Abbruchkosten bei Gebäudeerwerb in Abbruchabsicht zum Zwecke der Bebauung des Nachbargrundstücks
Gesetze: EStG § 7 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Nr. 7
Instanzenzug: FG des Landes Brandenburg Urteil vom 3 K 192/01 (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
In den Streitjahren 1995 bis 1998 erzielte der Kläger Einkünfte aus der Vermietung von zwei zusammenhängenden Grundstücken. Ein —1 025 qm großes— Grundstück hatte er im Juni 1995 zu einem Kaufpreis von 240 000 DM erworben; der Verkehrswert der aufstehenden Gebäude —eine Doppelhaushälfte mit Garagenanbau sowie ein Stallgebäude— betrug nach einem im Mai 1995 eingeholten Gutachten 32 287 DM, die Reparaturkosten wurden auf insgesamt 68 000 DM geschätzt. Das andere angrenzende —unbebaute, 400 qm große— Grundstück hatte der Kläger im September 1995 gekauft.
Bereits im August 1995 hatte der Kläger die Doppelhaushälfte für 15 007,50 DM abreißen lassen. Die Aufwendungen für den Kauf des alten Gebäudes, die in diesem Zusammenhang entstandenen Nebenkosten und die Aufwendungen für den Abriss rechnete er den Herstellungskosten eines Wohn- und Geschäftshauses zu, das er 1996 teils auf dem unbebaut erworbenen Nachbargrundstück, teils auf einem früher nicht bebauten Teil des ehemaligen Wohngrundstücks errichtete und seitdem vermietete.
Im Januar 1996 erwarb der Kläger ferner ein weiteres —ebenfalls angrenzendes— 378 qm großes unbebautes, zum Teil als Straßenfläche genutztes Grundstück (im Folgenden Grundstück C).
Aufgrund einer Außenprüfung stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) fest, dass die Zufahrt zum Wohn- und Geschäftshaus des Klägers über das Grundstück C errichtet worden war. Das frühere (mit der abgerissenen Doppelhaushälfte bebaute) Wohngrundstück war grundbuchrechtlich in einen überbauten sowie in einen brachliegenden Grundstücksteil geteilt worden; auf diesem brachliegenden Teil hatte das abgerissene Gebäude gestanden.
Im Hinblick auf diese Feststellungen ordnete das FA die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem abgerissenen Gebäude den Anschaffungskosten des Grund und Bodens zu und erließ dementsprechend für die Streitjahre —unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung— Einkommensteueränderungsbescheide. Die dagegen erhobenen Einsprüche wies das FA als unbegründet zurück.
Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage machten die Kläger geltend, der Abriss des Alt-Gebäudes sei zur Herstellung des neuen Gebäudes erforderlich gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gehörten zu den Herstellungskosten auch solche Aufwendungen, die zwangsläufig im Zusammenhang mit der Herstellung des Gebäudes anfielen, wenn —wie im Streitfall— ohne den Abbruch kein Neuerrichten möglich sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 439 veröffentlichten Urteil ab.
Zur Begründung führte es aus, die streitigen Abbruchkosten seien schon deshalb nicht den Herstellungskosten zuzurechnen, weil das neue Gebäude weder im Sinne der BFH-Rechtsprechung an der Stelle noch anstelle des alten Gebäudes errichtet worden sei; denn Zweck der Anschaffung der früher mit den abgebrochenen Gebäude überbauten Fläche sei lediglich die Nutzung als Zufahrt zu dem Baugrundstück und als Reservegrundstück gewesen. Wirtschaftsgüter —wie die Anlegung eines Parkplatzes— hätten nicht geschaffen werden sollen und seien auch nicht hergestellt worden. Sei Ziel des Erwerbs ein unbebautes Grundstück, das nach Teilung selbst nicht bebaut werden solle, so dienten die Abbruchkosten der „Versetzung des Grund und Bodens in den betriebsbereiten Zustand” (§ 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs —HGB—).
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Selbst bei bestehender Abbruchabsicht erwerbe der Steuerpflichtige zwei verschiedene Wirtschaftsgüter —einerseits Grund und Boden sowie andererseits Gebäude—, die jeweils mit ihren Anschaffungskosten zu bewerten seien. Entgegen der Ansicht des FG sei das später abgerissene Gebäude bei Erwerb nicht wertlos gewesen. Ferner müsse berücksichtigt werden, dass der Abriss des Gebäudes zur Realisierung des Bauvorhabens zwingend notwendig gewesen sei; die entsprechenden Aufwendungen müssten ebenso wie die Aufwendungen für die durch eine Baumaßnahme bedingte Beseitigung von Hecken, Buschwerk und Bäumen, für Stützungs- Überfahrungs- oder Umrüstungsmaßnahmen sowie für die Anlegung einer Baustraße als Herstellungskosten erfasst werden.
Sie beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung unter Berücksichtigung des Restbuchwerts des abgebrochenen Gebäudes sowie der Abbruchkosten als Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes zu ändern.
Das FA beantragt im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Urteils, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die tatsächliche Würdigung des FG, die streitigen Abrisskosten seien den Anschaffungskosten für den Grund und Boden zuzurechnen, weil sie dazu in einem engeren wirtschaftlichen Zusammenhang als zu den Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes stünden, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Welche Aufwendungen zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählen, bestimmt sich für die Gewinneinkünfte und Überschusseinkünfte, mithin auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, nach § 255 HGB (vgl. , BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569).
a) Danach gehören zu den Anschaffungskosten Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten (vgl. , BFHE 198, 85, BStBl II 2003, 574; vom IX R 50/02, BFH/NV 2004, 767, m.w.N.).
Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes rechnen auch Aufwendungen für den Abriss eines vorhandenen Gebäudes auf einem zum Zwecke der Neubebauung erworbenen Grundstück, wenn das neue Gebäude an der Stelle des abgerissenen Gebäudes errichtet und damit die Vernichtung des alten Gebäudes Voraussetzung für die Errichtung des neuen Wirtschaftsguts ist. Dieser enge wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Abbruch des alten und Errichtung des neuen Gebäudes rechtfertigt es, die mit dem Abbruch verbundenen Aufwendungen —ebenso wie den Buchwert des abgebrochenen Gebäudes bei noch vorhandener Werthaltigkeit (, BFHE 142, 477, BStBl II 1985, 208)— als Herstellungskosten des neuen Wirtschaftsguts zu behandeln (vgl. , BFHE 100, 32, BStBl II 1970, 810; BFH-Beschlüsse vom GrS 1/77, BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620; vom GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, m.w.N.). Gleiches gilt, wenn das abgebrochene Gebäude zuvor zu eigenen Wohnzwecken oder anderen nicht einkommensteuerlich relevanten Zwecken genutzt wurde (vgl. , BFHE 199, 120, BStBl II 2002, 805, m.w.N.).
Wird dagegen das in Abbruchabsicht erworbene Gebäude beseitigt, ohne dass an seiner Stelle ein neues Gebäude oder sonstiges Wirtschaftsgut errichtet oder hergestellt wird, sind die Abbruchaufwendungen allein den Anschaffungskosten für den Grund und Boden zuzurechnen, selbst wenn das abgebrochene Gebäude —wie im Streitfall— objektiv noch einen Wert hatte oder der Steuerpflichtige für den Erwerb des Gebäudes einen Kaufpreisanteil aufwenden musste (vgl. in BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620, m.w.N.).
b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze, die das FG ausdrücklich in Bezug genommen hat, ist seine tatsächliche Würdigung, die streitigen Abbruchaufwendungen stellten Anschaffungskosten des Grund und Bodens dar, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dies gilt unabhängig von der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob das abgebrochene Gebäude im Zeitpunkt des Abbruchs noch einen Wert hatte; denn das FG hat seine Entscheidung alternativ auch unter Berücksichtigung der Werthaltigkeit des Gebäudes getroffen.
Als Tatsacheninstanz hat das FG die maßgeblichen Umstände des Streitfalles (vgl. , BFHE 109, 326, BStBl II 1973, 678) dahin gewürdigt, dass selbst dann der erforderliche enge wirtschaftliche Zusammenhang der Abbruchkosten zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens anzunehmen ist, wenn grundsätzlich auch die Zuordnung zu den Herstellungskosten eines an anderer Stelle des Grundstücks errichteten Gebäudes möglich wäre. Ausschlaggebend für das FG ist, dass weder eine Herstellung anstelle noch an der Stelle des abgebrochenen Gebäudes erfolgte; denn die Anschaffung des —später abgetrennten— Grundstücksteils diente lediglich der Nutzung als Zufahrt zum Baugrundstück und als Reservegrundstück, ohne dass der Kläger Wirtschaftsgüter —wie die Anlegung eines Parkplatzes— habe schaffen wollen. Diese Gesamtwürdigung des FG ist möglich, sie verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze; zulässige und begründete Verfahrensrügen sind nicht erhoben worden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
HFR 2005 S. 743 Nr. 8
JAAAB-52347