapitalbestände ausgewiesen:


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Nennkapital
30.000 
Kapitalrücklage
130.000 
Gewinnvortrag
110.000 
Jahresfehlbetrag
–   20.000 
Summe Eigenkapital
250.000.

Ferner haben sich zum folgende Bestände i. S. d. §§ 27 und 37 KStG ergeben:


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Körperschaftsteuerguthaben
5.000 
Steuerliches Einlagekonto
130.000.

Im Wirtschaftsjahr 2002 beschließt die Gesellschafterversammlung eine offene Gewinnausschüttung für das Wirtschaftsjahr 2001 i. H. v. 100.000.

Lösung 1

Es ergeben sich folgende Auswirkungen auf die KSt-Festsetzung für den Veranlagungszeitraum 2002 aufgrund der Ausschüttung:

Körperschaftsteuerminderung (§ 37 KStG)


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1/6 von 100.000, höchstens jedoch Bestand des Guthabens
5.000

Verwendung des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 KStG)


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Leistungen i. S. d. § 27 KStG
 
100.000
 
Eigenkapital laut Steuerbilanz
250.000
 
– 
Nennkapital
–   30.000
 
– 
Steuerliches Einlagekonto
–   30.000
 
ausschüttbarer Gewinn
90.000
–   90.000
Verwendung
 
10.000

Ist der Anteilseigner eine Kapitalgesellschaft, ist auf der auszustellenden Steuerbescheinigung zum Zwecke der Nachversteuerung ein KSt-Guthaben von 5.000 auszuweisen. Eine Mehrfachverwendung liegt nicht vor, da die Summe aus dem Sechsfachen der KSt-Minderung (= 30.000) und der Verwendung des steuerlichen Einlagekontos (= 10.000) nicht höher ist als die Gesamtleistung der Gesellschaft. Dies bedeutet, dass sowohl für die Realisierung des Guthabens als auch für die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos ausreichend verwendbares Eigenkapital zur Verfügung steht.

Beispiel 2

Zum sind in der Steuerbilanz folgende Eigenkapitalbestände ausgewiesen:


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Nennkapital
30.000
Kapitalrücklage
130.000
Gewinnvortrag
110.000
Jahresfehlbetrag
– 100.000
Summe Eigenkapital
170.000

Ferner haben sich zum folgende Bestände i. S. d. §§ 27 und 37 KStG ergeben:


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Körperschaftsteuerguthaben
5.000
Steuerliches Einlagekonto
130.000

Im Wirtschaftsjahr 2002 beschließt die Gesellschafterversammlung eine offene Gewinnausschüttung für das Wirtschaftsjahr 2001 i. H. v. 100.000.

Lösung 2

Es ergeben sich folgende Auswirkungen auf die KSt-Festsetzung für den Veranlagungszeitraum 2002 aufgrund der Ausschüttung:

Körperschaftsteuerminderung (§ 37 KStG)


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1/6 von 100.000, höchstens jedoch Bestand des Guthabens
5.000

Verwendung des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 KStG)


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Leistungen i. S. d. § 27 KStG
 
100.000
Eigenkapital laut Steuerbilanz
170.000
 
– 
Nennkapital
–   30.000
 
– 
Steuerliches Einlagekonto
– 130.000
 
ausschüttbarer Gewinn i. S. d. § 27 KStG
10.000
–   10.000
Verwendung
 
90.000

In diesem Fall ergibt sich eine Mehrfachverwendung von steuerlichem Einlagekonto und KSt-Guthaben i. H. v. 20.000:


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Verwendung KSt-Guthaben (5.000) × 6 =
30.000
Verwendung Einlagekonto:
90.000
Summe
120.000
Leistung
– 100.000
Mehrfachverwendung
20.000

Zur Realisierung einer KSt-Minderung von 5.000 wird daher eine Ausschüttung von 30.000 benötigt, 90.000 verringern das steuerliche Einlagekonto. Dies ergibt einen Gesamtbetrag von 120.000, dem eine tatsächliche Ausschüttung von 100.000 gegenübersteht.

Der Betrag des für Nachversteuerungszwecke zu bescheinigenden KSt-Guthabens ist daher auf 1/6  × 10.000 = 1.667 zu beschränken, da von der Gewinnausschüttung von 100.000 bereits vorrangig 90.000 für die Minderung des steuerlichen Einlagekontos verbraucht werden.

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Fundstelle(n):
CAAAB-52614