OFD Düsseldorf - S 0284

Bekanntgabe von schriftlichen Verwaltungsakten an Personengesellschaften in Liquidation

I. Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) in Liquidation (i.L.)

1. Eine in Liquidation befindliche GbR besteht wie alle übrigen Personengesellschaften als Liquidationsgesellschaft solange fort, bis alle gemeinsamen Rechtsbeziehungen beseitigt sind. Verwaltungsakte können daher an sie gerichtet werden ( BStBl 1987 II S. 183).

Den ehemaligen Gesellschaftern steht als Liquidatoren die Geschäftsführungsbefugnis nur gemeinschaftlich zu (§ 730 Abs. 2 BGB). Verwaltungsakte an eine GbR i.L. können trotz dieser Regelung einem Gesellschafter gegenüber bekanntgegeben werden. Es gilt der allgemeine Grundsatz, dass ein Gesellschafter auch zur Entgegennahme von bürgerlich-rechtlichen Willenserklärungen alleine berechtigt ist (vgl. BStBl 1986 II S. 539, und vom , BStBl 1987 II S. 325). Im übrigen greift die Regelung des § 34 Abs. 2 AO ein, so dass auch hiernach das Finanzamt berechtigt ist, einen Verwaltungsakt für die GbR nur einem Gesellschafter, der zugleich Liquidator ist, bekanntzugeben.

Im Bescheid ist klar zum Ausdruck zu bringen, dass der Bescheid dem Adressaten als Vertreter der GbR i.L. zugeht.

Ist die Liquidation zivilrechtlich bereits abgeschlossen, sollten Steuerbescheide jedem ehemaligen Gesellschafter bekannt gegeben werden.

2. Gesonderte und einheitliche Feststellungsbescheide können, auch wenn die Liquidation nicht abgeschlossen ist, einem gemeinsam bestellten Empfangsbevollmächtigten im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 AO bekannt gegeben werden, falls die Beteiligten oder der Empfangsbevollmächtigte nicht widersprochen haben (§ 183 Abs. 3 AO).

3. Auch im Falle der Liquidation gilt folgender allgemeiner Grundsatz:

Ist ein gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter nicht vorhanden und sind alle oder mehrere Gesellschafter zur Vertretung oder Verwaltung nur gemeinsam berechtigt (§§ 709, 710 BGB), kann von der Vermutung des § 183 Abs. 1 Satz 2 AO, dass ein zur Vertretung Berechtigter als Empfangsbevollmächtigter gilt, nicht ausgegangen werden. Es fehlt an einem zur Vertretung Berechtigten (vgl. EFG 1984 S. 324, und des EFG 1985 S. 160).

4. Ist die Liquidation abgeschlossen oder hat die Gesellschaft ohne Liquidation geendet, besteht die Möglichkeit, Feststellungsbescheide weiterhin unter den Voraussetzungen des § 183 Abs. 3 AO einem gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bekannt zu geben. Es kann aber im Einzelfall pflichtgemäßer Ermessensausübung entsprechen, einen Feststellungsbescheid jedem Gesellschafter bekannt zu geben, z.B. wenn Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten und dem Empfangsbevollmächtigten bekannt sind oder bereits längere Zeit verstrichen ist.

II. Personenhandelsgesellschaften (OHG/KG) in Liquidation

1 Verwaltungsakte (Steuerbescheide) an die Gesellschaft

1.1 Eine Personengesellschaft besteht als Liquidationsgesellschaft solange fort, bis alle Rechtsbeziehungen, zu denen auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Finanzamt gehört, beendet sind.

1.2 Eine Löschung im Handelsregister wirkt nur deklaratorisch. Stellt sich später heraus, dass noch ein Anspruch geltend zu machen ist, so besteht das Liquidationsstadium weiter. Die unzutreffende Löschung im Register kann wieder rückgängig gemacht werden (§ 142 Abs. 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit). Auch wenn dies noch nicht geschehen ist, kann die Gesellschaft unter ihrer bisherigen Firma auftreten (vgl. BStBl 1985 II S. 501).

1.3 Eine OHG i.L. wird zur GbR i.L., wenn Aktivvermögen nicht mehr vorhanden ist und sich auch aus einem noch zu erlassenen Steuerbescheid eine Erstattung (= Vermögensanspruch) nicht ergibt. Wird eine solche Personenhandelsgesellschaft nicht als GbR i.L. bezeichnet, ist dies unschädlich.

1.4 Sind noch Steueransprüche gegen die Gesellschaft geltend zu machen, ist eine Vollbeendigung nicht eingetreten.

1.5 Steuerbescheide sind an den nach den Vorschriften des HGB bestellten Liquidator unter Angabe seines Vertretungsverhältnisses bekannt zu geben.

1.6 GmbH & Co. KG nach Löschung der Komplementär-GmbH: Sind gegenüber einer GmbH & Co. KG noch Verwaltungsakte zu erlassen, ist die Bestellung eines Nachtragsliquidators für die bereits im Handelsregister gelöschte Komplementär-GmbH entbehrlich. Die ehemaligen Kommanditisten vertreten – jeder einzeln – als gesetzliche Liquidatoren die KG (§§ 161 Abs. 2, 146 Abs. 1 Satz 1 HGB i.V.m. §§ 150 Abs. 2 Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 HGB).

1.7 Ist eine Personengesellschaft als GbR i.L. zu behandeln (siehe Tz. 1.3), ergibt sich keine von den Tzn. 1.5 und 1.6 abweichende Beurteilung. Steuerbescheide sind dem ehemaligen Gesellschafter bekannt zu geben, dem auch bei einer Liquidation der Personenhandelsgesellschaft die Bescheide als Liquidator hätten bekannt gegeben werden können. In dem Verwaltungsakt ist anzugeben, dass er an den Gesellschafter ergeht, weil er aufgrund seiner Gesellschafterstellung empfangsberechtigt ist.

2 Gesonderte und einheitliche Feststellungsbescheide

2.1 Gesonderte und einheitliche Feststellungsbescheide sind weiterhin einem gemeinsam bestellten Empfangsbevollmächtigten im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 AO bekannt zu geben, falls die Beteiligten oder der Empfangsbevollmächtigte nicht widersprochen haben (§ 183 Abs. 3 AO).

Ist die Liquidation abgeschlossen oder hat die Gesellschaft ohne Liquidation geendet, besteht die Möglichkeit, Feststellungsbescheide weiterhin unter den Voraussetzungen des § 183 Abs. 3 AO einem gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bekannt zu geben. Es kann aber im Einzelfall pflichtgemäßer Ermessensausübung entsprechen, einen Feststellungsbescheid jedem Gesellschafter bekanntzugeben, z.B. wenn Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten und den Empfangsbevollmächtigten bekannt sind oder bereits längere Zeit verstrichen ist.

Während einer Liquidation kann auch, wenn ein gemeinsam bestellter Empfangsbevollmächtigter nicht vorhanden ist, von der Regelung des § 183 Abs. 1 Satz 2 AO Gebrauch gemacht werden. Danach gilt der Liquidator als Empfangsbevollmächtigter. Im Falle einer Nachtragsliquidation kann jedoch nach § 183 Abs. 1 Satz 2 AO nicht verfahren werden (vgl. BStBl 1986 II S. 477). Gleiches gilt im Falle der Tz. 1.3.

2.2 GmbH & Co. KG nach Löschung der Komplementär-GmbH: Wird ein Feststellungsbescheid der GmbH gegenüber mangels Vorhandenseins eines Nachtragsliquidators nicht bekannt gegeben, so führt dies nicht zur Nichtigkeit des den übrigen Gesellschaftern bekanntgegebenen Feststellungsbescheids. Die wirksame Bekanntgabe des Feststellungsbescheides an die Komplementär-GmbH kann auch noch im finanzgerichtlichen Verfahren nachgeholt werden (vgl. BStBl 1977 II S. 783).

III. Abgrenzung

Für die Fälle, in denen eine Personengesellschaft ohne Liquidation durch Ausscheiden ihres vorletzten Gesellschafters und Anwachsung des Anteils am Gesamthandsvermögen bei dem übernehmenden Gesellschafter oder durch Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft beendet wird, wird auf AEAO zu § 45 und zu § 122 Tzn. 2.7.4, 2.12.2 und 2.15 bzw. 2.16 hingewiesen.

Inhaltlich gleichlautend
OFD Düsseldorf v. - S 0284
OFD Münster v. - S 0284

Fundstelle(n):
FAAAB-52600