Verletzung der Sachaufklärungspflicht bei Nichtvernehmung eines im Ausland ansässigen Zeugen; Abgrenzung zwischen selbständiger und nichtselbständiger ArbeitS. 24
Gesetze: FGO §§ 76, 96, 115; AO § 90 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Entgegen der Auffassung der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist das Finanzgericht (FG) nicht von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen (unten 1.). Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen bleiben erfolglos, weil sie nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügen oder die gerügten Verfahrensmängel nicht vorliegen (unten 2.).
1. Die von der Klägerin erhobene Divergenzrüge ist jedenfalls unbegründet. Die Vorentscheidung weicht nicht von den von der Klägerin angeführten BFH-Entscheidungen (Urteile vom IV R 94/99, BFHE 199, 261, BStBl II 2002, 565; vom IV R 60-61/94, BFHE 178, 364, BStBl II 1995, 888) ab.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist Arbeitnehmer, wer seine Arbeitskraft in abhängiger Stellung schuldet; kennzeichnend hierfür ist, dass die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse, wobei die für bzw. gegen Nichtselbständigkeit sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen und Einzelmerkmale nach ihrer Bedeutung zu gewichten sind (vgl. , BFHE 169, 154, BStBl II 1993, 155). In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung hat das FG eine Gesamtwürdigung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse vorgenommen. In diesem Zusammenhang hat es der Tatsache, dass den Bodenverlegern die Baustellen zugewiesen und die Zeit der Leistungserbringung bestimmt wurde, lediglich eine, wenn auch aus seiner Sicht wichtige Indizwirkung zugemessen. Dies steht nicht im Widerspruch zur Auffassung des BFH in BFHE 199, 261, BStBl II 2002, 565. Auch dort fand dieses Merkmal lediglich Eingang in die Würdigung der Umstände des Einzelfalls.
In Übereinstimmung mit dem BFH in BFHE 169, 154, BStBl II 1993, 155 ist das FG davon ausgegangen, dass das Fehlen von Bestimmungen über zustehenden Urlaub bzw. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall im Hinblick auf die Kurzfristigkeit des jeweiligen Arbeitseinsatzes keine ausschlaggebende Rolle spielte. Maßgeblich ist auch insoweit das Gesamtbild der Verhältnisse mit der Folge, dass in einer anderen Fallkonstellation diesem Merkmal durchaus Bedeutung zukommen kann (vgl. BFH in BFHE 199, 261, BStBl II 2002, 565; in BFHE 178, 364, BStBl II 1995, 888).
2. Die Zulassung der Revision wegen Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) kommt nicht in Betracht.
a) Soweit die Klägerin beanstandet, das FG habe die von ihnen benannten Zeugen C und D nicht vernommen und die im Schriftsatz vom beantragte Beweiserhebung durch Einholung einer Auskunft und eines Sachverständigengutachtens nicht durchgeführt, rügt sie, das FG habe gegen seine Sachauf (§ 76 Abs. 1 FGO) verstoßen. Diese Rüge ist schon nicht schlüssig erhoben.
Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO muss in der Beschwerdeschrift u.a. der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Das Übergehen eines entscheidungserheblichen Beweisantrags kann einen solchen Verfahrensmangel darstellen. Wird jedoch ein Verstoß gegen die Beachtung von Verfahrensvorschriften gerügt, auf die gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung (ZPO) verzichtet werden kann, so setzt die zulässige Rüge des Verfahrensverstoßes die Darlegung in der Beschwerdeschrift voraus, dass der Kläger auf sein Rügerecht nicht verzichtet habe. Zu den verzichtbaren Mängeln gehört u.a. das Übergehen eines Beweisantrags (BFH-Entscheidungen vom VI B 161/00, BFH/NV 2003, 793; vom I B 8, 9/96, BFH/NV 1997, 580; vom VIII B 141/99, BFH/NV 2001, 463). Entsprechende Ausführungen fehlen in der Beschwerdeschrift. Auch lässt sich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung nicht entnehmen, dass die Klägerin die unterlassene Beweiserhebung gerügt hat.
Im Fall des Zeugen C, der im Ausland ansässig ist, kommt hinzu, dass dieser nicht in der mündlichen Verhandlung gestellt wurde. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein im Ausland ansässiger Zeuge vom FG nicht zu laden, sondern vom Beteiligten, der die Vernehmung dieses Zeugen beantragt, nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zu stellen. Für das FG besteht eine Verpflichtung zur Vernehmung in diesem Fall nicht (BFH-Entscheidungen in BFH/NV 1997, 580; in BFH/NV 2001, 463; vom V B 31/00, BFH/NV 2000, 1505; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, § 76 Rz. 24).
b) Der Vortrag der Klägerin, das FG hätte im Rahmen seiner Amtsermittlung grundsätzlich Auskünfte bei der örtlichen Handwerks- bzw. Industrie- und Handelskammer einholen müssen, erfüllt ebenfalls nicht die Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht.
Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht mit der Begründung gerügt, das FG habe den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen weiter aufklären müssen, so sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 70) substantiierte Angaben des Beschwerdeführers u.a. darüber zu machen,
- aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts oder einer Beweiserhebung auch ohne entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen,
- welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und
- inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Es fehlen Ausführungen zu sämtlichen genannten Punkten.
c) Die Klägerin rügt ferner die Verletzung ihres Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG—; § 96 Abs. 2 FGO). Zur Begründung trägt sie vor, das FG habe Tatsachenvortrag nicht beachtet (Beschwerdeschrift unter A. I. 1. a, c; A. I. 3.), Beweise nicht erhoben (Beschwerdeschrift unter A. I. 1. a, b, c; 3.), sich mit der Aussage der Zeugin nicht auseinander gesetzt (Beschwerdeschrift unter A. I. 1. d) und in Widerspruch zu den vorgelegten Unterlagen stehende Feststellungen getroffen (Beschwerdeschrift unter A. I. 3.).
Dieser Vortrag der Klägerin genügt nicht den Anforderungen einer schlüssigen Gehörsrüge. Bezieht sich der (vermeintliche) Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, wie hier, nur auf einzelne Feststellungen, muss der Beschwerdeführer schlüssig darlegen, inwiefern das angefochtene Urteil (auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG) auf dem Verfahrensmangel beruht, also ohne diesen möglicherweise anders ausgefallen wäre (Senatsentscheidung vom VI B 97/02, BFH/NV 2003, 1208, m.w.N.). Diesen Anforderungen werden die Ausführungen der Klägerin nicht gerecht.
3. Im Kern richtet sich die Kritik der Klägerin an der Vorentscheidung dagegen, dass das FG die vom BFH entwickelten Rechtsgrundsätze zur Abgrenzung der selbständigen von der unselbständigen Tätigkeit unrichtig auf den vorliegenden Streitfall angewendet habe. Darin liegt die Rüge eines materiell-rechtlichen Mangels (Subsumtionsfehler), die grundsätzlich nicht die Voraussetzungen eines Revisionszulassungsgrunds i.S. von § 115 Abs. 2 FGO erfüllt (Senatsentscheidung in BFH/NV 2003, 793).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1088 Nr. 7
WAAAB-52334